Windenergieanlagen werden in nicht allzu ferner Zukunft ihr Gesicht stark verändern. Für deutlich leistungsstärkere Windräder als heute entwickeln Wissenschaftler der Universität Kassel und des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) einen magnetisch gelagerten Ringgenerator. Er soll robuster, wartungsfreundlicher und effizienter als die aktuelle Generation sein. Ab Frühjahr 2012 ist eine Modellanlage in Planung.
Der die mechanische Energie des sich drehenden Rotors in Strom wandelnde Generator nimmt bei getriebelosen Anlagen als Herzstück eines Windrades analog zur jeweiligen Leistung an Größe enorm zu. Die 7,5-Megawatt-(MW)-Generatoren des deutschen Marktführers Enercon wiegen rund 225 Tonnen. Für die derzeit angepeilten Zehn-MW-Turbinen stößt die bisher verwendete Technik womöglich jedoch an ihre Grenzen. „Direkt angetriebene Generatoren solcher Superanlagen würden etwa 1000 Tonnen wiegen und hätten eine so große Masse, dass sie nicht mehr in der Gondel untergebracht werden könnten“, sagt Professor Siegfried Heier vom Fachbereich Elektrotechnik / Informatik der Universität Kassel und Leiter des vom Bundesumweltministeriums mit insgesamt 550.000 Euro geförderten und vom Forschungszentrum Jülich getragenen Forschungsprojekts Magnetring: „Es gäbe keinen Kran, der diese Masse auf die Gondel hieven könnte.“
Daher haben die Kasseler Forscher eine neue Architektur entwickelt. Der Generator befindet sich demnach künftig nicht mehr in der Windradgondel, sondern in einem Ring mit 20 bis 24 Metern Durchmesser, der durch Streben mit der Gondel verbunden wird. „Mit dem Gewicht des elektromagnetisch aktiven Teils des Generators wollen wir bei einer Zehn-MW-Anlage unter 20 Tonnen bleiben“, sagt Heier. Hinzu kämen dann noch die Tragkonstruktionen des Generators. Die im Generator auftretenden gewaltigen Kräfte wollen die Wissenschaftler mit Magnetfeldern bändigen, so dass die Masse und damit das Gewicht der sonst nötigen Verankerungen der Komponenten stark reduziert werden kann.
Wartung: Kein Austausch des ganzen Generators
Der Generator wird aus ringförmig angeordneten Segmenten bestehen, die sowohl die Magnete als auch die Wicklungen, den sogenannten Stator, enthalten und den Strom transportieren. Sollte es im Betrieb Störungen geben, können die Segmente einzeln ausgetauscht werden. Nicht der ganze Generator müsste dann ausgebaut und überholt werden – ein erheblicher Effizienzbeitrag. Ob das bislang nur theoretische Modell in der Praxis funktioniert, wird momentan mit Messungen im Labor des Uni-Fachgebiets analysiert, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katharina Messoll. Der nächste Schritt ist laut Heier und Messoll der Bau einer Demonstrationsanlage mit 100 bis 200 Kilowatt (kW) Leistung, an der mindestens zwei bis drei Jahre geforscht werde.
Serienreif wird das Konzept nach vorsichtiger Schätzung von Messoll in frühestens acht bis zehn Jahren, da auch die Ausführung der gesamten Windrad-Konstruktion wegen des außenliegenden Generators neu untersucht und geplant werden muss.
Estnisches Konkurrenzprojekt Goliath im Wettlauf
An einem gleichgelagerten Projekt arbeiten auch Wissenschaftler der Technischen Universität Talinn (Estland). Seit November 2010 läuft dort der dritte Prototyp des „Goliath“ genannten Ringgenerators. Er hat einen Durchmesser von rund 4,40 Meter. Bereits Ende 2009 hatten die Esten angefangen, mittelgroße, voll funktionsfähige Ringgeneratoren zu testen, die es zwecks einfacheren Transports in Einzelsegmenten gab. Teil jener Forschungsphase waren auch verschiedene Materialtests. Binnen 18 bis 24 Monaten wolle man einen 2,5- bis 3-MW-Turbinenprototypen für die Zertifizierung und die Serienproduktion entwickeln und bauen, heißt es in einer Mitteilung. Außerdem verhandele die Projektfirma Goliath Wind bereits mit strategischen Partnern über den Verkauf der Prototypen und den Aufbau einer Auftragspipeline, um die Serienproduktion schnell anlaufen zu lassen.
(Andreas Haude)