Wie erwartet musste Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nun auch in Berlin die Konsequenzen aus der Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen ziehen. Am heutigen Nachmittag trat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin vor die Presse, um seine Entlassung zu verkünden. Offenbar war Röttgen nicht freiwillig gegangen, denn die Kanzlerin schaltete den Bundespräsidenten ein. Gemäß Artikel 64 des Grundgesetzes stimmte er ihrem Vorschlag zur Entbindung Röttgens von seinen Amtsgeschäften im Kabinett zu. Damit fiel für den ehemaligen Kronprinzen der Christdemokraten endgültig der Hammer.
An der Energiepolitik gescheitert
Damit ist erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein Bundesminister an seiner falschen Energiepolitik gescheitert. Röttgen hatte Ende Februar gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Weg gebracht, das in der Bevölkerung als „Solarausstiegsgesetz“ wahrgenommen wird. Dafür wurde er in NRW abgestraft, wo viele Menschen die Energiewende mitgestalten und die erneuerbaren Energien als Zukunftschance begreifen. Das Rheinland und der Ruhrpott galten über viele Jahrzehnte als Zentrum der Kohlebergbaus und der Montanindustrie. Nun sind Windenergie, Solartechnik und Erdwärme die aufstrebenden Industriezweige in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland.
Altmaiers „große Aufgabe“
Der neue Mann auf dem Ministersessel ist der Saarländer Peter Altmaier. Er bezeichnete die Energiewende als „meine große Aufgabe“. Er versprach, „die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen“. Bei der Stabübergabe im Ministerium wünschte er Röttgen alles Gute. Der 53-jährige Jurist muss nun mit den Bundesländern über die Neufassung der Novelle verhandelt. Denn der Bundesrat hatte am vergangenen Freitag das Gesetz umfassend abgelehnt und an den Vermittlungsausschuss verwiesen. Weil nicht nur bestimmte Passagen kritisiert, sondern die Novelle in Gänze verworfen wurde, erwarten Beobachter erhebliche Verbesserungen für die Solarkunden und die Industrie. Bisher war Altmaier parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Der nächste Wackelkandidat
Auch der Stuhhl von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wackelt bedrohlich. Er hatte die Novelle des EEG durchgepeitscht, um die schwindende Zustimmung aus den eigenen Reihen zu kaschieren. Daraufhin sanken die Umfragewerte in den Keller, die Partei drohte aus mehreren Landtagen zu fliegen. In NRW holte der Parteirebell Christian Lindner (FDP) beachtliche acht Prozent der Stimmen. Es wird erwartet, dass er beim Bundesparteitag der Liberalen im Herbst den amtierenden Parteivorsitzenden Rösler entmachtet. (Heiko Schwarzburger)