Auf einem Podium vor Medienarbeitenden brachte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Philipp Nimmermann, die Botschaft der Regierungspolitik an die Windenergiebranche angesichts mehrerer die Parteienlandschaften verändernden Wahlen vor: „Wir sind bereit unsere Leistung zu erbringen. Wir müssen das Tempo beibehalten.“ Und wichtig seien außerdem die internationale Zusammenarbeit und eine kluge Regelung der Finanzierung. Nimmermann dürfte mit seinem allgemeinen Verweis auf den notwendigen Zugang zu Kapital für Investoren oder auch Windkraftindustrieunternehmen auf jüngste Vorstöße aus der Branche selbst reagiert haben. Hersteller von Windenergieunternehmen, aber auch nicht zuletzt von großen Komponenten für Windenergieanlagen im Meer hatten zuletzt ihre Forderungen nach staatlichen Bürgschaften für dringend notwendige Investitionen in mehr Fertigungskapazitäten verstärkt.
Die hohen Volumen an bereits in staatlichen Ausschreibungen bezuschlagten Windparkleistungen an Land und des politisch vorgegebenen Ausbaus von Windparks im Meer erfordern mehr Produktionskapazitäten in Europa. Anderenfalls müssten Zulieferer insbesondere aus Asien einspringen. Windkraftbranche und Energiepolitiker in Europa und insbesondere in Deutschland befürchten aber einen dauerhaften Verlust von Marktanteilen, weil dann vor allem chinesische Produzenten mit marktverzerrenden riesigen staatlichen Finanzierungshilfen die regionale Wertschöpfung zerstörten.
Bärbel Heidebroek, die Präsidentin des Bundesverband Windenergie (BWE), machte die Einigkeit der von ihr vertretenen Branche in Deutschland mit der Positionierung aus dem Wirtschaftsministerium deutlich: Die Windenergieunternehmen in Deutschland benötigten die energiepolitische Stabilität ebenso, wie ein Aufrechterhalten der Geschwindigkeit beim Windenergieausbau. Allerdings mahnte sie auch zu Verbesserungen beim Zulassen von Ausbaumaßnahmen und Bauanträgen und Co: Manches könnte einfacher sein. Während beispielsweise in Deutschland trotz eines enormen Rekordvolumens bei den Zuschlägen durch die Ausschreibungen für 6.900 Megawatt (MW) neue Stromerzeugungskapazitäten bis jetzt und vermutlich 10.000 MW bis Jahresende im aktuellen Jahr bisher weniger neue Nennleistung ans Netz als im Vorjahr gelangt, schwächelt auch das Ausbautempo in Europa.
Nimmermann antwortete auf die Frage nach der energiepolitischen Kontinuität, viele Regierungen auch in Europa versicherten, die Entkarbonisierung zu erfüllen – also die Aufgabe, die heutigen klimaverändernden Energieversorgungsanlagen durch CO2-frei erzeugende Grünstromanlagen auszutauschen. Das Ziel einer sauberen, sicheren und billigen Energieversorgung sei unumstritten.
Der Geschäftsführer des Windturbinenherstellers Nordex, José Luis Blanco, erklärte auch in seiner verbandspolitischen Position als Vorsitzender der europäischen Branchenorganisation Wind Europe, er unterstütze die Globalisierung ebenso wie das Ziel der Europäischen Union (EU) einer widerstandsfähigen Energiewirtschaft. Konkret unterstütze er in diesem Zusammenhang auch die in der EU vereinbarten Ziele zur Energieversorgung, die auf die Sicherheit dieser Versorgung und zugleich auf die Daten- und digitale Kommunikationssicherheit als „Cyber Security“ setzt. Auch er sehe die Notwendigkeit von Kooperationen in der Branche.
Der Geschäftsführer von Windenergieanlagenhersteller Enercon, Udo Bauer, verwies noch einmal auf die in der EU als level playing field diskutierten Maßnahmen gegen einen ungeregelten Marktzugang von Wettbewerbern aus insbesondere China mit als unverhältnismäßig erkannter staatlicher Unterstützung. Dieses gleiche Spielfeld für alle Marktteilnehmer benötigten die Unternehmen: „In einer perfekten Welt können alle im Wettbewerb teilnehmen“, in der heutigen Realität weltwirtschaftlicher und geopolitischer Verwerfungen „muss man genau hinschauen“, sagte Bauer, der in einer Sprecherfunktion auch die Energiesparte des deutschen Maschinenbauverbands VDMA vertrat. Als eine konkrete Forderung für solche Maßnahmen nannte die BWE-Präsidentin die in Offshore-Windenergie-Ausschreibungen in Europa schon in ersten Ländern eingeführten Präqualifizierungsregeln: Windenergieunternehmen, die an Ausschreibungen teilnehmen wollen, müssen sich vor den Bieterrunden bereits durch Erfüllen konkreter Level-Playing-Field-Vorgaben als Teilnehmende qualifizieren.
