Hadyard Hill2020 will Großbritannien 30 Prozent des Stroms aus Windenergie erzeugen. Ab 2017 erhalten neue Projekte erneuerbarer Energien keine Grünstromzertifikate, sondern eine Einspeisevergütung.Foto: SSE group
2030: Das Vereinigte Königreich lebt kohlenstoffbewusst. Jede produzierte Kilowattstunde hinterlässt nur noch 100 Gramm CO2, 80 Prozent weniger als vor 20 Jahren. Seit der jüngsten Erhöhung der Kohlendioxidsteuer zahlen die Energieversorger 70 Pfund pro emittierter Tonne des klimaaktiven Gases. Die Grünstromzertifikate (ROC), ein altes Fördermittel für erneuerbare Energien, gelten nur noch wenige Jahre für die letzten Bestandsparks. Die meisten Regenerativstromerzeuger erhalten einen strompreisgebundenen Einspeisetarif. Aber im Gegensatz zu den Einspeisetarifen anderer Länder gilt dieser nicht nur für die Erneuerbaren: Acht Atommeiler, allesamt Neubauten, profitieren nebst einiger Kohlekraftwerke mit unterirdischen CO2-Speichern von der Vergütung.
Dieses Szenario skizziert das britische Energieministerium DECC (Department of Energy and Climate Change) mit seinen Plänen zur Reform des Energiemarktes. 2013 will das DECC die Electricity Market Reform in die Tat umsetzen. Bis Anfang letzten Monats standen die folgenreichen Vorhaben zur Diskussion. „Über 200 internationale Unternehmen, Branchenorganisationen und Interessenverbände nahmen teil“, sagt ein Sprecher des DECC, der nicht genannt werden möchte. DECC will die eingereichten Anregungen nun auswerten und auf dieser Grundlage im Juni einen Informationsbericht (White Paper) mit Details zur Reform veröffentlichen.
Drei FIT-Arten im Gespräch
Erst dann wird feststehen, welches Fördersystem die Grünstromzertifikate ersetzen soll. Dafür stehen drei Formen eines Einspeisetarifes (Feed-in Tariff = FIT) zur Auswahl: Als wahrscheinlichste Alternative gilt das FIT mit Differenzvertrag. Bei diesem Modell wird ein Tariflevel für die jeweilige CO2-arme Energiequelle festgelegt. Die FIT-geförderten Energieerzeuger verkaufen ihren Strom am Energiemarkt und erhalten einen Zuschlag auf jede verkaufte Megawattstunde (MWh). Ist der Großhandelsstrompreis niedrig, fällt der Zuschlag (top-up payment) höher aus. Übersteigt der Großhandelsstrompreis das festgelegte Tariflevel, müssen die Betreiber die Differenz zurückzahlen. So bleibt der Geldwert jeder Megawattstunde konstant. Die zweite Möglichkeit ist ein statisches Tarifsystem nach deutschem Vorbild. Danach erhält jede erzeugte Megawattstunde einen Festbetrag, unabhängig von der Strompreisentwicklung.
Das Premium-FIT nach dem Modell Spaniens gilt als unwahrscheinlichste, weil teuerste Alternative. Es sieht einen Festbetrag vor, der auf den Stromhandelspreis summiert wird. Bei niedrigem Strompreis ist die Gesamtvergütung der unter FIT erzeugten Megawattstunde gering. Steigen die Großhandelsstrompreise, steigt mit ihnen die Gesamtvergütung. Durch den festgelegten Aufschlag entwickelt sich die Gesamtvergütung immer parallel zum Marktpreis.
Je nach Leistung ein anderes FIT
Der neue Einspeisetarif knüpft an der Leistungsgrenze des 2010 eingeführten Feed-in Tariff für
erneuerbare Erzeugereinheiten bis fünf Megawatt Leistung an (small-scale FIT, S. 26 ff.). Die Vergütung großer CO2-armer Kraftwerke wird geringer ausfallen als im small-scale FIT, jedoch ist die Förderhöhe bislang unklar. „Wir werden die Tariflevel an die Kosten der einzelnen Technologien anpassen“, sagt der DECC-Sprecher. Details zu unterschiedlichen Tarifleveln, wie Abstufungen zwischen On- und Offshore-Windparks, Wellenenergie und Atomkraft will DECC erst im White Paper nennen.
Das angekündigte FIT-System soll die Grünstromzertifikate schrittweise ersetzen. Zwischen 2013 und 2017 sollen die neue und alte Vergütungsform parallel laufen. Planer erneuerbarer Energie-Projekte können in dieser Zeit wählen, welches System sie in Anspruch nehmen wollen (Förderprinzip der Renewable Obligation Order, ROO, und Änderungen für Offshore-Anlagen siehe nächste Seite). Das ROC-System läuft 2037 für die letzten regenerativen Kraftwerksparks aus. Da konventionelle Energieerzeuger ab 2017 keine ROC erwerben müssen, um einen bestimmten Anteil erneuerbarer Energien am gehandelten Strom nachzuweisen, hat DECC das „Grandfathering“ entwickelt. Es soll sicherstellen, dass abgeschlossene Verträge mit erneuerbaren Kraftwerksbetreibern weiterhin eingehalten werden – auch wenn es keinen industriellen Abnehmer für die fortlaufend produzierten ROC gibt. Wie genau das Grandfathering funktionieren soll, lässt DECC allerdings offen. „Die Regierung ist zurzeit auf der Suche nach einer Übergangslösung“, weiß Nick Medic, Pressesprecher des Verbandes für Wind- und Meeresenergie RenewableUK (ehemals BWEA).
