Es sorgt wie in den letzten Jahren schon mal bei der Solarenergie, mal bei der Bioenergie, mal bei der Offshore-Windenergie und mal bei der Windenergie an Land nun wieder bei der Offshore-Windkraft für Unsicherheiten. Und die Methode „Unfall“ bewirkt, dass keiner der Akteure oder politischen Unterstützer der Branche so recht weiß, ob die vermeintlich nur in Randbereichen des Branchengeschäfts neu platzierten Hürden hingenommen werden müssen oder nicht. Jeden Widerstand und jede politische Diskussion soll diese Methode im Keim verhindern.
Doch, um zum besseren Verständnis von vorne anzufangen: Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat dem Bundesamt für Seeschifffahrt (BSH) mitgeteilt, der Genehmigungsbehörde für Deutschlands Offshore-Windparks, dass sie die Netzanschlüsse für besonders küstenferne Projekte nicht mehr planen wird. Sonst würde sie dem von der Bundesregierung gewünschten Ausbauziel von 6,5 Gigawatt (GW) Offshore-Windkraft im Jahr 2020 und 15 GW im Jahr 2030 entgegen wirken. Denn die bereits genehmigten Projekte in deutscher Nord- und Ostsee reichen theoretisch jetzt schon aus, um das 15-GW-Ziel zu schaffen. Die BNetzA will einer Übererfüllung des Ziels der Bundesregierung aber nicht Vorschub leisten.
Schreiben des BSH vorausgegangen
Das BSH hat daraufhin an diejenigen Offshore-Projektierer geschrieben, deren geplante Windfelder sich in so genannten „küstenfernen“ Regionen jenseits einer Grenze von 100 Kilometer Distanz zum Land befinden. Diese Planungen haben mit Ausnahme eines Sonderfalls bislang noch keine Genehmigungen erhalten. Das BSH teilte den Projektierern nun mit, es werde die Genehmigungsverfahren nicht mehr vorantreiben. Es argumentiert zudem im Einklang mit der BNetzA, die Anbindung der küstenfernen Windparks werde ohnehin zu teuer und könnten daher aus volkswirtschaftlicher Sicht den deutschen Stromkunden nicht zugemutet werden. Denn bislang übernehmen die Ausbaukosten der Energiewende regelmäßig stets die Stromkunden über beispielsweise Strompreiserhöhungen durch sogenannte Umlagen. Mit diesen immer wieder genehmigten Kosten-Rückholaktionen dürfen Netzbetreiber und Stromversorger ihre Ausgaben für die Bewältigung der Energiewende regelmäßig von den Stromkunden nach staatlich festgelegten Schlüsseln zurückverlangen – und können dabei weitgehend den Preiswettbewerb auf dem Strommarkt umgehen.
Die Offshore-Branche hat in Person einiger Lobbyvertreter wie der Berliner Stiftung Offshore bereits widersprochen. Manche Projektierer überlegen sich nun rechtliche Schritte, ist aus Berichten regionaler Tageszeitungen aus den Küstenregionen bereits zu lesen. Nebenbei bemerkt: Ohne über juristische Chancen etwas aussagen zu wollen, wäre dies aus politischen Gründen dringend geboten.
Breiter Branchenprotest wäre nötig
Aber darüber hinaus müsste die Erneuerbaren-Branche – zumindest die gesamte Windkraftszene – konzertiert grundsätzlich gegen die wie stets verhuschte und unehrliche Energiepolitik Angela Merkels Dauerregierung den Protest laut werden lassen.
Warum? Die Frage lässt sich nur schlaglichtartig beleuchten, weil die Regierung von Bundeskanzlerin Merkel eben auf Unfälle statt Einfälle setzt. Man erinnere sich an die Energiewende in Folge der Atomreaktorkatastrophe im japanischen Fukushima, aber auch an die EEG-Reform 2014 infolge einer ganz plötzlich explodierenden EEG-Umlage. Eine Debatte ohne wirklich an der Sache argumentierendes Gegenüber ist auch für die Erneuerbaren-Szene schwierig.
