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Photovoltaik in Deutschland

Altmaier will Solarbranche helfen

Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat sich bei der Vorstellung seines politischen Programms deutlich gemacht, dass er der kriselnden deutschen Solarstrombranche unter die Arme greifen will. „Die Photovoltaik liegt mir sehr sehr am Herzen, unabhängig von den notwendigen Kürzungen der Fördermittel“, sagte Altmaier gestern vor der Bundespressekonferenz. „Die Photovoltaik hat von allen erneuerbaren Energieformen langfristig vermutlich das meiste Potenzial“, so Altmaier weiter. „Und deshalb liegt mir daran, dass wir auch als Wirtschaftsstandort Deutschland nicht aus dieser Entwicklung ausscheiden, sondern dass wir einen wettbewerbs- und marktfähigen Kern von Solarwirtschaft in Deutschland erhalten können.“

Altmaier: „Die Blockade muss durchbrochen werden“

Wie er das angesichts der Verunsicherung in der deutschen Solarbranche zu erreichen gedenkt, will er noch vor der Sommerpause klar stellen. Bis dahin erarbeitet das Bundesumweltministerium (BMU) einen Zehn-Punkte-Plan, in dem alle noch in dieser Legislaturperiode zu realisierenden Vorhaben aufgelistet werden. Ein Punkt davon wird auch die Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland betreffen. Doch schon jetzt ist ihm klar: „Die Blockade muss durchbrochen werden“. Mit der Ankündigung, die Regierung könne beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) noch etwas ändern, gibt er der Photovoltaikbranche Hoffnung mit auf den Weg, dass es zu Nachbesserungen im aktuellen Gesetzgebungsverfahren kommen könnte. Auch will er die Rangeleien, die es zwischen seinem Vorgänger Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bei der Kürzung der Solarstromförderung gab, von vorn herein durch enge Absprachen vermeiden.

Hängepartie geht vorerst weiter

Ob der Photovoltaikbranche diese Ankündigung noch etwas nützt, bleibt zu hoffen. Bisher ist viel Porzellan zu Bruch gegangen und die Hängepartie geht weiter. Was die Industrie und die Handwerker aber brauchen, ist Rechtssicherheit, um Investoren wieder für Solarstromanlagen begeistern zu können. Doch genau die gibt es bis zur endgültigen Verabschiedung der auf den Weg gebrachten EEG-Novelle nicht. So befürchtet man, dass noch weitere Arbeitsplätze in der Branche verloren gehen, wenn es nicht bald zu einer Einigung kommt. So hat der insolvente Modulhersteller Inventux in Berlin etwa ein Viertel seiner Mitarbeiter entlassen. Auch die 260 Beschäftigten von Odersun in Frankfurt an der Oder müssen heute den Gang zum Arbeitsamt antreten, nachdem die Investorensuche bis zum Ende der dreimonatigen Insolvenzzeit gescheitert ist. Der Bundesverband für Solarwirtschaft (BSW-Solar) schätzt, dass schon jetzt insgesamt etwa 10.000 Jobs in der gesamten Branche gestrichen wurden. Als Grund nennt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar das „vergiftete Investitionsklima“.

Großteil der Branche nicht von chinesischer Konkurrenz betroffen

Genau darin sieht auch der Geschäftsführer der Relatio Gruppe Bernd Bodmer den Grund des derzeitigen Übels. „Schuld an der Misere sind nicht die viel zitierten chinesischen Module, sondern deutsche Politiker“, sagt er. Schließlich seien in erster Linie die deutschen Zellenhersteller von der asiatischen Konkurrenz betroffen und nicht die gesamte Branche. „Mehr als 70 Prozent der Wertschöpfung, die zur Installation einer Photovoltaikanlage notwendig sind, stammen trotz asiatischer Module aus Deutschland, egal ob Endmontage, Stahl-, Kupfer- oder Wechselrichterbezug“, rechnet der Chef des Photovoltaiksystemintegrators aus dem schwäbischen Balingen vor. „Spezialisierte Mittelständler haben immer noch ihr Auskommen. Nicht zuletzt sind die deutschen Hersteller über Jahre hinweg überhaupt nicht in der Lage gewesen, die steigende Nachfrage zu erfüllen. Produziert wurde in Asien. Auch viele deutsche Firmen haben lieber in Fernost gebaut. Hier bleiben mussten vor ein paar Jahren Handwerker und Mittelstand.“

Teure Lagerbestände

Als Grund für die Insolvenzwelle bei den Modulproduzenten nennt Bodmer die großen Lagerbestände, auf denen die Hersteller sitzen bleiben, „wenn Schwarz-Gelb beispielsweise ohne Vorankündigung die EEG-Einspeisung nach unten treibt“. Durch eine daraus entstehende fehlende politische Sicherheit geht die Nachfrage und damit auch der Preis für die Ware zurück. „Der Wettbewerbsvorteil, den deutsche Modulhersteller durch die Marktnähe haben, kann nicht mehr greifen, weil schlichtweg keiner die Ware mehr abrufen will und die Hersteller darauf sitzen bleiben“, erklärt Bodmer. „Irgendwann müssen die Firmen diese Ware abschreiben, was bei stagnierendem Markt zu großen Verlusten führt. Diese Verluste enden für die Firmen in der Überschuldung, die nach deutschem Recht innerhalb von 21 Tagen gelöst werden muss. Sonst droht der Weg zum Insolvenzgericht, wenn man kein Eigenkapital mehr hat. Und genau darüber verfügen die Modulhersteller zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, wenn die eigene Regierung sie abschlachtet“, wettert der Relatio-Chef.

Im Gegensatz dazu können die chinesischen Modulhersteller können auf rapide Änderungen bei den Rahmenbedingungen marktintern zum einen durch vollstufige Produktion flexibler reagieren und sind zum anderen nicht von der deutschen Politik gesteuert. Im Gegenteil: Der chinesische Staat setzt durch Förderung und stabile Rahmenbedingungen alles daran, die Photovoltaik im eigenen Land zu behalten.

Bodmer setzt zwar große Hoffnungen in den neuen Umweltminister, doch „der mutmaßliche Hauptverursacher der Pleitewelle ist der Wirtschaftsminister, der kraft seines Amtes die Wirtschaft stärken sollte, anstatt ihr die Existenzgrundlage zu entziehen“, erklärt Bodmer. „Eigentlich hätte die Kanzlerin Röttgen und Rösler entlassen müssen.“ (Sven Ullrich)