Am Rande der Windenergietagung Wind amp; Maritim stellte Pegel vor Journalisten klar, dass die Regierungskoalition oder zumindest Pegels Ministerium in den kommenden Jahren auf den Ausbau der Windkraft auf See als Schwerpunkt setzen. Der Ausbau der Windkraft an Land werde „immer stärker zu Akzeptanzproblemen im Kleinen führen“, betonte Pegel. Wachsende Widerstände, die den Ausbau der Onshore-Windkraft an Land erschwerten, seien zu erwarten, deutete Pegel an, weil die Projekte angesichts der schon fortgeschrittenen Aufstellung von Windturbinen im Land, „immer dichter an die Siedlungen heran“ geplant werden müssten.
Mit Verweis auf den Koalitionsvertrag der Anfang des Jahres neu angetretenen Bundesregierung und die darin angekündigten Sonderausschreibungen für Windkraft an Land und auf See, sagte Pegel: Eine zusätzliche Ausschreibungsmenge für Offshore-Windkraft sei sinnvoll. Ob die Bundesnetzagentur darin ein fixes Volumen für die Ostsee reservieren solle, sei für ihn zunächst zweitrangig, betonte Pegel. Das Wind-auf-See-Gesetz von 2017 hatte für die vor knapp drei Wochen am 1. April beendete zweite Ausschreibungsrunde einen Anteil von jeweils 500 Megawatt (MW) für Ostseeprojekte festgelegt. Er gehe davon aus, dass die mit den zusätzlichen Ausschreibungen befasste und in den vergangenen Tagen zunächst in ihrer Führung zusammengesetzte Kohlekraft-Ausstiegs-Kommission in der zweiten Jahreshälfte ihre Arbeit aufnehme. Die Kommission soll einen Kohleausstiegsplan mit einem Enddatum für die Kohlekraft in Deutschland schreiben, den die Politik dann beschließen muss. Außerdem soll sie weitere klimapolitische Maßnahmen diskutieren, mit denen die Klimaziele der Bundesregierung von 2020 weitgehend und für 2030 verlässlich zu erreichen sind.
Für wichtig halte er es, betonte Pegel, dass die noch bis 2020 vorgesehene Zusatzausschreibung nicht nur sogenannte Altprojekte enthalte: die bereits genehmigten oder von der Genehmigungsbehörde erörterten weitgehend geplanten Projekte, die in den Ausschreibungsrunden 2017 und 2018 einzig zugelassen waren. Ein Verweis wohl auch darauf, dass bisherige Planungen noch nicht den in der ersten Ausschreibungsrunde für Windkraft auf See sichtbar gewordenen Preisdruck der Auktionen voraussehen konnten.
Besonderen Wert legt Pegel in diesem Zusammenhang nach eigenen Angaben nun auf das von Mecklenburg-Vorpommern geplante Vorhaben eines Windenergie-Testfelds in der Zwölf-Seemeilen-Zone vor der Landesküste. Das Testfeld solle anders als bisher vom Bund vorgesehen nicht im bloßen Hinzustellen von einzelnen Testturbinen in kommerzielle Windparks bestehen. Zumal dies den Nachteil habe, dass der Betrieb der Testanlagen dort vom Windpark-Windschatten immer wieder beeinträchtigt werde. Dies behindere die Entwicklung noch effizienterer Technologien, die benötigt werde, um die Kosten der Windparks deutlich weiter zu senken.
Pegel beschrieb das von ihm bevorzugte Design des Testfeldes als Misch-Windpark, der zu zwei Dritteln aus einem kommerziellen und zu einem Drittel aus Testanlagen bestehen könnte. Dort sollen die Test-Anlagen der nächsten Leistungsklasse von 10 bis 15 MW ihre Effizienzen testen lassen, wobei ausreichender Abstand den Windschatten vermeiden soll. Testen könne die Industrie dort auch neue günstigere Offshore-Fundamente, neue Installationsmethoden und Wartungstechnologien beispielsweise für Unterwasserreparaturen sowie eine preisgünstigere Anbindung zur Windstromeinspeisung an Land. Die Bundesregierung müsse für den Testwindpark allerdings nun rasch eine gesetzliche Grundlage schaffen, betonte Pegel.
