Der derzeit größte Solarpark steht jetzt in Indien. Das Kraftwerk mit eine Leistung von 648 Megawatt ist in Kamuthi, im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu ans Netz gegangen. Er überragt die bisher größte Solaranlage der Welt – das Kraftwerk Topaz Solar Farm in Kalifornien – um fast 100 Megawatt.
Module werden täglich gereinigt
Innerhalb von nur acht Monaten hat der Projektierer Adani Group das gesamte Kraftwerk auf eine Fläche von zehn Quadratkilometer aufgebaut, das immerhin 679 Millionen Dollar gekostet hat. Zusätzlich wurde ein robotergesteuertes Reinigungssystem installiert, das die Module täglich vom Staub befreien. Den Strom für das Reinigungssystem liefern die Solarmodule. Mit diesem Kraftwerk macht Indien einen riesigen Schritt in Richtung Zehn-Gigawatt-Grenze an installierter Photovoltaikleistung. Es ist aber auch ein riesiger Schritt den Indien auf dem Weg in die Spitzenmärkte für Photovoltaik macht. Die Analysten erwarten immerhin, dass der Subkontient im kommenden Jahr der drittgrößte Solarmarkt der Welt wird, nach China und den USA. Immerhin strebt die Regierung in Neu-Delhi an, dass bis 2022 60 Millionen indische Haushalte mit Solarstrom versorgt werden. Bis 2030 sollen 40 Prozent des Stroms, der in Indien verbraucht wird, aus erneuerbaren Energien kommen.
Neu-Delhi verfolgt ambitioniertes Ziel
Das ambitionierte Ziel zu erreichen, ist auch dringend notwendig. Denn die Bevölkerungszahl steigt. Immer mehr Menschen wollen mit Strom versorgt werden. Dazu kommt noch ein erkleckliches Wirtschaftswachstum, was die Nachfrage nach Energie weiter antreiben wird. Dies mit fossilen Kraftwerken abzudecken, wird nicht nur teurer, da in Indien längst die Photovoltaik billiger ist als Strom aus neuen konventionellen Erzeugungsanlagen. Es würde auch die erheblichen Umweltprobleme, mit denen Indien jetzt schon zu kämpfen hat, weiter verschärfen. Immerhin wurde in Neu-Delhi Anfang November dieses Jahres die höchste Abgasbelastung in der Luft sein 17 Jahren gemessen. Auch andere Städte in Indien haben mit immenser Luftverschmutzung zu kämpfen, die eine Stromproduktion mit fossil angetriebenen Kraftwerken nahezu unmöglich machen.
Doch wenn dieses Ziel erreicht werden soll, muss sich die Regierung noch etwas einfallen lassen. Denn mit Preisdruck kommen die Projektierer schon zurecht. Immer wieder werden in Indien extrem niedrige Angebote bei den Ausschreibungen für Stromlieferverträge erreicht. Doch Tamil Nadu hat den Bogen jetzt offensichtlich überspannt. Wie das Beratungsinstitut Bridge to India mit Sitz in Mumbay meldet, haben sich an der jüngsten Ausschreibung von Solarstromlieferung in dem Bundesstaat nur 20 Bieter mit einer Gesamtleistung von 116 Megawatt Solarstromleistung an einer Ausschreibungsvolumen von 500 Megawatt beteiligt.
Hohe Hürden bei jüngster Ausschreibung
Es war nicht ein niedriger Preis, der die Bieter abgeschreckt hat. Denn in der Ausschreibung wurde den Projektierern eine feste Einspeisevergütung von 7,01 Indischen Rupien (etwa 9,6 Eurocent) pro Kilowattstunde vergeben. Vielmehr waren es die Randbedingungen, die vor allem große Projektierer davon abgehalten haben, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Tamil Nadu hatte im vergangenen Jahr eine Ausschreibung mit einem Volumen von 1,2 Gigawatt zum gleichen Einspeisetarif gestartet. Darauf hatten sich 90 Bieter mit einer Gesamtleistung von 3,2 Gigawatt beteiligt. Die Regierung in Chennai hat daraufhin die Hürden höher gelegt. Für die Teilnahme an der jüngsten Ausschreibung galt als Bedingung, dass der Projektierer die Fläche, auf der das Kraftwerk gebaut werden soll, schon bei Abgabe des Gebots besitzen musste. Außerdem galt ein Fertigstellungstermin der Anlage maximal zehn Monate nach Unterzeichnung des Stromliefervertrags. Das hat dazu geführt, dass sich die großen Projektentwickler zurückgehalten haben. Statt dessen sind in dieser Ausschreibung vor allem kleine Projektierer zum Zuge gekommen, die beweglicher agieren können.
Damit droht der Ausbau der Ökostromerzeugungsleistung gerade in Tamil Nadu ins Stocken zu geraten. Immerhin ist der Bundesstaat der Vorreiter bei der Energiewende in Indien. Satt neun Gigawatt Photovoltaik- und Windkraftleistung sind dort am Netz. Bei einer Grundlast von nur elf Gigawatt ist der Bundesstaat damit auf dem Stromsektor fast komplett erneuerbar. (Sven Ullrich)