Mit über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor Ort und im Livestream hat die BVES-Statuskonferenz „Thermische Speicher für die Wärmewende“ ein deutliches Zeichen für die Wärmewende gesetzt. Der Bundesverband Energiespeicher Systeme hält im Anschluss fest: „Thermische Speicher tragen eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung von Wärmebedarfen von der Heizwärme bis hin zur Bereitstellung von grüner Prozesswärme.“
Das Thema Wärmewende hat politisch an Bedeutung gewonnen. Christian Maaß, Abteilungsleiter für Wärme, Wasserstoff und Effizienz im BMWK, skizzierte den aktuellen Stand der Erarbeitung der Wärmespeicherstrategie, die in eine Gesamtspeicherstrategie integriert und bald zur Konsultation vorgelegt werden soll. Beate Baron, Unterabteilungsleiterin für Klima- und Umweltschutz in der Industrie, stellte die Ziele sowie die politischen Instrumente des BMWK für die Dekarbonisierung der Industrie vor und bezog sich dabei direkt auf das wichtige Werkzeug Thermische Speicher für die Bereitstellung von Prozesswärme.
Urban Windelen, Geschäftsführer des BVES, sagte, es gebe zurzeit viele spannende Projekte mit dem Einsatz von thermischen Speichern: „Leider zumeist im Ausland, wo die Regulatorik an die neue Realität der erneuerbaren Energiesysteme bereits angepasst wurde. Die Stromspeicherstrategie des BMWK hat gezeigt, welche Kräfte in den Märkten entfesselt werden können. Jetzt ist hohe Zeit, auch thermische Speicher und ihre Einsatzgebiete in den Fokus zu nehmen.“
Einen besonders großen Hebel zur Einsparung von CO2-Emissionen weist nach Aussage des BVES der Prozesswärmebedarf in Industrie und Gewerbe auf. Mit thermischen Speichern sei die Elektrifizierung von Industrieprozessen möglich und könne in das Energiesystem integriert werden. Hier fehlten aber noch die passenden Rahmenbedingungen und das nötige Signal aus der Politik, um langfristige Investitionen in große Projekte anzureizen. Deutsche Unternehmen sind laut dem Speicherverband weltweit führend bei thermischen Speichern. Hier gelte es, die Innovationen in den Markt zu bringen und als wichtigen Bestandteil der künftigen Industrielandschaft anzuerkennen.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zu grüner Prozesswärme zeigte sich, dass die Motivation der Unternehmen, um thermische Speicher einzusetzen, zum einen Dekarbonisierung als Ziel ist. Das spiele auch bei Kunden im Sinne der eigenen Nachhaltigkeitsziele eine Rolle. Zum anderen geht es den Firmen bei der Nutzung von thermischen Speichern für grüne Prozesswärme und -kälte um Versorgungssicherheit und stabile Preise. Eigenversorgung und 60 Prozent Autarkie seien für Firmen attraktiv. Allerdings stehe ganz oben immer noch die Wirtschaftlichkeit. Hier sei es die Aussicht auf einen steigenden CO2-Preis, der zur sauberen Wärme treibe. 100 Euro pro Tonne CO2 seien hier ein Wert, der einen Wandel auslösen könne. So habe die Gaspreisexplosion im Rahmen des Ukrainekriegs ein Umswitchen in Richtung grüne Versorgung ausgelöst.
CO2-Reduktion in Chipsfabrik
Susanne König ,Gründerin und CFO der Firma Kraftblock, stellte in dem Zusammenhang das Volt-Projekt vor: das größte kommerziell installierte Hochtemperaturspeichersystem. Dort wird einen gasbefeuerten 25-MW-Kessel zur Erwärmung von Thermalöl in der Pepsico-Fabrik in Broek op Langedijk, Niederlande, ersetzen. Von hier werden täglich eine Million Tüten Chips in acht europäische Länder liefert. Eigentümer und Betreiber des Speichersystems ist Eneco, der größte Energieversorger in den Niederlanden und Belgien.
Das Frittierverfahren für Kartoffelchips wird dekarbonisiert: Anstelle von Gas wird das Thermalöl, das die Friteusen mit Wärme versorgt, mit grüner Wärme aus dem Kraftblock-Speicher beheizt. Auf diese Weise werden mehr als 98 Prozent der Energieemissionen des Werks vermieden, wodurch jedes Jahr Tausende von Tonnen CO2 eingespart werden.
Das Projekt ist in zwei Stufen unterteilt. In der ersten Phase werden 70 MWh Speicherkapazität in zwei Kraftblockmodulen installiert. In der zweiten Phase werden drei weitere Einheiten mit einer Gesamtspeicherkapazität von über 150 MWh installiert. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2024 vorgesehen.
Heinrich Gärtner, CTO von GP Joule und Mitglied des Präsidiums im BVES, ging auf die Nutzung von Wärmespeichern in Kommunen ein. Er stellte das Referenzprojekt Mertingen vor. Eine Großwärmepumpe, die Strom direkt aus einem Solarpark bezieht, versorgt dort das Wärmenetz. In dieser Größenordnung ist das laut Gärtner deutschlandweit einmalig. Künstliche Intelligenz optimiert den Betrieb. Der selbstlernende Algorithmus verarbeitet über 200 Datenquellen. Das Wärmenetz mit 250 Anschlüssen und 16 km Netzlänge wird aktuell um 1 Kilometer und 50 Haushalte erweitert. Unter anderem findet damit eine Versorgung der Firma Zott statt. Vier öffentliche E-Ladestationen wurden installiert. Es gibt 750 kW PV, zusätzlich sind 25 MW in der Entwicklung. Zwei thermische Wärmespeicher werden dort ebenfalls eingesetzt – mit max. 6 Bar Druck, jeweils 84 m³ Volumen und 14,5 m Zylinderhöhe. Unter dem Dach der Firma Pro Therm Mertingen plant, baut und betreibt GP Joule gemeinsam mit der Gemeinde die Energieversorgung.