Die indische Regierung will jetzt Nägel mit Köpfen machen – zumindest was den Ausbau der Photovoltaik betrifft. Das Ziel steht: 100 Gigawatt Solarstromleistung sollen bis 2022 aufgebaut sein. Bisher liegt der Zubau trotz Förderung und diverser Anstrengungen noch bei etwa 20 Gigawatt, was angesichts einer Bevölkerungszahl von 1,25 Milliarden Menschen und steigendem Energiehunger vergleichsweise bescheiden ist. Doch den ersten Schritt in die richtige Richtung ist Neu-Delhi schon mal gegangen. Das Ministerium für neue und erneuerbare Energien (MNRE) hat den Fördertopf für Photovoltaikaufdachanlagen von sechs auf satte 50 Millionen Rupien mehr als verachtfacht. Die Förderung ist allerdings größtenteils für kleine Dachanlagen auf Privathäusern gedacht. Die Förderung können zwar auch soziale und öffentliche Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäuser in Anspruch nehmen. Doch Gewerbe- und Industriebetriebe sind von diesem Fördertopf ausgeschlossen.
Geld reicht für ein Zehntel des Ausbauziels
Umgerechnet sind 50 Milliarden Rupien allerdings „nur“ 688 Millionen Euro. Angesichts des Ziels, 40 der anvisierten 100 Gigawatt mit Aufdachanlagen abzudecken, ist die Aufstockung der Förderung dringend notwendig gewesen und doch wird es nicht ausreichen. Denn die Fördermittel reichen gerade mal für gut ein Zehntel des Zubauziels für Dachanlagen von 40 Gigawatt bis zum Jahr 2022. Das Geld gibt es als Investitionszuschuss, der in der Regel 30 Prozent der Gesamtkosten der Anlage beträgt. In einigen Bundesstaaten gelten aber auch noch andere Bestimmungen. So zahlen Sikkim, Uttarakhand, Himachal Pradesh, Lakshadweep sowie Jammu amp; Kashmir immerhin 70 Prozent der Anlagenkosten als Förderung aus. Ebenso hoch liegt die Unterstützung für Dachanalgen in Andaman und auf den Nicobaren. Unter Einbeziehung dieser Förderregeln und der Preisentwicklung in Indien schätzt die Regierung, dass die Mittel für eine Gesamtleistung von 4,2 Gigawatt reicht.
Referenzpreise für Freifläche
Bei der Preisentwicklung legt die Regierung die derzeitigen Preise zugrunde, die in den Ausschreibungen für Freiflächenanlagen erzielt werden. Zuständig für die Berechnung ist die Zentrale Stromregulierungskommission (CERC), die die Bezugsgrößen festsetzt. Demnach sind die Preise für Freiflächenanlagen inklusive der Kosten für den Grund, auf dem der Generator steht, in Indien in den vergangenen beiden Jahren um 28 Prozent gesunken. Allein im vergangenen Jahr sanken die Preise um 17 Prozent. Das CERC hat die Kosten für das Megawatt Solarparkleistung auf 50,1 Millionen Rupien (knapp 698,000 Euro) festgesetzt. Allerdings sind bis zum März dieses Jahres noch Veränderungen möglich, da bis dahin noch die Angaben aus der Solarbranche in die Berechnung der Referenzpreise mit eingehen. Die Branche wird die Preise nach oben korrigieren. Außerdem werden Forderungen nach separaten Bezugspreisen für Anlagen mit heimischen Komponenten laut. Die Preise für indische Solarmodule, Wechselrichter und Montagegestelle liegen immerhin etwa zehn Prozent höher als die der Importwaren, die zu einem großen Teil aus China kommt. Aber auch europäische und amerikanische Ware hat in Indien gegenüber den einheimischen Modulen Vorteile. Denn die Einfuhr von Komponenten in Indien ist Zollfrei, während beim Handel zwischen den einzelnen Bundesstaaten Steuern anfallen.
Marktwachstum vorausgesagt
Die Solarbranche kann davon ausgehen, dass die Referenzpreise auch nach oben korrigiert wurden. Das war schon im vergangenen Jahr. Damals hatte die CERC den Bezugspreis auf 58,7 Millionen Rupien (817.000 Euro) pro Megawatt Solarparkleistung festgesetzt. Nachdem die Preise aus der Branche mit in die Berechnung eingeflossen sind, stieg der Referenzpreis auf 60,6 Millionen Rupien (844.000 Euro) pro Megawatt. Für die kommenden fünf Jahre sehen Branchenexperten und Marktanalysten weitere Preisreduzierungen zwischen fünf und sieben Prozent jährlich.
Zwar gelten diese Referenzpreise nur für Solarparks und sind die Grundlage für die Entscheidung der indischen Regierung, ob sei von den Ausschreibungen zum System einer Einspeisevergütung übergeht. Das wird nicht passieren, so lange die Preise, die über die Ausschreibungen erzielt werden, viel niedriger sind als eine Einspeisevergütung auf Grundlage der Referenzpreise. Doch diese Referenzpreise können auch herangezogen werden für die Berechnung der Leistung, die mit den jetzt veranschlagten 50 Milliarden Rupien aufgebaut werden kann. Und das werden eben nicht mehr als 4,2 Gigawatt. „Insgesamt merken wir viele Verbesserungen bei der Vergabe der Förderung und mit der Erhöhung der Förderung ist das eine sehr positive Entwicklung für die Branche“, erklären die Beratungsexperten von Bridge to India mit Sitz in Bombay. „Wir glauben, dass dieses Fördersystem binnen kurzer Zeit zu einem substantiellen Wachstum im Segment der Dachanlagen führen wird. Langfristig braucht dieser Markt aber noch eine viel größere politische und regulatorische Unterstützung von der Regierung, um dessen Wachstumspotenzial auf eine nachhaltige Weise auf zu erschließen.“
Fördertopf muss gefüllt werden
Die Experten von Bridge to India sehen das Geld, das die Regierung jetzt in den Fördertopf legen will, allerdings noch längst nicht in den Händen der Hauseigentümer. „Wir müssen jetzt erst einmal ein angemessenes Wachstum des Budgets den MNRE für die Jahre 2016 und 2017 sehen, das erst im März 2016 präsentiert wird“, erklären die Berater von Bridge to India. „Frühere Erfahrungen in dieser Beziehung haben wir im März 2015 gemacht, als die sechs Milliarden Rupien für das gleiche Fördersystem eingestellt wurden, aber die Verfügbarkeit des Fördertopfes immer ein Problem war.“ Jetzt hoffen die Berater allerdings, dass die Gelder tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Schließlich hat die indische Regierung das Zubauziel für Photovoltaikdachanlagen von 200 Megawatt im Finanzjahr 2015/2016 auf 4,8 Gigawatt im Finanzjahr 2016/2017 angehoben. Ohne dass dieser Zubau durch eine verfügbare Förderung angeschoben wird, kann Neu-Delhi dieses Ziel kaum erreichen. „Es gibt auch spürbar ein stärkeres Engagement der Regierung, den Solarsektor zu unterstützen“, geben sich die Berater von Bridge to India optimistisch. Sven Ullrich