21 Windenergieunternehmen, vier Interessenverbände der Branche sowie als Arbeitnehmervertreter die IG Metall haben sich hinter dem gemeinsamen Positionspapier versammelt. Der oberste Wirtschaftspolitiker des Landes verweist auf eine „dramatische Situation der Branche …, die mit den Ergebnissen der ersten beiden Ausschreibungsrunden entstanden“ seien. Mit Verweis auf die Ergebnisse der ersten beiden Ausschreibungsrunden in dem für 2017 neu eingeführten System zur Ermittlung der Vergütungshöhen für Windkraft an Land stellt sich Lies hinter die Beschwerden der professionellen Windparkunternehmen über drei wichtige Fehlentwicklungen: So hat erstens die Bevorzugung von Bürgerwindparks bei den Ausschreibungen mit ihren speziellen Regelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dazu geführt, dass in der ersten Ausschreibungsrunde zwei und in der zweiten Runde nur ein Projektierer als Partner von Bürgergesellschaften einen Großteil der siegreichen Projekte für sich vereinnahmte. Konkret: In der ersten Ausschreibungsrunde vom Mai hatten zwei Projektierer 35 Prozent des in der Ausschreibung siegreichen Volumens neuer Windparkprojekte unter sich aufgeteilt – beide hatten sie in ihrer offiziellen Funktion als Berater von Bürgerenergiegruppen also jeden dritten der siegreichen Windparkprojekte ins Ziel gebracht. In der zweiten Runde hatte dann ein Projektierer sogar 60 Prozent der Zuschläge abgeräumt, wobei er fünf von 67 Projekten sogar als Nicht-Bürgerwindparks zu einem Zuschlag brachte.
Die von Lies versammelten klassischen Projektierer monieren, dass mutmaßlich ein Gros der in den Ausschreibungen siegreichen Bürgerprojekte womöglich nur als Bürgerwindparks getarnte klassische Projekte seien. Sie konnten demnach nur deshalb mit der gesetzlichen Besserstellung ins Rennen gehen, weil sie mit Tricks unter Ausnutzung einer Gesetzeslücke als Bürgerwindpark bezeichnet werden konnten. Die EEG-Klausel zur Förderung der Bürgerwindparks sieht vor, dass solche Projekte für die Teilnahme an der Ausschreibung anders als klassische Projektierer-Windparkvorhaben noch keine Baugenehmigung vorweisen müssen. Außerdem erhalten die Bieter von Bürgerwindparks, wenn sie zu den billigsten Bietern gehören, immer die Vergütung des höchsten noch zum Zuge kommenden Gebots.
Zum zweiten setzten die siegreichen Projektierer in der zweiten Runde sich mit branchenweit als überraschend tief eingeschätzten Geboten durch. Der Marktführer der Windturbineninstallationen in Deutschland, der ostfriesische Windenergieanlagenhersteller Enercon, Mitunterzeichner des Positionspapiers, ließ sich bereits vom Internationalen Wirtschaftsforum in Münster entsprechend zitieren, dass hier „spekulativ darauf gesetzt wurde, durch diese stillschweigende Monopolisierung [der Bürgerwindprojekte in der Regie einzelner Projektierer] Druck auf Anlagenpreise ausüben zu können.“ Gegen den überraschend schnellen Preisverfall der eingespeisten Kilowattstunde (kWh) – siegreich in der zweiten Ausschreibungsrunde waren Gebote von 3,5 bis 4,29 Cent pro kWh - will der niedersächsische Minister zusammen mit den Branchenunternehmen des Landes eine Bremse einbauen: Die Bundesnetzagentur müsse nun den bestehenden Spielraum für die Festlegung des Höchstpreises in 2018 nutzen. Soll heißen: Das EEG sieht vor, dass die sich bis Ende 2017 einpendelnden gerade noch siegreichen Höchstpreise der Gebote im Jahr 2018 durch die Bundesnetzagentur zu den gesetzlichen Höchstpreisen erklärt werden sollen. Wer seinen Windstrom nicht zu diesen künftigen Höchstpreisen oder gar zu tieferen Preisen pro kWh einzuspeisen bereit ist, darf dann nicht mitbieten. Nun fordert Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies also zusammen mit den Windenergiefirmen, dass die Bundesnetzagentur hier Spielräume ausnutzt, um eventuell höheren Preisen noch eine Chance zu geben.
