ERNEUERBARE ENERGIEN: Warum war das Jahr so gut?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Weil das, was die Bundesländer schon geraume Zeit behaupten, endlich passiert ist: Sie haben Genehmigungen erteilt. So wurden die Planungsvoraussetzungen für viele neue Windparks geschaffen. Die Anzahl neuer Windenergieanlagen hat aber nicht in demselben Maße zugenommen.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Das erklärt Ihre nur gedämpft euphorische Bewertung des Ausbaujahrs 2012? Sie diagnostizierten bei der Präsentation der Ausbaustatistik in Berlin einen nur „leichten Zuwachs“ im deutschen Windenergieausbau, auch wenn das Wachstum des Kapazitätszubaus gut 20 Prozent beträgt. Sie verweisen nun darauf, dass die 1.008 neu errichteten Turbinen trotz der lange schon versprochenen Freigabe neuer Windparkbauflächen nur undeutlich mehr sind, als die 952 beispielsweise im Jahr 2009: im Jahr, bevor die Wirtschafts- und Finanzkrise die Windenergie erreichte?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Ja, auch in den Jahren 1999 bis 2006 haben wir viel mehr Anlagen aufgestellt. Der deutliche Zuwachs beim Zubau der Anlagen selbst wird wohl in diesem Jahr kommen: Unsere Vorhersage lautet, dass wir bis Ende 2013 allein an Land und ohne den Offshore-Windkraftausbau bis zu 2.900 Megawatt (MW) zubauen werden.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Das heißt, der Fortschritt der Turbinentechnologie mit höheren Anlagenklassen für Binnenlandstandorte wird sich dann erst so auf den Kapazitätszubau auswirken, wie es angesichts der Unterstützung der Länder sein könnte?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Ja.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Sehen Sie einen Repowering-Trend, beim Austausch alter und oft kleiner Anlagen im Kilowattbereich gegen moderne Multimegawattwindturbinen? Hier fuhr die Branche einen Bruttozubau von 431 MW ein, fast ein Drittel des bisherigen Repowering-Gesamtbruttozubaus. 141 MW baute sie ab.
Sylvia Pilarsky-Grosch: Ja, aber die verbesserten Repoweringzahlen haben auch damit zu tun, dass die Erfassung des Anlagentausches verfeinert wurde. In den vergangenen Jahren wurde das Repowering zu wenig auch als solches gewertet.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Der Zubau von Turbinen und Leistung sind wichtige Kriterien für den deutschen Windenergiemarkt. Ein weiteres betrifft die erzielbaren Turbinenpreise angesichts eines Weltmarkts, in dem starke internationale Konkurrenz der Windradhersteller, Überkapazitäten der Turbinenproduktionen und viele einbrechende nationale Märkte die Margen drücken. Erwiesen sich die Anlagenpreise dank guter Installationskonjunktur hierzulande als stabil?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Weltweit herrscht eine Kapazität der Windenergieanlagenherstellung von 80 Gigawatt (GW) – es werden hingegen jährlich nur gut 40 GW errichtet. Das hat freilich auch Einfluss auf den deutschen Markt. Dennoch hat der deutsche Windenergiemarkt Eigenheiten, so dass ein Vergleich mit dem Weltmarkt oft schwierig ist.
"Altmaiers Forderungen nicht ernstnehmen"
ERNEUERBARE ENERGIEN: Fallende Anlagenpreise sind zumindest gut für die Projektierer, die die Windparks planen und dann sie errichten lassen. Könnten dennoch die jüngsten Äußerungen aus der Bundesregierung, insbesondere von Bundesumweltminister Peter Altmaier zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) schon im Sommer den Ausbauboom noch in diesem Jahr ausbremsen?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Das glaube ich nicht. Zum einen ist das, was an Windturbinen 2013 ausgeliefert wird, heute schon finanziert, genehmigt und bestellt. Hinzu kommt: Ich nehme den Vorschlag des Bundesumweltministers nicht ernst. Das wird so nicht kommen. Das ist eher ein Wahlkampfmanöver. Doch richtig ist: Würde Altmaiers Reformvorschlag beschlossen, würden dann Windenergieanlagen nicht mehr gesichert nach dem EEG vergütet werden, so würden sogar genehmigte und finanzierte Projekte teils nicht mehr gebaut werden. Zugleich aber herrschte für 2013 ein großer Druck, die Projekte dennoch zu errichten. Denn die Hersteller produzierten ja weiter. Wir haben ja bei der Photovoltaik gesehen, was bei Schnellschüssen passiert: Die Solarbranche hat nach den wiederholten Reduzierungen ihrer Vergütung nicht weniger Solarmodule zugebaut. Stattdessen überhitzt der Markt, und diejenigen herstellenden Unternehmen gehen pleite, die den einsetzenden Preiskampf als erste nicht mehr durchhalten.