Der ländliche Raum in Europa könnte erheblich von der Energiewende profitieren. Städtische Zentren hingegen könnten Unterstützung benötigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung.
So fördere insbesondere die Umstellung auf erneuerbare Energien ländliche Regionen. Sie profitierten mit einem Anstieg von bis zu 4,9 Prozent bei der Beschäftigung und 1.570 Euro bei der Wertschöpfung bis 2050. Die Folge sei mehr Ausgeglichenheit zwischen den Regionen in Europa, schlussfolgert die Studie. Vor allem Regionen, die beim Ausbau der erneuerbaren Energie ohnehin schon führend seien, und ländliche Gebiete mit großem Potenzial zur Erzeugung erneuerbarer Energie, würden am meisten von der Energiewende profitieren. So könnte Brandenburg profitieren, während Berlin selbst das Nachsehen hat.
Städten droht ein deutliches Minus
Denn für viele städtisch geprägte Regionen und Gebiete, deren Industrie stark von fossilen Energieträgern abhängig sind, stelle die Energiewende eine Herausforderung dar, die sich negativ auf die Beschäftigung und den wirtschaftlichen Wohlstand auswirken könne, warnen die Autoren des Papiers. In diesen Regionen könnten die durch den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung verloren gehende Wertschöpfung und Arbeitsplätze nicht durch den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung vollständig ersetzt werden. Konkret heiße das: 2.450 Euro weniger bei der Wertschöpfung und 2,1 Prozent weniger Beschäftigung bis 2050.
„Deutlich wird: Die Energiewende eröffnet Chancen für ländliche Regionen, während für urbane Zentren neue Herausforderungen entstehen“, sagt Thomas Schwab, Europaexperte der Bertelsmann Stiftung. „Was es angesichts dieser regionalen Unterschiede braucht, ist eine Erweiterung der Strategie: Einerseits muss den negativen Auswirkungen insbesondere in städtischen Regionen entgegengewirkt werden. Andererseits muss ländlichen Regionen dabei geholfen werden, ihr volles Potential zu entfalten.“
Daher müsse die europäische Kohäsionspolitik, die eine Angleichung der Regionen verfolgt, ihren Anwendungsbereich auf bisher weniger berücksichtigte städtisch geprägte Regionen erweitern, so Schwab. Gleichzeitig gelte es ländliche Regionen weiterhin im Fokus zu behalten, damit die durch die Energiewende entstehenden Potenziale auch tatsächlich gehoben würden. Dafür müsse der Wissensaustausch erleichtert, technische Unterstützung geleistet und vor allem massive Investitionen getätigt werden, schreibt Schwab. Er schlägt zudem Partnerschaften zwischen wirtschaftlich schwächeren ländlichen Regionen mit hohem Potenzial, aber unzureichenden finanziellen Mitteln und städtischen Regionen mit hohem Energiebedarf vor. Sie können zu Win-Win-Situationen für alle Beteiligten führen.
Gezielte Unterstützung wichtig für den Zusammenhalt in der EU
Die gezielte Unterstützung aller Regionen in der Energiewende sei dabei nicht nur für den europäischen Zusammenhalt, sondern auch für den Erfolg des Europäischen Green Deals von entscheidender Bedeutung, betonte er. „Die EU steht vor der großen Aufgabe, ihren Green Deal und die Energiewende so zu gestalten, dass möglichst alle Regionen von den Chancen profitieren. Lässt sie es zu, dass es Verlierer gibt, gefährdet dies den politischen und öffentlichen Rückhalt für dieses europäische Jahrhundert-Projekt.“ (kw)