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IRED-Konferenz zur Netzintegration

Politische Strategien fehlen

Es musste erst krachen: „Das Unglück von Fukushima hat unsere Stromversorgung hart getroffen. Vor allem der Großraum Tokyo musste mit Engpässen in der Versorgung fertig werden“, sagt Kazuhiko Ogimoto, Professor für Stromnetze und Risikomanagement an der Universität in Tokyo. „Daraus haben wir gelernt, dass wir eine möglichst schnelle Implementierung von Sonnenstrom und Windkraft brauchen.“ Im Juli hatte die Regierung in Tokyo zunächst die Förderung von Grünstrom deutlich erhöht, auf 24 Eurocent je Kilowattstunde für Sonnenstrom und 23 Eurocent für Windstrom. „Im September wurde eine nationale Strategie verabschiedet, um die Energiewende weiter zu beschleunigen“, berichtet der Experte. „Es geht um drastische Maßnahmen, um Strom zu sparen und zugleich den Anteil an erneuerbaren Energien auszuweiten.“

Deutsche Firmen profitieren

Japan verfügt bislang über vier Gigawatt Photovoltaikleistung und drei Gigawatt Windleistung. Aufgrund der neuen Fördertarife wird erwartet, dass zumindest im Ausbau der Photovoltaik einen ordentlichen Schub erhält. Die Zahl der geplanten Solarparks mit Leistungen von bis zu mehreren Megawatt ist sprunghaft gestiegen. Bisher gab es in Japan fast ausschließlich kleine, private Dachgeneratoren. Einige japanische Modulhersteller haben sich bereits aus dem europäischen Markt zurückgezogen oder ihre Aktivitäten reduziert, um sich auf den erstarkenden Heimatmarkt zu konzentrieren. Dazu gehören beispielsweise Solarpioniere wie Sharp oder Panasonic (Sanyo) und Solar Frontier, weltgrößter Produzent von Dünnschichtmodulen auf der Basis von Kupfer-Indium-halbleitern (CIGS). Im Gegenzug haben deutsche Firmen wie SMA, Kaco New Energy oder Solarworld ihre Präsenz im fernöstlichen Inselreich verstärkt, um vom Zuwachs zu profitieren.

Stromtrassen als Nadelöhr

Auch in Japan wird der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien vor allem durch die Stromnetze behindert. „Wir brauchen hunderte Kilometer neue Stromtrassen“, sagt Ogimoto. „Diese Leitungen müssen sicher gegen Erdbeben sein, das ist eine besondere Herausforderung.“ In Japan befinden sich die großen Windparks an der Westküste von Hokkaido, der Strom muss über große Entfernungen zu den Ballungszentren im Osten geleitet werden. „Wir müssen die Netzstruktur neu definieren“, analysiert Ogimoto. „Was wir brauchen, sind nicht nur mehr erneuerbare Energien, sondern Konzepte zur lokalen und regionalen Vollversorgung. Das spart den Stromtransport über weite Strecken.“ Auch würden Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs das Netz entlasten und den Bedarf für neue Trassen reduzieren.

Investruinen von morgen

Ähnlich liegt die Situation in Deutschland. Hierzulande gibt es zwar einen Netzausbauplan. Doch bildet er den künftigen Bedarf nicht ab. Denn die geplanten Windparks vor den Küsten können bei den Stromgestehungskosten nicht mit Windrädern in den Bundesländern oder mit Sonnenstrom konkurrieren. Bayern und Hessen beispielsweise haben Pläne aufgelegt, sich in den kommenden Jahrzehnten vollständig aus eigenem Grünstrom zu versorgen, auch Baden-Württemberg verfolgt dieses Ziel. Die teuren Stromtrassen von Nord nach Süd dürften sich also bald als Investitionsruinen erweisen, zumal sie den Strom vom Meer zusätzlich verteuern. „Wir brauchen viel mehr Investitionen in die Verteilnetze, wo tausende dezentrale Generatoren einspeisen“, sagt Philipp Strauss. Er leitet die Abteilung für Netzintegration am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesysteme (IWES). „Der Ausbau der Netze in der Niederspannung und der Mittelspannung bietet die Möglichkeit, beim Ausbau der Hochspannungstrassen einige Milliarden Euro zu sparen.“ Die Bundesnetzagentur hat bereits auf die überzogenen Forderungen der Netzbetreiber reagiert und die gewünschten Stromtrassen quer durch die Republik reduziert.

Auch USA hinken hinterher

In den USA liegt das Problem anders, weil es überhaupt noch keine Pläne gibt. „Wir haben bisher 52 Gigawatt an Windleistung aufgebaut, die Rotoren stehen vornehmlich im dünn besiedelten Mittelwesten“, sagt Abraham Ellis von den Sandia National Laboratories in Albuquerque im Bundesstaat Neumexiko. „Das entspricht rund 3,3 Prozent des Strombedarfs der Vereinigten Staaten. Wenn wir nur ein Fünftel unseres Strombedarfs aus Windkraft decken wollen, brauchen wir 300 Gigawatt. Dafür gibt es überhaupt keine Stromtrassen, nicht einmal Pläne.“ Er kritisiert, dass es in den USA noch immer keine nationale Strategie für die Energiewende gibt. „Die meisten Bundesstaaten haben eigene Programme, die auf den kurzfristigen Ausbau der erneuerbaren Energien zielen“, erläutert er. „Auch Washington bietet dafür Steuernachlässe an. Was wir brauchen, ist eine Strategie für den gezielten Ausbau der Generatoren und der Netze in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren.“

US-Verteidigungsministerium investiert kräftig

In den USA mahlen die Mühlen sehr langsam. Denn bei den Stromtrassen aus der Prärie zu den Küsten spricht nicht nur Washington ein Wörtchen mit. Auch zahlreiche Bundesstaaten und Energieversorger wollen beteiligt werden. Die USA verfügen über eine Erzeugungskapazität von mehr als 1.000 Gigawatt, verglichen mit rund 80 Gigawatt in Deutschland. Die Netze erstreckten sich über Tausende Kilometer von Ost nach West und von Nord nach Süd. Auch verfügen die USA über viel mehr Millionenstädte und Ballungszentren wie Deutschland. Allein die Großräume von New York, Chicago oder Los Angeles haben die Ausdehnung eines mittelgroßen deutschen Bundeslandes. Ellis meint: „Unser Land ist viel größer, die Probleme sind es auch.“ Immerhin hatte der alte und neue US-Präsident Barak Obama im Oktober 2009 alle Bundesbehörden angewiesen, 30 Prozent ihres Stromverbrauchs zu reduzieren. Das US-Verteidigungsministerium gibt seit 2008 jedes Jahr rund vier Milliarden US-Dollar aus, weil die Streitkräfte bis 2025 ein Viertel ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen decken wollen. Derzeit laufen die Ausschreibungen, um die Dächer der Truppenunterkünfte mit Solargeneratoren zu belegen. (Heiko Schwarzburger)