Der wachsende Anteil an erneuerbaren Energien führt die Stromnetze immer wieder an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Folge sind häufig Abschaltungen der Grünstromanlagen mit jährlichen Verlusten von hunderten Gigawattstunden. Ein Forschungskonsortium arbeitet nun daran, gefahrlos einen höheren Anteil von Erneuerbaren im Stromnetz zu erlauben. Im Projekt Regenerative Energieanlagen zur Netzstabilität, kurz Restabil, wollen unter anderem das Fraunhofer Institut Magdeburg, Projektentwickler Abo Wind und die Milchwerke Mittelelbe Stromerzeugung und -verbrauch im Mittelspannungsnetz harmonisieren.
Anders als beispielsweise das Fraunhofer IWES mit dem Kombikraftwerk setzen die Forscher bei Restabil nicht auf eine Stabilisierung im Hochspannungsnetz mit Grünstromanlagen, die hunderte Kilometer voneinander entfernt sind. Sie wollen stattdessen Erzeugung und Verbrauch im lokalen Mittelspannungsnetz harmonisieren. Viele Windparks, Solar- und Biogasanlagen speisen direkt in das Mittelspannungsnetz ein – einige energieintensive Industrieanlagen liegen ebenfalls direkt an diesem Netz.
„Wir wollen Erzeuger und Verbraucher so regeln, dass wir kritische Situationen in diesem Netzbereich vermeiden können“, sagt Thomas Nietsch, Leiter der Abteilung Zukunftsenergien bei Abo Wind. Funktioniert der Netzbetrieb auf Mittelspannungsebene reibungsloser, verbessert das auch die Stabilität der Übertragungsnetze auf Hochspannungsebene.
Großabnehmer helfen beim geregelten Verbrauch
In einem lokalen Testverbund aus erneuerbaren Energien und den Milchwerken Mittelelbe als großem Stromverbraucher wollen die Partner ihren Ansatz in Sachsen-Anhalt testen. „Windparks und Biogasanlagen sind zwar prinzipiell schon fernsteuerbar; um sie für unsere Zwecke regeln zu können, müssen wir aber zunächst die nötigen Kommunikationsprotokolle schaffen“, sagt Nietsch. Die Forscher entwickeln zudem die notwendigen Algorithmen, um instabile Netzsituationen zu erkennen und zu vermeiden.
Welche Regelkonzepte neben der gezielten Stromverbrauchsanpassung der Milchwerke infrage kommen, soll in den nächsten Projektsitzungen geklärt werden. Denkbar wäre beispielsweise eine zusätzliche Positivreserve – dabei laufen die Windparks leicht gedrosselt, um bei Bedarf zusätzlichen Grünstrom einspeisen zu können. Die geplante Laufzeit des Projekts liegt bei einem Jahr.
„Für eine erfolgreiche Energiewende genügt es nicht länger, nur Projekte zu entwickeln und zu bauen“, sagt Nietsch. „Die Windparks sollen künftig am Regelenergiemarkt teilnehmen können und müssen fernsteuerbar sein. Diese Fähigkeiten wollen wir uns erschließen.“ Und vielleicht lassen sich mit dem neuen Wissen künftig auch Anlagen dort bauen und besonders netzschonend betreiben, wo die Netze eigentlich zu schwach sind. (Denny Gille)
Dieser Artikel ist in der Printausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN von Juli 2014 erschienen. Gefällt er Ihnen? Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeabo unseres Magazins.