Wie erst jetzt bekannt wurde, reichte der Bonner Solarmodulhersteller Solar World zusammen mit weiteren 25 europäischen Unternehmen der Branche bei der Europäischen Kommission eine Antidumpingklage gegen die chinesische Konkurrenz ein. Zur Koordination des Vorgehens gegen Modulhersteller aus dem Reich der Mitte gründete man die Initiative EU Pro Sun. „Die Unterstützer von EU Pro Sun stehen für gesunden Wettbewerb, bei dem die Unternehmen keinen unfairen Vorteil gegenüber anderen bekommen“, heißt es in der Selbstdarstellung der Initiative. „Wir glauben, dass nur unverzerrter Handel und fairer Wettbewerb Innovation, Effizienz und Preisreduktion substantiell und langfristig voranbringt.“ Das zielt direkt auf die Praktiken der chinesischen Regierung, die eigenen Photovoltaikhersteller mit günstigen Krediten zu subventionieren, die dann ihrerseits dadurch die Möglichkeit haben, ihre Produkte auf dem europäischen Markt zu Dumpingpreisen anzubieten. Die Initiative beklagt, dass die chinesischen Hersteller inzwischen einen Marktanteil in Europa von 80 Prozent haben, während dieser vor wenigen Jahren bei praktisch Null gelegen habe. „Europa hat eine starke Solarindustrie“, sagt Milan Nitschke, Präsident und Sprecher von EU Pro Sun. „Wir sind technologisch führend, die Vorreiter bei erneuerbaren Energien, werden aber im eigenen Markt geschlagen durch illegales Preisdumping Chinas. Die Preise für Solarstrommodule aus China liegen dabei weit unter den Herstellungskosten in China.“
Durch die unfairen Handelspraktiken der der Chinesen werde die europäische Solarindustrie „von Woche zu Woche kleiner, Werke überall in Europa werden geschlossen, Arbeitsplätze gehen verloren“, erklärt die Initiative. Das werde nicht nur die gut ausgebildeten und hoch qualifizierten Mitarbeiter der Photovoltiakhersteller betreffen, sondern sich auch auf die Forschung und andere Bereiche ausdehnen. Außerdem werden die Investitionen, die in der EU getätigt wurden, um die Solarenergie voranzubringen, an China verloren gehen. „Wenn China de facto ein weltweites Monopol erlangt, wird das einen negativen Effekt auf die Innovation und Bezahlbarkeit der gesamten Branche weltweit haben“, warnt die Initiative. „Ohne Wettbewerb wird es keinen Anreiz für China geben, neue Technologien zu entwickeln oder die Preise zu senken.“
Personalkostenanteil liegt bei zehn Prozent
Tatsächlich nennen alle inzwischen insolventen europäischen Unternehmen den großen Preisdruck aufgrund der Billigimporte aus Fernost als Grund für die Zahlungsunfähigkeit und die schlechten Bilanzen. „Die Beweislage ist klar“, erklärt Nitschke. „Es ist offensichtlich, dass China gedumpte Solarware in den europäischen Markt exportiert. Hierfür versorgt die chinesische Regierung bereitwillig ihre Unternehmen mit Exportsubventionen und Milliardenkrediten." Einen klaren Kostenvorteil bei der Herstellung haben die chinesischen Konkurrenten kaum, denn inzwischen ist der Personalkostenanteil bei der Produktion aufgrund der hohen Automatisierung auf etwa zehn Prozent gesunken. Damit gibt es keinen Grund, warum chinesische Module billiger in der Produktion seien.
Preissteigerungen wegen Handelsschranken?
