Wie Umweltbundesamt (UBA) und Bundeswirtschaftsministerium am Freitag bilanzierten, hat Deutschland sein Klimaziel im vergangenen Jahr erreicht. Ihre Bilanz bestätigt vorangegangene Berechnungen des Berliner Thinktanks Agora Energiewende auf Grundlage von Daten des Umweltbundesamtes und der Statistikdaten des Internetportals AGEB vom Januar. Nur geringfügig abweichend von den Agora-Energiewende-Vorabberechnungen sind die Treibhausgasemissionen bundesweit auf den Ausstoß von 649 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesunken. Damit seien 3,4 Prozent weniger Emissionen festzustellen gewesen als 2023 teilten das UBA und das Ministerium mit. Die gemäß Klimaschutzgesetz für 2024 zulässigen 693 Tonnen CO2-Äquivalente seien somit klar unterschritten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht nun Deutschland erklärtermaßen „auf Klimakurs“: „Weniger Treibhausgase sind möglich, auch mit wachsender Konjunktur in den kommenden Jahren“. Für 2030 sei er noch zuversichtlich, „dass wir die nationalen Klimaziele erreichen“. Bis dahin soll Deutschland gemäß Bundesgesetz die Emissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken, um danach bis 2045 klimaneutral zu werden.
Zu verdanken ist der Fortschritt beim Vermindern des CO2-Ausstoßes vor allem der wachsenden Grünstromquote durch Einspeisung aus immer größeren Erzeugungskapazitäten der Erneuerbare-Energien-Anlagen. Aber auch ein erneut milderer Winter und weniger Industrieproduktion trugen zur geringeren Zahl an neu emittierten CO2-Äquivalenten bei. Im Verkehr und beim Heizen versagten dagegen die Absichtserklärungen und Zielvorgaben vor der realen Treibhausgaserzeugung.
Deutschland verfehlt die Klimaneutralität 2045 – aber nur knapp
Fast nur noch halb so viel CO2-Emissionen wie 1990
So ging der CO2-Ausstoß in der Energieerzeugung um 17,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurück. Der Verkehr alleine verursachte allerdings noch 143,1 Millionen Tonnen – rund 1,4 Prozent weniger als 2023, aber noch 18 Millionen Tonnen mehr als geplant. Der Gebäudesektor verzeichnet einen Rückgang um 2,3 Prozent auf noch 100,5 Millionen Tonnen, weil weniger zu heizen war. Die Industrie war mit 153 Millionen Tonnen und somit 0,1 Prozent mehr als 2023 auf richtigem Kurs des Klimaschutzpfades bis 2030. Insgesamt, so bilanzierte Habeck, habe Deutschland im Hinblick auf 2030 nun sogar noch einen Puffer von 80 Millionen Tonnen CO2, sollte es den bisherigen Klimaschutzkurs beibehalten, so ergebe es die Prognose.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geht allerdings vom Gegenteil aus: „Neuer Projektionsbericht: Klimaziel im Jahr 2030 wird um 25 Millionen Tonnen verfehlt“, warnte die Umweltschutzorganisation und forderte ein Tempolimit für Autos und eine energetische Sanierungsoffensive im Gebäudebereich. Außerdem wolle DUH ein umfassendes Klimaschutzprogramm am Bundesverwaltungsgericht „schnellstmöglich erzwingen“. Alleine die prognostizierte Verfehlung des Verkehrsbereichs, die sich bis 2030 auf kumuliert 169 Millionen Tonnen CO2 summieren werde, und eine kumulierte Verfehlung bis 2030 gemäß der Prognose im Gebäudebereich um 110 Millionen Tonnen seien gravierend.
Die DUH verwies zudem auf das Gutachten des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung, wonach die Landnutzung zulassen sollte, dass bis 2030 jährlich Wälder und Moore sogar 25 Millionen Tonnen CO2 aufnehmen. Davon sei Deutschland aber weit entfernt, stattdessen verursache die land- und forstwirtschaftliche Nutzung laut den Daten von 2018 bis 2022 sogar 34-mal mehr Emissionen, als erwartet worden war. Somit sei der Sektor für rund 10 Prozent der deutschen Emissionen jährlich verantwortlich. Die EU-Ziele scheint Deutschland derweil mit einer Verfehlung um zusammen 226 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente von 2021 bis 2030 zu verpassen. Dafür drohen ab 2030 neue staatliche Mehrausgaben, weil die EU ab dann das Nachkaufen nationaler Emissionsrechte verlangt.