Übergangszeit bis 2017 zu kurz
Der Verband ist enttäuscht von dem Beschluss, die Renewables Obligation zu ersetzen. Das System habe effektiv gearbeitet. RenewablesUK kritisiert auch die kurze Übergangszeit bis 2017, da gerade Offshore-Windprojekte lange Genehmigungs- und Bauzeiten durchlaufen. Im Wesentlichen begrüße man die Energiereform jedoch, weil die Regierung damit sicherstelle, dass die Energiemärkte nicht Kohlenstoff-blind werden. „Energiekonzerne müssen die Einsicht entwickeln, dass der Kohlendioxidausstoß etwas kostet“, sagt Verbandssprecher Medic. Das will die britische Regierung mit einer CO2-Steuer sicherstellen. Bis 2020 sollen Energieversorger für jede produzierte Tonne CO2 eine Abgabe von 20 Pfund (23 Euro) zahlen. Später könne der Preis schrittweise auf 30, 50 und schließlich 70 Pfund pro Tonne wachsen.
Dass die Regierung neben allen Erneuerbaren auch die Kernenergie und CCS-Kohlekraft fördern will, besorgt Medic weder ökonomisch noch ökologisch: „Wir brauchen jede Energie, die wir bekommen können. Mit angemessener Unterstützung können alle Sparten gedeihen.“ Damit steht der Verband für erneuerbare Energien auf der gleichen Seite wie der Großteil der Abgeordneten im britischen Unterhaus. Angaben Großbritanniens öffentlich-rechtlichen Rundfunks BBC zufolge, plädiert die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament auch nach den Ereignissen in Japan für die Kernkraft. Das gelte sowohl für die regierende Koalition aus Konservativen (Tories) und Liberaldemokraten als auch für die oppositionelle Labour-Partei.
Denny Gille
ROO – UKs Fördermodell
Das gesetzliche Quotensystem Renewables Obligation Order, ROO, verpflichtet jeden Energieerzeuger dazu, einen bestimmten Anteil der produzierten Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Dafür wurden 2002 die Renewables Obligation Certificates (ROC) eingeführt. In der Regel erhält jede erneuerbar produzierte Megawattstunde (MWh) ein ROC. Teure Technologien, wie zum Beispiel Offshore-Anlagen, verdienen derzeit zwei ROC pro MWh. Energielieferanten mit zu geringem Anteil erneuerbarer Energien müssen ROC einkaufen, um ihre Quote zu erfüllen.
Burbo BankFoto: Dong Energy A/S
Effektive Fördermethode
An der britischen Auktionsbörse e-ROC betrug der Stückpreis der Zertifikate in den letzten drei Quartalen 2010 durchschnittlich umgerechnet 55 Euro. Der Windpark Alpha Ventus hätte nach dem ROC-System bei 220 GWh jährlich rund 24 Millionen Euro eingenommen. Hinzu käme der Verkauf des erzeugten Stroms auf dem Strommarkt für umgerechnet 43 Euro pro MWh. Die Summe der Jahresvergütung für Alpha Ventus nach britischem Modell beträge damit mehr als 33 Millionen Euro. Das deckt sich mit den Jahreseinnahmen aus der aktuellen EEG-Förderung für Offshore-Parks (15 ct/kWh) der Bundesrepublik.
Neuerung für Offshore-Projekte
Da Offshore-Projekte häufig lange Bauphasen haben, kam es in der Vergangenheit vor, dass sich die 20-jährige Vergütungsdauer für einige Turbinen stark verkürzt hat. Um ROCs zu erhalten, musste ein Betreiber seinen Windpark zunächst bei der Regulierungsbehörde OFGEM (Office of Gas and Electricity Markets) akkreditieren. Waren die ersten Anlagen am Netz, konnte der Betreiber sie registrieren, worauf der ganze Windpark Zertifikate für den produzierten Strom erhielt. „Wenn die letzten Anlagen großer Projekte aber erst drei Jahre nach den ersten ans Netz gingen, verkürzte sich deren Vergütungszeit entsprechend um drei Jahre“, sagt RenewableUK-Sprecher Nick Medic. Seit dem 31. März dürfen Projektierer ihre Offshore-Parks daher über eine Zeit von fünf Jahren in bis zu fünf Phasen registrieren. So erhält jeder fertige Bauabschnitt ab Inbetriebnahme eine 20-jährige Förderung. „Das ist wesentlich besser für die Projektplanung, insbesondere, weil die neuen Parks weitaus größer sind, womit sich auch die Bauzeiten verlängern“, urteilt Medic.