Die Sektoren Gebäude und Verkehr haben 2023 laut Umweltbundesamt (UBA) zu wenig CO2 eingespart. Laut den Zahlen des Umweltbundeamtes verfehlte der Verkehrssektor sein Ziel deutlich um 12,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Der Gebäudesektor sparte zwar deutlicher ein, verfehlte sein Ziel aber um 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Warum diese Verfehlung auch viel mit dem Thema Sektorkopplung zu tun hat, erklärt Simon Müller, Direktor Deutschland des Thinktanks Agora Energiewende.
Herr Müller, welche Herausforderungen, welche Chancen bietet die Sektorkopplung – auch in Hinblick auf den Hinweis von Agora, dass die Klimapolitik bei Verkehr und Wärme noch besser werden muss?
Simon Müller: Klimaschutz bei Gebäuden und Verkehr bedeutet in erster Linie Elektrifizierung, also die Kopplung mit dem Stromsektor. Genau hier liegen die Chancen. Damit wir diese Brücke zwischen den Sektoren belastbar schlagen können, braucht es eine vorausschauende Infrastrukturplanung, die die steigende Stromnachfrage und den sinkenden Erdgasbedarf berücksichtigt. Hier gehen die Systementwicklungsstrategie und die nun verpflichtende kommunale Wärmeplanung Schritte in die richtige Richtung. Gerade vor Ort kommt es darauf an, die Wärme- mit der Stromnetzplanung zu verzahnen – so kann sichergestellt werden, dass in Gebieten mit vielen Wärmepumpen auch genügend Strom geliefert wird.
Simon Müller wird auf unserer Konferenz Sectors4Energy wartet.
Welche Rolle spielen Wärmepumpen und E-Mobilität?
Simon Müller: Der Hochlauf von Wärmepumpen und E-Pkws ist noch ein Stück Arbeit. Der Wärmepumpenmarkt, der 2023 auf Rekordkurs war, droht einzubrechen; das Ziel, 500.000 Wärmepumpen jährlich einzubauen, wird ohne weitere Bemühungen voraussichtlich verfehlt. Und auch der Hochlauf der Elektromobilität geht viel zu schleppend voran. Um das für den Klimaschutz wichtige Ziel von 15 Millionen E-Pkws bis 2030 zu erreichen, ist ein Anteil bei den Neuzulassungen von rund 90 Prozent nötig – 2023 lag der Anteil unverändert bei knapp 20 Prozent.
Warum ist das Thema Sektorkopplung hier so wichtig?
Simon Müller: Die Chancen liegen auf der Hand: wenn wir auf Basis solider Planung einen zügigen Hochlauf von Stromanwendungen in Gebäuden und Verkehr schaffen, sichern wir gleichzeitig einen wertvollen Beitrag, um noch mehr erneuerbare Energien in das Energiesystem zu integrieren. Wie groß das Potenzial haushaltsnaher Flexibilitäten ist, haben wir in einer Studie analysiert: 2035 können E-Autos, Wärmepumpen und Heimspeicher allein 100 Terawattstunden Stromnachfrage jährlich zeitlich flexibel nutzen – diese flexible Last entspricht dann mehr als 10 Prozent des Gesamtstromverbrauchs. Wir haben berechnet, dass durch die Aktivierung dieses Potenzials im Stromsystem im Jahr 2035 jährlich 4,8 Milliarden Euro eingespart werden können – indem sich die Abregelung erneuerbarer Energien und der Brennstoffeinsatz in regelbaren Kraftwerken reduziert. Zudem kann das Niederspannungsnetz entlastet und somit der Netzausbaubedarf gesenkt werden – auch das spart Kosten. Diese Einsparungen senken wiederum die Stromkosten für alle Haushalte.
Hier erfahren Sie mehr über das Programm am 2. und 3. Juli bei der Konferenz Sectors4Energy.