Die thüringische Landesregierung hat gemeinsam mit der Solarwirtschaft im Bundesland ein eigenes Positionspapier zur Zukunft der Solarbranche erarbeitet. Das hatte Thüringen bereits während eines Treffens der Ministerpräsident von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) vor zwei Tagen angekündigt.
Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen
Darin fordert die Landesregierung und die Solarbranche von der Bundesregierung, verlässliche Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien zu schaffen. Außerdem fordert Thüringen eine sogenannte „Local-Content-Klausel“, aufgrund der die Betreiber einer Photovoltaikanlage eine höhere Einspeisevergütung erhalten, die ihre Anlagen mit einheimischen Produkten aufbauen. Da die Anlagenhersteller in Zukunft verpflichtet sind, Photovoltaikmodule zu recyceln, besteht Thüringen darauf, „zu prüfen, ob zukünftig die Vergütungsregelungen an diese Verpflichtung zu koppeln, wirksam sein könnte“. Auch die Förderung des Eigenverbrauchs von Solarstrom steht auf der Liste der Verbesserungsvorschläge. So sollten Vorschriften zum Einsatz von Photovoltaikmodulen im Gebäudebereich entwickelt und die Photovoltaik verstärkt in den Hochbau integriert werden. Thüringen schlägt vor, zum Beispiel ein analog zum Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmG) ein Erneuerbare-Energien-Strom-Gesetz einzuführen. Ein weiterer Punkt ist die Förderung von Forschung und Entwicklung. Deshalb sollte das Forschungsprogramm „Innovationsallianz Photovoltaik“ aufgestockt werden. Ein entscheidender Punkt ist aber auch die Änderung der Preisbildungsmechanismen an der Strombörse. Da die Preise auf der Basis von variablen Kosten gebildet werden, es bei Photovoltaik und Windenergie keine variablen Kosten gibt, passt das gesamte Stromhandelssystem nicht mehr in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Neben der Reform des Stromhandelssystems fordert Thüringen, Das EEG schrittweise von einem Förder- zu einem Marktintegrationsinstrument umzubauen.
Moderate Degression
Vor allem aber sollte der Zubaukorridor für die nächsten drei Jahre weiterhin bei fünf bis sieben Gigawatt pro Jahr liegen. Die Degression der Solarstromförderung sollte sich dabei nach den tatsächlichen Zubau richten, wie es bisher auch der Fall war. „Nur auf diese Weise kann der für die Energiewende notwendige Beitrag des Solarstroms geleistet werden“, heißt es in dem Positionspapier. Konkret bedeutet das für die jetzige Novelle, die zur Entscheidung steht, dass der Vergütungssatz für Anlagen zwischen zehn und 100 Kilowatt rückwirkend zum 1. April nicht unter 18,5 Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden sollte. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die in zwei Tagen im Bundesrat zur Abstimmung steht, sieht die Absenkung des Einspeisetarifes von vorher 24 auf 16,5 Cent pro Kilowattstunde und einen Ausbaukorridor für dieses und nächstes Jahr zwischen 2,5 und 3,5 Gigawatt vor. Dieser soll bis 2017 schrittweise auf 900 bis 1.900 Megawatt sinken. Sollte das so umgesetzt werden, dann bedeute das für die Solarbranche und den Solarmarkt eine existenzielle Bedrohung. „Allein in Thüringen sind dadurch 5.000 Arbeitsplätze gefährdet“, lautet das Resümee der Regierung und der Branche in Thüringen.
Umsatzrückgang wegen Förderungskürzung
Tatsächlich sind schon jetzt viele Arbeitsplätze in der Photovoltaikbranche verloren gegangen, wie eine aktuelle Umfrage des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) bestätigt. Die Branchenvertretung hat 555 Photovoltaikunternehmen aus den Segmenten Handwerk, Großhandel und Produktion befragt. Als Grund für den Arbeitsplatzabbau nennen die Solarstromunternehmen in Deutschland Umsatzeinbrüche aufgrund der EEG-Novelle, die bereits im Bundestag verabschiedet wurde und seit 1. April gilt. So erwarten die Unternehmen trotz eines starken ersten Quartals für dieses Jahr einen Umsatzrückgang um 50 Prozent im Vergleich zu 2011. Für 2013 befürchtet die Branche, dass die Umsätze noch weiter zurückgehen werden. Deshalb haben schon in den letzten Wochen die Hälfte der Solarunternehmen Stellen abgebaut haben. Weiter Unternehmen haben die Reduzierung ihrer Belegschaft angekündigt. Bis zum Jahresende werden fast zwei Drittel aller Photovoltaikunternehmen Stellen kürzen.
Unterstützung bekommt die thüringische Landesregierung von Sachen und Sachsen-Anhalt. So wiederholt der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung: „Der Entwurf zur Änderung des Gesetzes für erneuerbare Energien muss grundlegend überarbeitet werden. Sollte es nicht zu Korrekturen kommen, werden wir den Vermittlungsausschuss anrufen“, kündigt er in Magdeburg an. Das wäre für Röttgen eine derbe Blamage, zwei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wo er sich als Spitzenkandidat seiner Partei um das Amt des Ministerpräsidenten bewirbt. (Sven Ullrich)