Dafür verlangt das Positionspapier ein Vorziehen des für die Ausschreibungen im Jahr 2018 schon durch den Bundestag beschlossenen Moratoriums. Hierzu berufen sich die Autoren des Positionspapiers auch auf die dritte Fehlentwicklung: Weil Bürgerwindprojekte anders als sonstige Windparkvorhaben nicht schon nach zwei, sondern erst viereinhalb Jahre nach Erhalt ihres Zuschlags auch ans Netz gehen müssen, befürchtet die Branche nun einen Fadenriss beim Ausbau. Ein Großteil der im Jahr ausgeschriebenen Erzeugungskapazität von 2.700 Megawatt (MW) werde demnach erst Ende 2021 ans Netz gehen, da die meisten Bürgerwindprojekte noch gar keine Genehmigung besitzen. Das Moratorium sieht vor, dass die Bürgerwind-Regel 2018 ausgesetzt wird, wonach die Bürgerenergieprojekte auch ohne Genehmigung in Ausschreibungen teilnehmen können. Das Positionspapier aus Niedersachsen verlangt nun, dass das Moratorium schon für die dritte Ausschreibungsrunde für Onshore-Wind über weitere 1.000 MW im November 2017 gelten soll.
„Die Veröffentlichung der dritten Ausschreibung darf nur erfolgen wenn sich der Bundestag mit dieser Fragestellung erneut befasst hat und das Moratorium auch für diese Ausschreibung zur Anwendung kommt“, betonte Lies. Er selbst sei zwar immer für die Besserstellung der Bürgerwindparks eingetreten, um der Beteiligung der Bürger in Ausschreibungen eine Chance zu geben. Doch die jetzigen Regelungen führten im Gegenteil durch ihre missbräuchliche Ausnutzung letztlich zum Gegenteil ihres geplanten Zweckes: Sie förderten nicht die Vielfalt der Windpark-Unternehmen sondern im Gegenteil eine Monopolisierung des Windparkausbaus in Deutschland. Laut dem von Lies an die Medien verschickten Begleitschreiben zur Bekanntgabe des Positionspapiers müsse die Bürgerwindregel daher sogar dauerhaft ausgesetzt werden. Lies erklärte allerdings im Einklang mit den Projektierern nicht, wie die Beteiligung der Bürger auf andere Weise am Windkraftausbau in Deutschland im Rahmen von Ausschreibungen gewährleistet sein soll.
Für 2018, 2019 und 2020 fordern die Autoren des Positionspapiers nun zusätzliche Sonderausschreibungen, um den Fadenriss in den Windparkinstallationen zu vermeiden. Diese zusätzlichen Sonderausschreibungen sollten die Zuschläge für Windparks mit kurzen Realisierungsfristen bringen, um die durch erst spät gebaute Bürgerwindparks drohende Lücke zu füllen. Zum Ausgleich sollten die Ausschreibungen kommender Jahre um die Menge des tatsächlich realisierten Volumens der Ausschreibungen von 2017 dann reduziert werden.
Damit unterstützt der niedersächsische Wirtschaftsminister eins zu eins Forderungen der führenden Windenergieunternehmen in Deutschland, die diese schon seit der ersten Ausschreibungsrunde im Mai formulieren. Das Thema könnte zudem Wahlkampfthema werden, da in Niedersachsen im Oktober ein neuer Landtag gewählt werden muss.
(Tilman Weber)