Nicht 10,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) wie nach den in Deutschland als offiziell geltenden Daten des Statistikdienstes Destatis, sondern höchstens 4,8 Cent pro kWh betrügen die Industriestrompreise für die unternehmerischen Großverbraucher, hielt FÖS fest. Die tatsächlichen Industriestrompreise seien von Destatis und dem mit dessen Zahlen operierenden Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) deutlich überschätzt, ließ sich das FÖS zitieren. Insbesondere Ausnahmen von der EEG-Umlage seien in den offiziellen Statistiken bisher ungenügend eingerechnet.
Diese so genannte Umlage ist ein Aufpreis pro Kilowattstunde in der gewöhnlichen Stromrechnung. Hierzulande zahlen ihn überwiegend die Privathaushalte als Ausgleich für Mehrausgaben der Stromwirtschaft bei der Vergütung des eingespeisten Stroms aus zum Beispiel Wind- oder Solarstromanlagen. Das EEG verpflichtet die Netzbetreiber, die erzeugte Elektrizität in ihre Leitungen einspeisen zu lassen und gemäß den erhöhten EEG-Vergütungssätzen zu bezahlen. Allerdings sind besonders große Stromverbraucher unter den Unternehmen von der Umlage teils oder ganz befreit.
Vor allem die EEG-Umlagebefreiung höher als bisher angenommen?
Laut FÖS berechnet Destatis noch eine mittlere EEG-Umlage für die deutsche Industrie von 4,0 Cent pro kWh. Zum Vergleich: Die EEG-Umlage für Privatverbraucher liegt derzeit bei 6,24 Cent. Doch FÖS geht von einer im Mittel deutlich geringeren Umlage für die Industrie aus – auch andere Befreiungen von Steuern und Abgaben beim Stromeinkauf für die Industrie unterschätzten die offiziellen Daten, so begründet es das Forum. Zudem zeige sich gerade im Vergleich zu den von Kritikern der Energiewendekosten als Gegenbild gelobten Vereinigten Staaten, dass die deutsche Industrie mit der Energiwende noch gut dastehe. Denn auch die technische Sicherheit im Netz sieht das FÖS durch die Energiestromwende als nachweisbar nicht angegriffen. So müssten die US-amerikanischen Unternehmen im eigenen Land sechs bis acht Stromausfälle jährlich wegstellen. Hierzulande seien diese Stromausfälle 20 Mal seltener.
Doch die Berechnung ist wohl alleine deshalb sehr schwierig, weil die Unterschiede zwischen den Industrieunternehmen in den Nachlässen bei EEG-Umlage und anderen Gebühren enorm groß sind. So schreibt das FÖS auf Nachfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN zur Erklärung: „Eurostat überschätzt systematisch zu zahlende Umlagen beziehungsweise Abgaben in der Kategorie der Großverbraucher“ Dies gelte für „insbesondere EEG-Umlage, aber auch Netzentgelte und Konzessionsabgabe“. Bestätigt sehe sich das FÖS auch in der vom BDEW vorgerechneten Bandbreite der effektiven Strompreise für die deutsche Industrie. Sie reichte auch gemäß der BDEW-Statistik tatsächlich von 4,63 bis 15.09 Cent pro kWh inklusive Steuern.
Verschiedene Kalkulationsmethoden
Doch wie daraus einen repräsentativen Strompreis für die deutsche Industrie herauskalkulieren, der sich mit dem der US-amerikanischen Konkurenz vergleichen lässt? Die Leiterin der für die Studie verantwortlichen Abteilung Energiepolitik beim FÖS, Swantje Küchler, moniert, dass Destatis alleine mit Hilfe einer Stichproben-Befragung unter den Energieversorgern einen vermeintlich charakteristischen Mittelwert herleite. Die Mitarbeiter des Statistikdienstes „befragten 30 Energieversorger in der Verbrauchsgruppe von 70 bis 150 Gigawattstunden“ des jährlichen Stromkonsums, betont Küchler. Doch das sei wenig glaubwürdig, zumal die ganz großen Industrieunternehmen noch deutlich mehr Strom pro Jahr verbrauchten. Schon die Obergrenze der Stichprobe bei Destatis hält sie daher für willkürlich – und die Zahl der befragten Energieversorger für zu gering, um einen verlässlichen Mittelwert zu bilden. Auch inwiefern die Energieversorger gewissenhaft alle Ausnahmen berücksichtigen, erscheint dem FÖS zweifelhaft.
Dagegen analysierten die Berliner Dienstleister vom FÖS, in welchen Verbrauchsgruppen welche Ausnahmen von Abgaben und Umlage vorherrschen. Dies glichen sie in einem wissenschaftlich-statistischen Verfahren mit der Struktur der deutschen Wirtschaft ab – um dann die Ausnahmevolumen wesentlich höher anzusetzen. Vor allem die Industrieverbraucher mit über 100 GWh an Jahresverbrauch betrachtete das FÖS als prinzipiell von der EEG-Umlage befreit. Allerdings sieht das Gesetz diese Ausnahmen nicht generell für alle sondern für Unternehmen aus mehreren als „energieintensiv“ definierten Branchen vor.
„Wir haben herausgefunden, dass bei vielen Umlagen für Industriestromkunden die Frage gar nicht so viele Unterschiede macht: Bin ich stromintensiv oder nicht?“, betont Küchler. „Nur bei der EEG-Umlage kann es große Unterschiede geben“.
Mehr Stromausfälle in den USA
Im Vergleich mit den USA wollen die Berliner Forums-Statistiker allerdings auch die Systemsicherheit für die Unternehmen bewerten. Die Staaten Texas und Pensylvania ähnelten sich in ihrer Struktur in punkto Strompreise und Industrieanteil in der Wirtschaft am meisten der Situation in Deutschland. Im Vergleich zu diesen seien die Stromausfälle in Deutschland sechs- bis achtmal geringer als dort, gemessen mit Zahlen aus dem Jahr 2008. Dass es für einen realen Vergleich auch noch neuere Daten aus den Vereinigten Staaten benötige, räumen die Berliner allerdings auch ein. Immerhin: Die Zahl und Zeiten der jährlichen Stromausfälle habe sich in Deutschland für die Industriestromkunden seit 2006 nicht verstärkt.
(Tilman Weber)