Welche zusätzlichen Ausbauchancen für Mecklenburg-Vorpommerns Offshore-Windkraft und welche Kostenreduktionen zu erwarten sind, verdeutlichte der Leiter der Offshore-Windkraft-Anbindung beim Netzbetreiber 50 Hertz, Henrich Quick. Der Offshore-Netzanschluss-Experte verwies auf den von 50 Hertz bereits an die Bundesregierung ausgewiesenen Kapazitätsspielraum im Netz von weiteren 750 bis 900 MW für Windstrom aus der Ostsee im Zeitraum bis 2025. Auf Nachfrage bestätigten Quick und Pegel, dass das Volumen sich auf das aufgrund Planungsfrist-Überschreitung nicht mehr zu den ersten beiden Ausschreibungsrunden zugelassene Projekt Gennaker des Bremer Projektierers WPD mit 865 MW beziehe. Das Großprojekt würde den kleinen 48-MW-Pilotwindpark in der deutschen Ostsee, Baltic 1 vor der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, um ein Vielfaches erweitern.
Damit müsste Projektierer WPD das Projekt Gennaker nicht mehr in eine Ausschreibung nach dem sogenannten zentralen Modell bringen, deren Sieger nach einem Zuschlag anders als die Projekte der bisherigen Tender nicht mehr bis 2025, sondern erst ab 2026 ans Netz dürfen. Die Projektierer von Ausschreibungsvorhaben nach dem zentralen Modell können sich zudem nicht mehr auf Exklusivrechte an einem Windfeld als eigenen Claim stützen. Auktionen im zentralen Modell sehen Ausschreibungen für von der Bundesnetzagentur vorentwickelte Windflächen vor, um die sich verschiedene Projektierer mit konkurrierenden Vorhaben bewerben.
Als besonderes Entwicklungsvorhaben des von Mecklenburg-Vorpommern vorgesehenen Testfeldes plant 50 Hertz den Test eines Spannungswandlers mit neuer Diodentechnik vor. Die neue Technologie könne zu Kostenreduzierungen beim Netzanschluss von 20 bis 30 Prozent führen, betonte Quick. Dank der in Mecklenburg-Vorpommern gesetzlich zugelassenen Küstennähe für Offshore-Windkraft könnte die Anlage an Land entstehen und wäre ohne größere Anfahrtskosten im Vergleich zu Umspannstationen im Meer preisgünstig für Teststeuerung oder Wartungen zu erreichen. Mit einem zusätzlichen Trafo für rund fünf Millionen Euro will 50 Hertz zudem eine Verbindungsbrücke parallel zum Testtrafo einbauen, falls der Spannungswandler zu Testzwecken außer Betrieb gehen muss.
Bei der Angabe zusätzlicher Kapazitäten für Offshore-Windkraft stützt sich 50 Hertz auf die in den vergangenen Jahren festgestellten Ausbaustrecken im Übertragungsnetz zwischen Hamburg und Schwerin sowie zwischen Bad Lauchstätt südlich von Magdeburg und Redwitz in Bayern. Bis 2023 soll nach aktuellen Planungen noch die Verstärkung der bisherigen Übertragungsnetztrasse zwischen Magdeburg und Güstrow zur Stromautobahn folgen. Ziel der Landesregierung ist ein Ausbau der erneuerbaren Energien auf ein Niveau bis 2025, um dann entsprechend des Anteils des Bundeslandes an der Gesamtfläche Deutschlands 6,5 Prozent des deutschen Strombedarfs zu erzeugen. Schon heute verbraucht Mecklenburg-Vorpommern nur ein Fünftel der Menge, die Erneuerbare-Energien-Anlagen im Land erzeugen.
Quick betonte, weiterer Netzausbau zum Abtransport der in Mecklenburg-Vorpommern überschüssig produzierten Windenergie könne im Bundesland noch mehr Platz für Windstrom verschaffen. Spätestens ab 2035 allerdings sei dieses Instrument weitgehend ausgereizt: Dann werde ein Netzausbau „nicht mehr große Effekte“ zugunsten des Windparkausbaus bringen können, sagte Quick. Stattdessen müsse die Politik und die Energiewirtschaft dann mit einer Umgestaltung der Energienutzung, beispielsweise durch die sogenannte Sektorkopplung zur Nutzung überschüssigen Grünstroms im Verkehrs- oder Wärmesektor. Die Branche müsse daher jetzt mit der Entwicklung wirtschaftlicher Konzepte und Technologien der Sektorkopplung beginnen, betonte Quick.
Quick verwies zugleich auf die Flexibilität der Ostsee-Windpark-Projekte, mit der auch andere Windparks die noch vorhandene übrige Kapazität leicht ausfüllen könnten. So seien die Vorhaben aufgrund teils kleinerer Volumen mit Losgrößen ab 250 bis 300 MW gut kombinierbar, um die Kapazitätslücke zu füllen.
(Tilman Weber)