Die Werke von Solarworld im sächsischen Freiberg und im thüringischen Arnstadt sind gerettet – zumindest fast. Wenn die Gläubiger morgen zustimmen, ist der Deal unter Dach und Fach. Der Retter von Solarworld ist Solarworld. Nein, nicht die AG sondern eine neue GmbH, die vom bisherigen Konzernlenker Frank Asbeck eiligst errichtet wurde. Dafür reichen erst einmal 25.000 Euro, die Asbeck sicherlich problemlos aufbringen kann. Bisher noch Gemunkel ist die Nachricht, dass auch Quatar Solar mit im Boot sitzt. Quatar Solar hält bisher 29 Prozent der Aktien an Solarworld, nachdem der arabische Scheich Khalid Al Hajri schon vor vier Jahren dem damals schon heftig angeschlagenen Konzern unter die Arme griff.
Radikal auf Mono gesetzt
Inzwischen ist das Unternehmen zwar immer noch auf in den roten Zahlen. Doch so schlimm wie einst ist es nicht. Am Ende des Jahres 2012 stand Solarworld mit über einer halben Million Euro in der Kreide. Das neue Geld kam aus Katar. Es ging wieder bergauf und 2015 schloss der Modulkonzern mit einem Minus von „nur“ 33.282 Euro ab. Zwar haben sich die Verluste im Jahr 2016 wieder fast verdreifacht. Es ist also fraglich, ob eine Insolvenz zu diesem Zeitpunkt tatsächlich so dringend notwendig gewesen wäre oder ob es nicht eine andere Lösung gegeben hätte. Zudem hörte sich der Plan, die Geschäfte auf das Premiumsegment mit monokristallinen Modulen zu konzentrieren, doch recht gut an. Gleichzeitig hatte das Unternehmen angekündigt, die beiden Produktionsstandorte zu entrümpeln. Module kommen in Zukunft nur noch aus Freiberg. Diese werden mit Zellen gebaut, die künftig ausschließlich in Arnstadt hergestellt werden. Zudem hat Solarworld den riesigen Bauchladen, den das Unternehmen aufgebaut hat, etwas verkleinert. Zumindest aus dem Abenteuer der Lithiumförderung im Erzgebirge hat sich Solarworld zurückgezogen.
Ob die komplette vertikale Integration – das Unternehmen fertigt alles, vom Ingot über Wafer und Zelle bis hin zum Modul – nicht doch ein falscher Weg ist, sei hier mal dahingestellt. Zwar drückt eine eigene Zellfertigung heftig aufs Konzernergebnis. Doch ist diese auch mit einer Forschung verbunden und die wiederum hat die Einführung der PERC-Technologie als zweiter Generation der kristallinen Siliziumtechnologie kräftig angeschoben. Inzwischen entwickelt sich das zum Standard in der Modulherstellung. Mit dem Kauf der Produktionsstätten in Sachsen und Thüringen bleibt zumindest dieses Know-how erhalten. Zudem kann das Unternehmen die angekündigte Umstrukturierung mit weniger Druck durchziehen.
Verwaltung in Bon wird abgewickelt
Doch der Aufschrei ist groß, dass der Solarkönig jetzt wieder die Geschicke des Unternehmens in die Hand nimmt, wo diese doch in den vergangenen Jahren wenig Glück bewiesen hat. Nun, etwas anrüchig kommt es schon daher, dass Asbeck einfach eine neue GmbH mit dem gleichen Namen gründet und die Produktionsstätten in Freiberg und Arnstadt kauft. An der Verwaltung des Konzerns in Bonn hat er kein Interesse. Ob hier ein ausgeklügelter Plan des Konzernchefs dahinter steckt, auf diese Weise einige Probleme loszuwerden, bleibt Spekulation.
Es läuft auf so etwas wie einen Asset Deal hinaus. Die neue GmbH kauft nur die Produktionsanlagen, Grundstücke, Gebäude, Einrichtungen, Vorräte und Patente der alten AG und übernimmt auch alle Verträge. Die Gläubiger werden weiter bedient, weshalb sie wahrscheinlich auch kein Veto auf der Gläubigerversammlung gegen die Lösung einlegen werden.
