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Europa vor der Wahl: Wird der Green Deal verwässert?

Schnittchen und besorgte Gesichter. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hatte zum Hintergrundgespräch eingeladen. Eigentlich ging es in dem Gespräch um die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni und die damit verbundene Notwendigkeit, die Energiewende weiterhin entschlossen voranzutreiben. BEE-Präsidentin Simone Peter erklärte, es gehe auch darum, das CPO-23-Ziel einer Verdreifachung des Erneuerbaren-Ausbaus zu „unterfüttern“. Aber gleichzeitig wurde nur allzu deutlich, dass den Erneuerbaren ein starker Wind entgegenweht – der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Krieg im Gaza-Streifen, die Wahlen in den USA mit Donald Trump, der den Offshore-Ausbau stoppen will – und wer weiß, was noch alles. Der allgemeine Rechtsruck und der in der EU erwartete insbesondere. All das könnte für die Erneuerbaren weitere Bremswirkung entfalten. Peter warnt vor einer Verwässerung des European Green Deal und lobt gleichzeitig das Paket „Fit for 55“ als „echte Errungenschaft“. 

Und auch die Ausbauzahlen bei den Erneuerbaren in der EU können sich sehen lassen – mit u.a. 17,5 Prozent Windanteil im Strommix und 9 Prozent PV. Was muss nun also passieren, damit die EU auf erfolgreichem Regenerativkurs bleibt? Der BEE sieht zunächst die Notwendigkeit eines neuen, verbindlichen Treibhausgasminderungsziels für 2040. 90 bis 95 Prozent gegenüber 1990 hält der BEE für notwendig und schließt sich damit der Meinung der EU-Kommission an. Sektorziele und Zwischenziele seien in dem Zusammenhang wichtig. Ein Ziel für 2035 sei auch im Sinne des Pariser Klimaabkommens notwendig. 

Zudem schlägt der BEE eine Unterlegung des Green Deals mit einem neuen „Fit-for-90plus“-Paket vor, um weitere Hemmnisse bei Ausbau der Erneuerbaren abzubauen. Zudem müsste der Emissionshandel gestärkt werden, indem die Ausgabe kostenloser CO2-Zertifikate beendet wird.

Der BEE sieht Europa in einer Art Schraubzwinge zwischen den Wirtschaftsmächten China und USA. Erstere hat u.a. durch Subventionierung der eigenen Regenerativindustrie die europäischen Produzenten vom Markt gefegt. Die USA haben mit ihrem Inflation Reduction Act ihrerseits dazu beigetragen, dass es in Europa kaum mehr möglich ist, eine heimische Regenerativ-Industrie zu verankern. Gleichzeitig hat US-Präsident Biden jetzt noch 100 von bis zu 100 Prozent auf E-Autos, Solarzellen und andere chinesische Produkte erhoben. Das heißt zum Einen, dass Europa jetzt erst recht überschwemmt wird. Zum Anderen ist es aber der Weg, den Europa nicht gehen will, weil er in einem Krieg der gegenseitigen Handelsbeschränkungen mündet – und noch ist man ja froh, dass China nicht nur exportiert, sondern auch viel von uns importiert.    

Der Net-Zero Industry Act (NZIA) und der Critical Raw Materials Act (CRMA) sind laut BEE Europas Antwort auf die sich verändernden globalen Märkte und die Herausforderungen durch die USA, China und andere. „Europäische Herstellungskapazitäten für Erneuerbare und Effizienztechnologien zu stärken ist ein Schlüssel für einen resilienten EU-Markt und wettbewerbsfähige EU-basierte Industrien. Ambitionierte, zielgerichtete, technologiespezifische und national wirksame Maßnahmen sind Voraussetzung für den erfolgreichen Aufbau und Erhalt von heimischen Produktionskapazitäten und qualifizierten Arbeitskräften. Die Umsetzung und Weiterentwicklung von NZIA und CRMA werden eine wichtige Voraussetzung sein, die Entwicklung und die Produktion von Technogien der Erneuerbaren und der Effizienz zu fördern und voranzubringen“, so der BEE. Es geht dabei um Nachhaltigkeitskriterien, die von den Playern, die in die europäischen Märkte strömen, erfüllt werden müssen. Lange Transportwegen wären also ebenso von Nachteil wie Produktionsweisen mit Umweltgiften und hohen CO2-Ausstoß. Bei einer Einigung über die Inhalte schaut naturgemäß jedes EU-Land danach, dass es die eigene Industrie nicht versehentlich ausschließt. So ist es immer gewesen bei der Einigung auf Klima- und Umweltziele innerhalb der EU: Deutschland hat den Abschied vom Verbrennermotor im Sinne der heimischen Autoindustrie verhindert, während Frankreich die Atomkraft nicht aufgeben mag.  

Die Sicherung und Schaffung europäischer Fertigungskapazitäten ist laut BEE ein Schlüssel für mehr Resilienz und weniger Importabhängigkeit aber auch zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf globalen Märkten. „Sorgfältig gestaltete Lösungen wie Resilienz-Auktionen und Resilienz-Bonus, Nicht-Preis Kriterien und Präqualifikationserfordernisse, die sowohl technologiespezifische als auch regionale und nationale Unterschiede berücksichtigen, können helfen, Europäische Kapazitäten aufzubauen und zu erhalten und Abhängigkeiten vom Import kritischer Materialien zu reduzieren. Ein Schlüssel dazu sind bedeutsame Investitionen in Forschung und Entwicklung mit deutlichem Fokus auf Innovation, und auch zur Anwerbung und Pflege einer wachsenden Zahl von qualifizierten und angemessen bezahlten zukunftsfähigen Jobs“, heißt beim Verband. 

Ohne Frage hat die durch Russland verursachte Gaskrise zur Diversifizierung auf diesem Gebiet geführt. Andere Engpässe durch Corona oder die sechstägige Sperre des Suezkanals durch das havarierte Containerschiff Evergiven haben viele Hersteller ebenfalls zur Umgestaltung ihrer Zulieferketten motiviert. Gleichwohl wird es schwer für Europa, sich gegen die Wirtschaftsmacht China zu behaupten. Denn längst kommt nicht nur die Basis der Photovoltaik- und Speicher-Technologie vor allem aus China. Auch das Innenleben einer Windkraftanlage ist mehr chinesisch als europäisch. Und Hersteller wie Planer können sich nicht vorstellen, wie sie bei einer Abkehr von diesem Kurs die enorm steigenden Kosten ausgleichen könnten. Der BEE empfiehlt den Nationalstaaten einen stärken Fokus auf Recycling. So wandere der deutsche Pkw als Rohstoffträger nach seinem Lebensende fast vollständig außer Landes. Ob der Fokus auf ein konsequentes Recycling hier etwas bewirken könnte, bleibt abzuwarten. 

Tatsächlich ist nur die Biogasbranche noch heimisch, aber obwohl sie dringend erforderliche Flexibilität bereitstellen könnte, wird bisher die Umrüstung von Bestandsanlagen auf eine flexible Steuerung nicht durch eine langfristigen Flexibilitätsbonus wirtschaftlich abgesichert. Biomethan-Ausschreibungen seien jedenfalls stets unterzeichnet, weil der Bonus laut BEE zu gering ausfiel. 

Zurück zur Anfangsfrage: Was könnte ein Rechtsruck bei den EU-Wahlen für die Erneuerbaren bedeuten? Der BEE fürchtet eine Verwässerung des Green Deals. „Wir müssen konservative Köpfe verpflichten, die bisherigen Pläne nicht zurückzudrehen“, so Simone Peter.