Die jährlichen Zusatzkosten für den Netzausbau auf der Niederspannungsebene lassen sich trotz weiteren Ausbaus der Photovoltaikleistung um 150 Millionen Euro reduzieren. Voraussetzung ist der konsequente Ausbau von Speicherkapazität und Speicherleistung. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die das Beratungsunternehmen Prognos im Auftrag des Speicherherstellers Sonnen – ehemals Sonnenbatterie – erstellt hat. Die Analysten haben es exemplarisch für die Region Süddeutschland durchgerechnet. Die Entscheidung, den süddeutschen Raum als Beispiel zu nehmen, fiel aufgrund der hohen Photovoltaikleistung, die dort am Niederspannungsnetz angeschlossen ist. Schon jetzt haben mache Regionen in Süddeutschland Probleme, den üppigen Photovoltaikstrom unterzubringen. Die Konsequenz ist bisher immer der Ausbau dieser Niederspannungsnetze gewesen. Mit Speichern kann sich das ändern.
Einspeisespitze gekappt
Vorausgesetzt, die Batterien werden netzoptimiert betrieben, kappen sie die Einspeisespitzen der Photovoltaik zur Mittagszeit. Das geht noch besser, wenn die Speicher auf eine Wetterprognose zurückgreifen und auf diese Weise ihr Lade- und Entladeverhalten planen. „Der Netzausbau wird dadurch vermieden, dass die Beladung des Speichers auf die Mittagsstunden verschoben wird“, erklärt Frank Peter, Autor der Studie. „Dadurch wird die Netzeinspeisung um 40 Prozent reduziert.“ Bei ihren Berechnungen gehen die Analysten von Prognos vom Szenario der Bundesregierung beim Ausbau der Photovoltaik aus, dass diese im EEG 2014 zugrunde gelegt hat. So plant Berlin den Ausbau der Photovoltaik auf 58,3 Gigawatt bis zum Jahr 2032 voranzutreiben. Davon werden 24,5 Gigawatt in Süddeutschland installiert sein.
Netzausbau wird durch die Photovoltaik notwendig
Derzeit liegt der Anteil der Solarstromanlagen, die am Niederspannungsnetz angeschlossen sind, bei etwa 60 Prozent. Wenn dieser Anteil über die Jahre hinweg gleich bliebt, haben die Autoren der Studie einen Photovoltaikzubau von 6,2 Gigawatt bis 2032 errechnet, der am Niederspannungsnetz angeschlossen ist. „Gleichzeitig entfallen 60 Prozent der Netzausbaukosten auf Süddeutschland“, rechnet Frank Peter vor. „Der Netzausbau dort ist also vollständig induziert durch den Ausbau der Photovoltaik“, sagt er mit Blick auf die Niederspannungsnetze.
Jeder Speicher reduziert Netzausbaukosten um 120 Euro jährlich
Wenn die Speicher aber die Netzeinspeisung um 40 Prozent reduzieren, müssen die Netze nicht derart stark ausgebaut werden, als wenn die Photovoltaikanlagen ihren Strom hauptsächlich ins Netz einspeisen. Der natürliche Eigenverbrauch reicht dabei nicht aus, um die Netz so spürbar zu entlasten, da das eigentliche Problem die Mittagsspitzen bei der Einspeisung sind. Nach den Berechnungen der Analysten von Prognos reduziert jede Photovoltaikanlage mit Speicher die Zusatzkosten für das Niederspannungsnetz um 120 Euro pro Jahr. Bezogen auf den im Ausbauszenario der Bundesregierung prognostizierten Photovoltaikzubau von 6,2 Gigawatt am Niederspannungsnetz summiert sich das auf 93 Millionen Euro pro Jahr auf. „Wenn man berücksichtigt, dass der Verteilnetzstudie 2014 ein pessimistisches Ausbauszenario zugrunde lag und ein reduzierter Ausbau des Niederspannungsnetzes auch den Ausbaubedarf der Mittelspannungsebene mindert, sind sogar Einsparungen von über 100 Millionen Euro pro Jahr zu erwarten“, betont Frank Peter. Steigt der Anteil der Speicherkapazität und Speicherleistung durch die Nachrüstung an, dann kann die Reduktion von Netzausbaukosten den Bereich um die 150 Millionen Euro erreichen – wohlgemerkt das allein nur in Süddeutschland.
Sicherlich ist der Ausbau der Photovoltaik in Bayern und Baden-Württemberg weiter vorangeschritten als in anderen Regionen der Bundesrepublik. Doch lassen sich bedingt diese Berechnungen auch auf andere Bundesländer anwenden. Allerdings fällt dort die Vermeidung des Netzausbaus durch Solarstromspeicher nicht so stark in Gewicht wie in Süddeutschland, wo die angeschlossene Photovoltaikleistung am Niederspannungsnetz am höchsten ist.
Beitrag zur Entsolidarisierungsdebatte
Prognos und Sonnen wollen die Studie aber nicht nur als Grundlage für die Ausbauszenarien der Netze sehen. Vielmehr ist sie ein Beitrag zur Entsolidarisierungsdebatte. „Schon der Eigenverbrauch ohne Batterie hat wenig mit Entsolidarisierung zu tun“, betont Frank Peter. „Mit eine Speicher führt der Nutzen durch vermiedene Netzausbaukosten noch weniger zur Entsolidarisierung.“ Peter unterlegt das mit konkreten Berechnungen. Zwar bekommen die Stromverbraucher mit Eigenverbrauch Geld aus dem Stromsystem ausgezahlt. Doch aufgrund der Anschaffungskosten für den Generator zahlen diese Stromkunden Mehrwertsteuer, die diese Auszahlungen überwiegt. Dazu kommt bei einem Speicher noch ein zusätzlicher Nutzen aufgrund der Vermeidung von Netzausbaukosten dazu. Der Betreiber einer Photovoltaikanlage mit Speicher tut also für das Gesamtsystem noch mehr als er ohne Speicher schon tun würde.
Diese Betrachtung des Gesamtsystems ist den Autoren der Studie wichtig. Denn ohne diesen Blickwinkel einzunehmen, wird jede Debatte um die Entsolidarisierung zu keinem vernünftigen Ergebnis führen. Aus diesem Blickwinkel ist auch der gesamte notwendige Netzausbau zu betrachten. Sicherlich ist – wie die Autoren der Studie gezeigt haben – dieser Netzausbau vor allem durch den Zubau der Photovoltaik nötig. Doch ohne diesen Zubau würde die Energiewende kaum möglich, die aber aus Sicht des Gesamtsystems gewollt ist. So ist auch die Diskussion um die Entsolidarisierung eine Debatte innerhalb der Energiewende. (Sven Ullrich)