Alle anderen – hier vor allem die Aktionäre – gehen leer aus. Damit haben Asbeck, der Ende 2016 immerhin 20,85 Prozent der Aktien gehalten hat, und Quatar Solar, so sie in das Geschäft einsteigen sollten, über die Hälfte der Anteilseigner aus dem Unternehmen gekegelt. Die verlieren jetzt alles, wobei die Aktie zum Schluss nicht mehr viel Wert war. Sie schloss das Jahr 2016 mit einem Wert von 2,43 Euro, nachdem sie zwischendurch auf einen Höchstwert von 41,75 Euro geklettert war. Das war 2007. Der Einführungspreis betrug im Jahr 1999 13,75 Euro. Allerdings hatte Solarworld zwischendurch mehrere Kapitalerhöhungsrunden hinter sich, so dass der Emissionspreis bereinigt um die daraus entstehenden Effekte auf den Aktienwert auf 0,86 Euro sinkt. Wichtiger ist allerdings: Dividenden haben die Aktionäre schon seit 2012 keine mehr gesehen.
Strafbefehl aus den USA
Zudem kann Solarworld jetzt das Hemlock-Probelm zu den Akten legen. Der amerikanische Siliziumhersteller hat in den USA eine Schadenersatzforderung in Höhe von fast 800 Millionen Euro durchgesetzt, weil Solarworld die langfristig vereinbarte Lieferungen von polykristallinem Silizium nicht mehr abnehmen wollte. Solarworld hatte sich auf das Geschäft in dem Glauben eingelassen, der Solarmarkt werde weiter brummen. Doch dann rasten die Siliziumpreise in den Keller, Solarworld hätte zum vereinbarten Abnahmepreis niemals konkurrenzfähig polykristalline Module herstellen können.
Zwar hatte sich der Konzern auf den Standpunkt zurückgezogen, dass die Forderungen sowieso nicht durchsetzbar wären. Doch das Damoklesschwert schwebte weiter. Denn sicher war das nicht. Jetzt könnte sich das Problem erledigt haben, weil bei einem Asset-Deal ausschließlich der Verkäufer, also die insolvente Solarworld AG, und nicht der Käufer, die Solarworld Industries GmbH, haftet.
Andere Bieter übergangen?
Anrüchig ist der Deal auch deshalb, weil ein anderes Unternehmen ebenfalls geboten hatte. Der niederländische Entwickler von Solarprojekten Prisma Systems wollte auch die Produktionsstätten in Freiberg und Arnstadt übernehmen. Die Holländer hatten sogar angekündigt, die gesamte Belegschaft zu übernehmen. Denn sie brauchen die gesamte Produktionskapazität, um Module für die eigenen Projekte herzustellen. Solarworld hingegen will nur knapp 500 Mitarbeiter übernehmen. Die restlichen 1.200 Beschäftigten sollen in eine Transfergesellschaft überführt werden. Vielleicht werden wieder mehr Mitarbeiter gebraucht, wenn die Geschäfte wieder besser laufen. Schließlich ist der Zweck eines Unternehmens nicht, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern Profit zu generieren, wie es der amerikanische Politiktheoretiker Anthony Downs treffend formulierte.
Für die Mitarbeiter wäre sicherlich das Angebot aus den Niederlanden besser gewesen. Die Holländer haben nach eigenen Angaben vom Insolvenzverwalter nie eine Antwort auf ihre Kaufofferte erhalten und inzwischen das Angebot aus Trotz zurückgezogen. Sie bleiben aber Gesprächsbereit, sollten die Gläubiger den Deal mit Asbeck ablehnen. Zudem habe es noch weitere Angebote gegeben. Doch diese Investoren hätten noch mehrere Monate gebraucht, um das Unternehmen zu bewerten, was für die Mitarbeiter schlecht gewesen wäre. Schließlich stand kein Geld für Gehaltszahlungen mehr zur Verfügung. Der Ausweg über die Einführung von Kurzarbeit wurde vom Betriebsrat schon vorgeschlagen.
Asbeck hingegen kennt sein Unternehmen. Er weiß, was er kauft. Sicherlich will er nicht nur sein Lebenswerk retten, wie die Boulevardpresse skandiert. Hier geht es um ein Unternehmen, das auf dem aktuellsten Stand der Technik Module produziert und zudem noch Forschung auf höchstem Niveau betreibt. Beides ist für die europäische Solarbranche von essentieller Bedeutung, will sie nicht komplett ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den asiatischen Konkurrenten verlieren. (Sven Ullrich)