Die Wirtschaftlichkeit von Mieterstromgesetzen könnte auf der Kippe stehen, wenn zu wenige Mieter mitmachen. Das war zwar bisher auch schon so. Doch durch die widersprüchlichen Regelungen im EEG und im Mieterstromgesetz wird diese Hürde höher. Darauf weißt das Anwaltsbüro Gaßner, Groth, Siederer amp; Coll. Hin.
Denn im Mieterstromgesetz ist zwar die Förderung von Anlagen auf 100 Kilowatt gedeckelt. Doch können hier auch mehrere Anlagen auf unterschiedlichen Dächern des gleichen Gebäudekomplexes gebaut werden und zählen dann aber jeweils als einzelne Generatoren. Das ist im EEG anders geregelt. Denn wenn sich die verschiedenen Anlagen auf dem gleichen Grundstück befinden und innerhalb von zwölf Monaten errichtet wurden, werden sie zu einer Anlage zusammengefasst. Dann können zwei Anlagen mit jeweils 100 Kilowatt schnell zu einer 200-Kilowatt-Anlage werden. Das wiederum hat Auswirkungen auf die EEG-Vergütung.
Clearingstelle ist an dem Thema dran
Der Paragraph 24 des EEG sieht vor, dass nur Anlagen mit einer Leistung von bis zu 100 Kilowatt eine reguläre Einspeisevergütung bekommen. Steigt die Anlagenleistung weiter, muss der Strom direkt vermarktet werden. Das ist zwar derzeit keine riesige Hürde, weil die Direktvermarkter inzwischen auch Prozesse entwickelt haben, Strom aus Eigenverbrauchsanlagen an der Börse zu verkaufen. Doch die Anlagenbetreiber müssen sich dann zusätzlich darum kümmern, dass sie einen Direktvermarkter finden. Sollte der Gebäudekomplex größer sein und die zusammengefassten Anlagen sogar eine Leistung von 750 Kilowatt übersteigen, müssen die Betreiber in die Ausschreibung gehen, um eine Vergütung für den eingespeisten Strom zu bekommen.
Dieses Problem taucht aber erst dann auf, wenn viele Bewohner des Mehrfamilienhauses, auf dem die Anlagen installiert sind, nicht am Mieterstromprojekt teilnehmen. Denn dann muss der Anlagenbetreiber den Strom ins Netz liefern, um die Generatoren trotzdem wirtschaftlich betreiben zu können.
Die Clearingstelle EEG hat die unterschiedlichen Ansätze der Anlagenzusammenfassung im Mieterstromgesetz und im EEG aufgegriffen und ist derzeit dabei, eine Lösung des Problems zu finden. Dabei geht es um die Klärung, was unter einem Gebäude, einem Betriebsgelände und unter unmittelbarer räumlicher Nähe zu verstehen ist. Allerdings steht bisher noch keine Entscheidung fest.
Naturstrom baut in Tübingen
Unter anderem solche Ungereimtheiten sind ein Grund, warum der Bau von Mieterstromanlagen immer noch verhalten ist. Immerhin baut derzeit Naturstrom sein bisher größtes Mieterstromprojekt in Tübingen. Dort entsteht ein völlig neues Stadtquartier mit 156 Mietwohnungen. Auf den Dächern von zwei Gebäudekomplexen werden Solaranlagen installiert, die zusammen 230 Kilowatt leisten. „Ein Teil davon wurde bereits fertiggestellt und ans Netz gebracht“, sagt Tim Meyer, Vorstand von Naturstrom und dort Leiter des Bereichs Dezentrale Energieversorgung. „Zum Frühsommer hin werden wir mit dem Alten Güterbahnhof unser bislang größtes Mieterstromprojekt, gemessen an der installierten Solarleistung verwirklicht haben. So profitieren die Mieterinnen und Mieter, unter denen sich vor allem Familien mit niedrigem bis mittleren Einkommen befinden, von einem günstigen und sauberen Stromtarif.“
Noch im März dieses Jahres werden die ersten Mieter einziehen. Dann sollen auch die Solaranlagen fertig sein. „Mit diesem Projekt reagieren wir auf den enormen Bedarf an preiswerten Mietwohnungen in Tübingen“, erklärt Andreas Stahl, Geschäftsführer der Por B Wohnbau. Das Berliner Architekturbüro realisiert die Umsetzung des Projekts. „Dass der Strom zu einem Teil auf dem eigenen Dach produziert wird und die Bewohner ihn über das Mieterstrommodell zu einem vergünstigten Tarif beziehen können, ist dabei ein wichtiger Baustein“, betont Stahl. (Sven Ullrich)