So viel zum Thema internationale Klimagerechtigkeit: Je ambitionierter die Klimaschutzpolitik eines Landes, je höher die Pro-Kopf-Emissionen und je niedriger die Temperaturen, desto geringer ist die Bereitschaft der Bevölkerung, Klimaschutzmaßnahmen mitzutragen. Das ist das Ergebnis einer empirischen Studie, für die der Umweltökonom Heinz Welsch von der Universität Oldenburg die nationalen Klimaziele von 123 Nationen aus dem Jahr 2021 mit den Daten des im vergangenen Jahr veröffentlichten Global Climate Change Survey in Beziehung gesetzt hat.
Niedrigere Temperaturen im Land lassen Klimawandel weniger bedrohlich erscheinen
Das Ergebnis ist ernüchternd: Demnach spielen Faktoren wie das Durchschnittseinkommen, die Höhe der Emissionen und die Temperatur eines Landes sowohl für ambitionierte Klimapolitik und für deren Unterstützung eine wichtige Rolle, wirken sich allerdings genau entgegengesetzt aus, heißt es in einer Presseinformation der Universität. Der Grund für diese Diskrepanz liegt laut dem Oldenburger Forscher darin, dass Staaten dem klimaethischen Prinzip der UNO von Fairness und Gerechtigkeit folgten. Die Bevölkerung urteile hingegen nach einem Kosten-Nutzen-Prinzip. „Die Menschen gehen davon aus, dass der Klimawandel weniger Auswirkungen hat, wenn die Temperaturen im jeweiligen Land eher niedrig sind“, erläutert Welsch. Gleichzeitig werde in Ländern mit hohen Pro-Kopf-Emissionen befürchtet, dass Klimaschutz sich negativ auf die Wirtschaft auswirkt – es gibt also auch etwas zu verlieren.
Deutschland verfehlt die Klimaneutralität 2045 – aber nur knapp
Beispiel Deutschland: In der aktuellen Runde der Selbstverpflichtungen lag das Land mit einer angestrebten Verringerung der Emissionen um 39,7 Prozent zwischen 2019 und 2030 in der Spitzengruppe, und zwar auf Rang 12. Zwar herrscht dem Climate Change Survey zufolge auch in Deutschland eine große Bereitschaft, zum Klimaschutz beizutragen, doch diese ist geringer als in den meisten anderen Ländern. So würden 67,9 Prozent der Deutschen für den Schutz des Klimas monatlich auf ein Prozent ihres Einkommens verzichten – Rang 74 im internationalen Vergleich. Auf die Frage, ob die Regierung mehr für den Klimaschutz tun soll, stimmten 86 Prozent der Befragten zu – Rang 89 von 123 Ländern.
Die Diskrepanz zwischen Klimaschutzzielen und deren Unterstützung beeinflusst auch die Demokratiezufriedenheit
Die Studie zeigt zudem, dass diese Diskrepanz mit einer geringeren Demokratiezufriedenheit einhergeht: Je ambitionierter die Klimaziele einer Regierung im Vergleich zur Klimaschutzbereitschaft der Bevölkerung sind, umso geringer ist der Anteil der jeweiligen Bevölkerung, der zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie im Land ist. „Dabei handelt es sich nicht notwendigerweise um eine Kausalbeziehung“, betont der Umweltökonom. Dennoch sei es eine Herausforderung für demokratische Gesellschaften, eine Klimapolitik zu betreiben, die die Bevölkerung mitnimmt und nicht das Erstarken radikaler Kräfte begünstigt, die das Klimathema für ihre Zwecke missbrauchen.
9 Tipps für einen sozial gerechten Klimaschutz
Dieses Dilemma ambitionierter Klimaschutzpolitik könnte sich dem Forscher zufolge durch politische Instrumente abmildern lassen, die wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Klimaschutzmaßnahmen begrenzen. Eine Möglichkeit wäre etwa ein Klimageld, das Einnahmen aus Emissionsabgaben an wirtschaftlich schwächere Schichten der Bevölkerung verteilt.