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Liegen für 2014 schon Windenergieprojekte auf Eis, weil die EEG-Debatte für Unsicherheiten sorgt?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Ja. Aber alle Beteiligten wussten schon lange, dass im Herbst 2013 Bundestagswahlen sind. Das war ein allgemeiner Unsicherheitsfaktor, der sich nur auf 2013 noch nicht auswirkt. Für das nächste Jahr vorgesehene Projekte wurden hingegen zuletzt unter Vorbehalt finanziert.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Sie sind also der Meinung, dass Altmaiers jüngster Vorschlag einer EEG-Vergütung in Abhängigkeit von der Auswirkung des Erneuerbare-Energien-Ausbaus auf den Strompreis nicht Gesetz werden wird. Altmaiers will die überwiegend von den privaten Stromverbrauchern und kleineren und mittelgroßen Unternehmen zu zahlende EEG-Umlage auf den heutigen Betrag von fünf Cent pro Kilowattstunde festschreiben. Und nur wenn diese Preisstabilisierung absehbar ist, erhalten neue Grünstromprojekte auch die über dem Strombörsenpreis liegende EEG-Vergütung …
Sylvia Pilarsky-Grosch: Altmaiers Reformidee ist nicht nur nicht sinnvoll, sondern sogar eine Abkehr vom Kern des EEG. Im Übrigen ist das, was er da vorschlägt, in Teilen mindestens rechtlich bedenklich. Das werden wir prüfen. Ich sehe dafür keine Unterstützung, die es von irgendwo her geben kann. Auch diejenigen, die noch Bundestagskandidaten oder nach dem Urnengang im September Abgeordnete werden wollen, sind 2013 im Wahlkampf. Und sie können sich mit Maßnahmen, die dazu führen, dass der Ausbau der Erneuerbaren für Bürgerbeteiligungsmodelle und den Mittelstand abgeschnitten wird, nicht identifizieren. Das wäre kein gutes Wahlkampfthema.
"Bürger- und Mittelstandsprojekte würden unmöglich"
ERNEUERBARE ENERGIEN: Weil die Erneuerbaren als Wirtschaftsfaktor zu wichtig geworden sind?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Nicht nur als Wirtschaftsfaktor. Die Umsetzung von Altmaiers Vorschlag würde bewirken, dass Bürger- und Mittelstandsprojekte nicht mehr umgesetzt werden können. Denn deren typische Projektfinanzierung würde ohne garantierte EEG-Vergütung unmöglich. Und diejenigen die über die Jahre den Einstieg in die Erneuerbaren verpennt haben, würden dann zum Zuge kommen.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Sie meinen die Energiekonzerne, die das Geld für Projektinvestitionen aus der eigenen Bilanz ziehen könnten. Auf welche Ausbauleistung würde denn eine bedingte EEG-Vergütung die Windenergie jährlich deckeln?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Was heißt Ausbaudeckel? Das würde den Ausbaustopp bedeuten. Denn wie soll das denn funktionieren? Die EEG-Umlage …
ERNEUERBARE ENERGIEN: … mit der Stromnetzbetreiber und Stromversorger die Mehrausgaben für die garantierte Einspeisung und für die Vergütung der erneuerbaren Energien an ihre Kunden weiterreichen …
Sylvia Pilarsky-Grosch: … die EEG-Umlage soll angeblich eingefroren werden mit dem Hinweis: Nur wenn das Umlagekonto Luft dafür lässt, darf wieder mit dem EEG weitergebaut werden, völlig technologieunspezifisch. Das ist Unsinn: Das Umlagekonto wird wesentlich vom Strombörsenpreis gesteuert. Je günstiger der Handelspreis des Stroms durch erhöhte Erneuerbaren-Einspeisung wird, desto größer ist die Differenz zur EEG-Vergütung – und die EEG-Umlage erhöht sich. Altmaier hat aber gar keine Einwirkungsmöglichkeit auf den Börsenpreis beschrieben. Sein Reformvorschlag ist systemfremd, weil man so Projekte grundsätzlich danach planen müsste, als gäbe es kein EEG.
ERNEUERBARE ENERGIEN: Aber für eine systemische Reform der Erneuerbaren-Einspeisung sind Sie trotzdem? Gefordert wird sie ja von der Energiesparte im Maschinen- und Anlagenbauverband VDMA?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Natürlich sind Kosten auch ein wichtiges Thema für uns und wir brauchen eine Weiterentwicklung des EEG. Wir müssen aber zunächst definieren, wofür das EEG gut ist. Wenn wir sagen, wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin, brauchen wir tatsächlich Anreize dafür, dass sowohl die Produzenten von Erneuerbare-Energien-Strom als auch die Netzbetreiber das System stützen werden. Hier würde die EEG-Debatte erst richtig spannend werden.
Das Gespräch führte Tilman Weber