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Thüringen

Kommunenwindkraft vorschreiben

„Wir wollen die Akzeptanz der Windenergie verbessern und wollen, dass Anwohner und Kommunen künftig direkt an den Erlösen neuer Windkraftanlagen beteiligt werden“, heißt es bereits im Koalitionsvertrag der ersten von einem Ministerpräsidenten der Partei Die Linke geführten Landeskoalition in Deutschland. Jetzt sagte die von den Grünen gestellte Umwelt- und Energieministerin Anja Siegesmund in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: Nur weniger als zehn Prozent der 727 Windkraftanlagen im Land seien aktuell im Besitz von Thüringer Firmen oder privaten Betreibern. „Das soll sich ändern. Dafür wollen wir Anreize setzen.“ Der gemeinte Klartext: Die Verdienste an der Windkraft sollen in der ganz großen Mehrheit nicht mehr überwiegend großen Projektierern und kapitalkräftigen Investoren aus anderen Regionen Deutschlands vorbehalten sein, sondern im Land verbleiben. Wörtlich erklärte Siegesmund auch: „Wir wollen, dass die Kommunen mit Beteiligung an Windkraftprojekten Geld verdienen können.“

Die neue Landesregierung in Erfurt will die durch Windkraft genutzte Fläche von 0,3 auf rund ein Prozent verdreifachen. Wiederum im Koalitionsvertrag heißt es, Rot-Rot-Grün werde zu diesem Zweck einen Windenergieerlass für die regionalen Planungsgemeinschaften schreiben, die Vorrangflächen für Windparks im Land in Abstimmung mit den Kommunen sowie über Offenlegungen der Pläne auch in Abstimmung mit Bürgern, Umwelt- und Interessengemeinschaften definieren. Außerdem werde die Regierung „Voraussetzungen für den Ausbau von Windkraftanlagen im Wald schaffen“. Dies galt unter der im Herbst 2014 abgewählten CDU-Regierung noch weitgehend als Tabu.

Das Thüringer Landeskabinett will indes nicht nur die Wertschöpfung im Land halten. Sie will vor ihrer Windenergiewende auch die Einbindung der Anwohner in den geplanten Ausbau absichern – und so schon jetzt vorhandene Widerstände gegen die Bautätigkeiten in Zustimmung ummünzen oder abschwächen. Wie genau, darüber ist die Koalition aber möglicherweise noch nicht ganz einig: Die von den Linken stammende neue Infrastrukturministerin Birgt Keller hofft die Akzeptanz bei den Bürgern durch Bürger-Energiegenossenschaften zu erhöhen. „Wir wollen, dass die Bürger selbst entscheiden, ob sie Windräder in ihrer Umgebung haben und davon partizipieren wollen", sagte Keller in einem Interview mit der Thüringer Landeszeitung. Sie will eine Diskussionsphase einläuten, in der die Politik oder die Windbranche mit den Bürgern feststellt, wo neue Windkraftanlagen erlaubt sein sollen und sinnvoll sind. Dabei scheint sie es zumindest erst einmal nicht eilig zu haben: „Für mich steht im Vordergrund, dass wir den Diskussionsprozess mit den Betroffenen führen. Und wenn das ein Jahr mehr in Anspruch nimmt, dann ist das eben so“, sagte sie der Landeszeitung.

Vorangestellte Diskussionsphase

Die Infrastrukturministerin, die Energieministerin und der Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee haben bereits vereinbart, mit Landkreisen, Städten, Dörfern, Vertretern von Umweltschutzverbänden, Bauernverband und Waldbesitzern zu diskutieren, wieviel Windkraftnutzung im Land tolerabel sein soll.

Als Pionier einer von der Politik gepushten Einbindung von Bürgern und vor allem Kommunen gilt in Deutschland einerseits das Land Baden-Württemberg – und andererseits das Ostsee-Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Das Grün-Rot regierte „BaWü“ hat die Kommunen mit einer neuen Planungsordnung eingebunden, in der die Gemeinden selbst anstelle der regionalen Planungsgemeinschaften ihre Windenergieflächen ausweisen. Mecklenburg-Vorpommern hingegen will mit einem Gesetz eine 20-prozentige Beteiligung der Kommunen und Bürger an neuen Windparks vorschreiben. Das Gesetz soll zumindest erreichen, dass die Windparkprojektierer mindestens 20 Prozent der Anteile an dem neuen Windturbinenfeld allen Kommunen und Bürgern im Umkreis von fünf Kilometern zum Kauf anbieten müssen, die Hälfte davon speziell an die Kommunen.

Rechtliche Bedenken

Eigentlich wollte die SPD-CDU-Koalition in Schwerin das Gesetz schon Anfang des Jahres eingebracht haben. Doch die Gesetzesinitiative lässt noch weiter auf sich warten.

Zumal es rechtliche Zweifel daran gibt. Der Leipziger Energierechtsexperte Martin Maslaton hält die Gesetzesinitiative für „verfassungsrechtlich höchst bedenklich“. Einerseits greife eine solche Regelung in das verfassungsmäßig geschützte Eigentumsrecht der Projektierer ein. Andererseits sei der gewählte Fünf-Kilometer-Radius zunächst willkürlich. Vor allem aber dürften sich die Kommunen nur an Energieprojekten beteiligen, wenn der Strom auch von den eigenen Einwohnern verbraucht werde. Eine reine Gewinnerzielungsabsicht sei hingegen „kein ausreichender öffentlicher Zweck“. Dies habe das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein bereits im Jahr 2013 festgestellt.

(Tilman Weber)