Auf die Kritik von Suntech, Handelsschranken und Importzölle würden die Preise für Solarstrom in Europa wieder in die Höhe treiben, weist EU Pro Sun von sich. „Die europäische Industrie will eben nicht die Preise erhöhen, sondern lediglich Dumping und die ruinöse Abwärtsspirale stoppen“, so Nitschke. „Wenn die EU schnell handelt, haben wir eine Chance, die nachhaltige Solarproduktion in Europa mit Arbeitsplätzen, Wachstum und Innovation zu bewahren sowie unsere Umwelt zu retten." Die Initiative nennt technischen Fortschritt und Kostensenkungen, aufgrund dessen die Preise für Solarstrommodule weiter sinken werden. Sie verweist auf eine Studie von AT Kearney, die gezeigt habe, dass die Preise für Solarstromanlagen um 50 Prozent in der gesamten EU bis zum Jahr 2020 sinken können. Wenn das tatsächlich eintreten würde erwartet EU Pro Sun, dass sich die Nachfrage und die Zahl der Arbeitsplätze beispielsweise im Installationshandwerk weiter erhöhen.
Entscheidung spätestens im nächsten Jahr
Insgesamt müssen sich 25 Prozent der europäischen Solarfirmen an einer solchen Klage bei der Europäischen Kommission beteiligen. Nach Aussage von EU Pro Sun ist dieses Quorum jetzt erreicht, auch wenn man sich zurückhält, die Namen der beteiligten Unternehmen konkret zu nennen. Immerhin ist bekannt, dass Solar World und Sovello aus Wolfen-Bitterfeld an der Klage beteiligt sind. Sovello hat selbst mit der Zahlungsunfähigkeit zu kämpfen und das Unternehmen arbeitet derzeit an einem Neustart, auch wenn es in der vergangenen Woche angekündigt hat, die Belegschaft zu halbieren. Die EU-Kommission hat jetzt 45 Tage Zeit zu prüfen, ob Untersuchungen eingeleitet werden. Entscheidet man sich in Brüssel dafür, den Vorwürfen nachzugehen, muss innerhalb von neun Monaten eine Entscheidung fallen.
Chinesische Hersteller haben in Europa viel zu verlieren
Inzwischen hat auch das chinesische Handelsministerium zur Klage Stellung bezogen und kündigt Gegenmaßnahmen an. Der Streit zwischen China und Europa könnte mir größerer Härte ausgefochten werden, als der Disput mit den USA. Schließlich ist der europäische Markt viel größer als die Märkte in den USA, womit die chinesischen Hersteller hier auch viel mehr zu verlieren haben. Kritik an der Klage kommt nicht nur aus Fernost. Auch europäische Hersteller und Branchenkenner warnen vor Handelsbarrieren und melden Zweifel an, dass tatsächlich die Konkurrenz aus China Schuld am schlechten Zustand der europäischen Photovoltaikindustrie ist. „Die tatsächlichen Produktionskosten auch in Deutschland sind durch die staatliche Förderung verzerrt und stellten nicht die wahren Marktkosten dar“, sagt Wolfgang Hummel vom Zentrum für Solarmarktforschung in Berlin gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Auch seien massive Preisrückgänge kein Einzelfall und nicht zwangsläufig mit wettbewerbswidrigen Subventionen zu erklären.“ Sogar aus den USA kommen kritische Stimmen. „Die komplette weltweite Solarindustrie hat von dem starken Rückgang der Solarzellenpreise profitiert, darunter Hersteller, Lieferanten, Installateure und Kunden“, heißt es in der Stellungnahme der Coalition for Affordable Solar Energy (CASE). Sie ist eine Initiative, in der sich die Gegner von Importzöllen in den USA gegen chinesische Modulimporte zusammengetan haben. „Der künftige Erfolg unserer Industrie hängt davon ab, ob wir die Wirtschaftlichkeit der Solarenergie weiter verbessern können”, betont CASE. “Stellvertretend für zehntausende Arbeitnehmer in der US-Solarindustrie sind wir sehr unglücklich über den unnötigen und destruktiven Schritt von Solar World. Wir fordern die EU auf, den Antrag abzulehnen.“ (Sven Ullrich)