Wirtschaftsstaatssekretär Nimmermann entgegnete auf die Forderungen nach internationaler Kooperation im Sinne eines rascheren Windenergieausbaus, diese Kollaboration sei durchaus vorhanden. Nimmermann verwies auf Beispiele wie der Praxis des dänischen Offshore-Windenergieausbaus oder auf in seinen Augen auch Beispiel gebende Initiativen am Mittelmeer. Die Zusammenarbeit in Europa bestehe ja auch darin, gemeinsam herauszufinden, welche Art der Preisermittlung für die marktwirtschaftliche Vergütung von Windparks, zum Beispiel durch sogenannte staatliche Differenzverträge zu Stromlieferungen zu einem festen Preis. Oder in den Plänen zum Bau eines vermaschten Netzes für Windenergie aus der Ostsee oder auch der Nordsee, das flexibel und sicher den Strom zu allen EU-Anrainerstaaten abfließen lassen könne, die gerade Windstrom benötigen. Auch mit einem solchen vermaschten Netz statt eines Durcheinanders der Netze, sagte Nimmermann unter Gebrauch eines englischen Wortspiels, sorge die EU-Kooperation künftig für die besten Energiekosten. Nimmermann plädierte zudem für eine Migration von Talenten für die Windindustrie – wohl auch aus dem außereuropäischen Ausland: Ansonsten müssten die Europäer die Geburtenrate zur Erfüllung ihrer Windenergieziele wieder vervielfachen.
Enercon- und VDMA-Vertreter Bauer verwies allerdings auch auf unerledigte Aufgaben, zu denen es seiner Meinung nach offenbar noch an der versprochenen Kooperation mangelt: „Unabhängig von China“ brauche die Branche einen Zugang zu wichtigen Rohstoffen. Der Bundeswirtschaftsminister müsse daher die Frage nach einer europäischen Gegenstrategie beantworten. Weil die in Generatoren seit einigen Jahren auch von Enercon verbauten Direktmagnetgeneratoren sogenannte seltene Erden benötigen, die lange Zeit nur China förderte, suchen die EU-Länder derzeit nach anderen willigen Förderländern als Alternative.
Dass auch die Windenergieindustrie selbst noch zu wenig Kooperation bewerkstellige, deutete der Nordex-CEO zusätzlich an: Um nach den zwei auch das Nordex-Geschäft behindernden globalen Großkrisen Ukrainekrieg und vergangene Corona-Pandemie widerstandsfähige Lieferketten und Marktstrategien organisieren zu können sowie zugleich die Geschwindigkeit des Windparkbaus aufrecht zu erhalten, könne die Industrie durchaus mehr kooperieren.
Der Vize-Vorsitzende des Weltwindenergierats GWEC, Girish Tanti, der eine Führungsposition beim indischen Windturbinenbauer Suzlon hat, äußerte Anerkennung des EU-Werkzeugs einer Taxonomie, zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten. Auch hält er die Zusammenarbeit für mehr Standardisierungen auf der Ebene der Komponentenzulieferer für Windturbinen für gut. Allerdings brauche es mehr starke Kollaboration auf technischer Ebene. Außerdem, so betonte Tanti, sei eine Balance zu bewahren darin, einerseits die lokalen Ziele für den Aufbau von regionalen Lieferketten und eigener lokaler Wertschöpfung zu erreichen, indem die Politik die Märkte schütze. Aber diese müsse auch den Wettbewerb bewahren, sagte Tanti wohl aus der Perspektive eines ebenfalls am EU-Markt interessierten Akteurs von außerhalb der EU.
Konkret auf den ersten Großauftrag eines deutschen Projektierungsunternehmens für die Lieferung chinesischer Windturbinen befragt, machte Neddermann die Entschlossenheit des Bundeswirtschaftsministeriums deutlich: Der Kauf chinesischer Offshore-Wind-Turbinen, den der Investmentfonds Luxcara nach Gewinn eines Zuschlags in einer Offshore-Windenergieausschreibung angekündigt hatte, könne für Europas Infrastruktur kritisch sein. Zu klären seien hier die Sicherheit der Internetkommunikation durch den Zugriff chinesischer Akteure über die Steuerungssoftware auf die deutsche Windenergieversorgung sowie auch die Sicherheit der Daten von anderen europäischen Unternehmen oder Stromkunden, die mit dem Luxcara-Windpark in Kontakt treten. Wie damit umzugehen sei, sei als Frage auch an die Europäische Kommission als Chefverwaltung der EU zu stellen. Außerdem seien die deutschen Gesetze zur Datensicherheit weiterhin anzuwenden. Demnach könnten die Prüfer noch zum Zeitpunkt der Turbineninstallation zum Schluss kommen, dass der Windpark gegen die Gesetze verstoße und vorerst nicht ans Netz gehen dürfe.
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