Der Berg kreiste und gebar eine neue Studie. Diese McKinsey-Studie stellt nun fest, dass Billionen und Fantastilliarden verschwendet werden, weil die europäischen Länder alle ihre eigenen Süppchen kochen beim Umbau der Energielandschaft in eine nachhaltige Welt voller Windenergieanlagen und Sonnenkraftwerke. Aus deren Sicht wäre es am besten, wenn die Sonne nur dort eingefangen würde, wo sie am meisten scheint, um die Hebelwirkung der Solarzellen optimal zu nutzen. Entsprechend sollte die Windkraft auch nur dort in Strom gewandelt werden, wo - im europäischen Vergleich - am meisten Wind weht. Diese Milchmädchenrechnung, die den Gedanken der Dezentralisierung völlig außer acht läßt, scheint bestimmten Kräften in die Hände zu spielen. Denn große Projekte erfordern große Investitionen. Die müssen von besonderen Finanzpartnern betreut werden. Anlagen unter 5 Millionen Euro oder auf dem Niveau einzelner Straßenzüge oder gar einzelner Haushalte müssen aus dieser Perspektive defizient gedacht werden. Ganz nach dem Desertec-Motto, dass man mal eben 400 Milliarden in die Hand nehmen müsse, um optimal zu arbeiten, wird auch hier argumentiert. Wir erinnern uns, dass dort die Münchner Rück, die Deutsche Bank, RWE und Siemens an einem gemeinsamen Strang ziehen.
Durch den koordinierten Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie der Stromnetze in Europa ließen sich die Kosten drastisch reduzieren, resümiert McKinsey seine Berechnungen. Fragt sich nur, wer diese Koordinationsleistung übernehmen solle. Vor allem wäre zu fragen, wer solche Großprojekte auf welche Weise finanzieren müsste. Die extrapolierten Zusatzkosten durch die nationalen Alleingänge in der EU errechnen die Unternehmensberater auf mehr als zwei Billionen Euro. Das wäre nicht das erste Mal, dass sich Mathematiker bei Skaleneffekten um die eine oder andere Stelle vor dem Komma verhauen. Es können auch gut 200 Millionen Euro sein, die über einen Zeitraum von 20 Jahren verschenkt werden. Das wäre ein guter Preis für heterogene und dezentrale Strukturen, die die Unabhängigkeit von einzelnen Marktkräften am besten garantieren.
Das Primat der Mathematik mag bei den Ingenieurswissenschaften eine klare Relation zu den Ergebnissen haben. Bei volkswirtschaftlichen Prognosen dieser Art ist Skepsis angesagt. Um den Berechnung eine klare rationale Grundlage zu geben, droht man schon mal vorsorglich bei McKinsey: "Durch nationale Alleingänge werden riesige Summen verschleudert", erklärte Mckinsey-Berater Thomas Vahlenkamp unverhohlen im Handelsblatt. Den Nachweis wird er schuldig bleiben müssen. Denn die Computersimulation, die genutzt wurde, kann das erwünschte optimale Szenario gar nicht vergleichen mit dem anderen Extrem. Denn zuviele Variablen und Parameter müssten einbezogen werden, wenn wir in der Fläche viele kleine Windenergieanlagen, Sonnenkollektoren, BHKWs und Photovoltaikanlagen verteilen würden. Wenn man dann noch die enormen Mengen an Biogas einrechnen würde, die die Landwirtschaft dezentral erzeugen könnte, um lokal eine Grundlast an Wärme und Strom zu erzeugen, dann wäre zumindest ein großer Teil des Bedarf der Bevölkerung versorgt. Und Computer würde noch an der Prognose rechnen, wenn es schon längst keine AKWs mehr gäbe.
Der Bedarf der Industrie ist das eigentliche Problem, könnte es zumindest sein. Doch auch hier berechnen die Mannen von McKinsey nicht mit ein, dass der transnationale Netzausbau in Europa aktuell auf einem derart desolaten Niveau realsiert ist, dass Hunderte Quadratkilometer Solarkraftwerke in Spanien für die hiesige Industrie gar keinen Effekt hätten, weil schlicht nicht genug Energie hier ankommen würde. Wir kennen dasselbe Problem aktuell darin, dass Tausende Kilowattstunden Windstrom ungenutzt verpuffen, weil zuwenig Leitungen vom windreichen Norden nach Süden führen. Insofern kann man McKinsey nur entgegen rufen, dass es gut gebrüllt ist und die Banken sich sicher die Hände reiben, wenn den EU-Politikern neue Argumente geliefert werden. Substanziell ist da allerdings Einiges im Argen mit dem bloßen Füttern von Zahlenmodellen. Und so kommt es auch weiterhin zu abenteuerlichen Aussagen folgender Art: "Die Solaranlage auf dem deutschen Reihenhaus-Dach ist energiewirtschaftlich in den meisten Fällen Unsinn. Das kostet viel Geld, das an anderer Stelle fehlt", sagte RWE-Strategiechef Leonhard Birnbaum der Deutschen Presseagentur. Dieser Satz kurz nach der Verlängerung der Laufzeiten ist ein Hohn. Denn er kann wissen, dass, rechnete man die Kosten der Endlagerung in den Atomstrom ein, dieser nicht mal annähernd marktfähig wäre. Ganz abgesehen vom volkswirtschaftlichen Schaden der Finanzkrise von aktuell 140 Milliarden. Es wäre also aus Erfahrung klug gehandelt, diese EE-Projekte nicht in die Hand großer Finanziers zu legen, die europaweit in gigantischen Ausmaßen planen. Denn nur so ist gewährleistet, dass der Steuerzahler mit mehr Transparenz und mehr direktem Nutzen bei geringeren Kosten am Umbau der Gesellschaft mit nachhaltiger Energieversorgung beteiligt ist. (jw)