Energiewende: Regierung kappt sie von den Rändern her
Doch auch mit Schlaglichtern auf einige Missstände lässt sich gut begründen, warum nun Widerstand grundsätzlich geäußert werden muss, statt einen Konsens mit einem als (durchaus bösartigen) Pudding auftretenden Gegenüber zu suchen. Um nur die Vorkommnisse nach Verabschiedung des EEG heranzuziehen:
- Die Bundesregierung hat im EEG bei Offshore-Windkraft anders als bei Windkraft an Land einen Ausbau auf 6,5 GW installierte Leistung als Ziel benannt, aber nichts von Maßnahmen bei einem Überschreiten des Ziels festgehalten. Doch nun scheinen BNetzA und BSH plötzlich zu entdecken, dass sie von sich aus tätig werden müssen, um der Bundesregierung beim Steuern des Offshore-Windenergieausbaus helfen müssen.
- Die Bundesregierung hat den Einklang des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Netzausbau zum Grundsatz erklärt. Doch immer noch dürfen bisher als gewiss eingestufte Zusagen des Netzausbaus ins Wanken geraten – so wie beim Offhore-Windpark Nördlicher Grund. Der hat jetzt die Nachricht erhalten, für ihn sei kein Platz mehr, nachdem die Netzstation Sylwin bereits mit drei anderen Windparks ausgelastet wurde. Eine weitere Umspannstation zum Transport des Meereswindstroms an Land plant die Netzagentur aber nicht.
- Über volkswirtschaftliche Kosten der Netzanbindung der Offshore-Windenergie darf von staatlichen Institutionen philosophiert werden. Über volkswirtschaftliche Kosten der weiter betriebenen Kohlekraft, des fehlenden Netzausbaus in Süddeutschland gegen den Widerstand konservativer Landespolitiker, oder über den Sinn des Umlagesystems beim Netzausbau aber nicht. Hier wäre ja etwa die jüngst vom Offshoreprojektierer Gunnar Passchier gegebene Anregung einer Teilfinanzierung der Netzanschlüsse durch die Projektierer selbst durchaus diskussionswürdig.
- Die von Gabriel nach langem Drängen seiner Kritiker vor Monaten gemachte Aussage, ältere und weniger klimafreundliche Kohlekraftwerke sollten in ihrer Erzeugung allmählich heruntergefahren werden, darf von einigen von der Leine gelassenen Unionspolitikern derzeit öffentlich desavouiert werden.
- Der Betrieb von Gaskraftwerken als schnell reagierende Regelenergielieferanten für immer höhere Anteile fluktuierenden Grünstroms im Netz aus Wind- und Solarparks lohnt nicht mehr. Jetzt drohen teure neue Kraftwerke endgültig vom Netz zu gehen, weil der Strompreis an der Börse für sie zu niedrig ist. Die Bundesregierung kümmert sich derweil nicht einmal um die Debatte übereifriger Politiker, die wohl zu sehr nach dem Glanz der richtig eingenordeten Außenpolitik streben: Diese drängen auf einen raschen Ausstieg nun sogar aus der Gasverstromung, weil Deutschland nur so vom derzeit als Gegner empfundenen Lieferland Russland unabhängig werden könne. Doch die Bundesregierung macht gar keine Anstalten, Geld für irgendeine Umgestaltung des Energiesystems geschweige denn für Speicher und sonstigen Ersatz für Gaskraftwerke in Aussicht zu stellen.
Kurz: Die Bundesregierung lässt die Energiewende so gegen die Wand fahren. Die Branche beruhigt sie damit, dass weiterhin und immer wieder viel zu verdienen ist. Gleichwohl kappt sie die Energiewende an ihren Rändern, lässt jetzt ganz aktuell kleinere Offshore-Projektierer hinten runter fallen. Dann lässt sie durch das EEG die Bürgerenergiegenossenschaften oder kleinere Stadtwerke aus der Windenergie an Land ausschließen. Die ohnehin nicht mehr so laute Bioenergieszene kommt derzeit mit ihren Wärmekonzepten ohnehin nicht mehr laut zu Wort.
Der Unfall hat offenbar Methode.
(Tilman Weber)