Der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) sieht trotz der radikalen Kürzungen bei der Solarstromförderung, wie sie die Bundesregierung vorgeschlagen hat, keine Probleme für die Solarwirtschaft. In Gegenteil: er rechnet für 2012 mit einem erneuten Rekordzubau an Photovoltaikanlagen. „Nach unseren Schätzungen wird sich die Summe auf 8.000 Megawatt belaufen“, sagt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des DIHK, der Frankfurter Allgemeinen. Er hält dementsprechend die massive Absenkung der Einspeisevergütung für sinnvoll. Denn mit Blick auf die Förderkosten sagt er: „Unternehmen wie Verbraucher werden dadurch über die Förderlaufzeit von 20 Jahren zusätzlich mit 20 Milliarden Euro belastet.“ Wansleben begründet seine Schätzung mit dem Preisverfall von Photovoltaikanlagen. „Die Preise für Solarmodule sind allein letztes Jahr um etwa 40 Prozent gefallen und werden auch dieses Jahr durch neue Produktionsverfahren und den harten Wettbewerb weiter sinken“, sagt er gegenüber ERNEUERBARE ENERGIEN. „Daher lässt auch eine Kürzung von 20 bis 30 Prozent weiter gute Renditen erwarten.“
Der Bundesverband für Solarwirtschaft (BSW-Solar) hält eine solche Einschätzung für überzogen. „Die geplanten Einschnitte bei der Solarförderung sind viel zu hoch und werden bei ihrer Umsetzung zu einem Einbruch der Nachfrage führen“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, gegenüber ERNEUERBARE ENERGIEN. „Dies wird von der Bundesregierung bewusst in Kauf genommen und muss jetzt von den Mitgliedern des Bundestages verhindert werden“, fordert er. „Es gibt keine belastbaren ökonomischen und technischen Argumente, die gegen einen kraftvollen weiteren Ausbau der Solarenergie sprechen. Im Gegenteil, ohne diesen wird die Energiewende in Deutschland scheitern.“
Schuss ins eigene Knie
Als zweiten Grund für seine Annahme nennt Martin Wansleben den enormen Zubau von 3 Gigawatt im Dezember letzten Jahres. Tatsächlich könnte sich der straffe Zeitplan, den man für Kürzung der Einspeisevergütung vorgesehen hat, für das Vorhaben der Bundesregierung als Schuss ins eigene Knie erweisen. „Aus Angst vor dem Förderkahlschlag erleben wir derzeit ein letztes Aufbäumen des Marktes und eine von der Politik provozierte ‚Endrallye'“, erklärt Carsten Körnig. „Wir erwarten daher vor Inkrafttreten der Förderkappung zumindest in einigen Marktsegmenten noch eine starke Nachfrage. Nach Inkrafttreten der Förderkürzung beziehungsweise dem Auslaufen der Übergangsfristen ist ein Einbruch der Nachfrage aber unvermeidbar, wenn die Politik jetzt die Gesetzesinitiative nicht ernsthaft nachbessert. Bereits jetzt liegen zahlreiche Großprojekte auf Eis oder wurden storniert, da sie bei längeren Planungsvorläufen schon jetzt keine Investitionssicherheit mehr haben.“ Das trifft vor allem die Handwerker, die die Module und anderen Anlagensegmente bereits bestellt haben, aber nun darauf sitzen bleiben. Und niemand vermag zu wissen, was danach geschieht. Vor allem die Unsicherheit einer Verordnungsermächtigung, mit der sich die Bundesregierung die Entscheidung über die Einspeisevergütung und den Zubaukorridor am Bundestag vorbei vorbehält, könnte sich für die Branche als fatal erweisen, da niemand mehr eine Planungs- und Investitionssicherheit hat. „Schon jetzt wurden in den letzten Wochen schon Aufträge im Umfang von 100 Millionen Euro gecancelt“, sagt Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg. (Sven Ullrich)