Nach zwei Jahren Bauzeit zerschnitt der niedersächsische Ministerpräsident Stefan Weil das symbolische rote Band vor einem Zugang zur größten der Testhallen im Testzentrum für Tragstrukturen Hannover (TTH). „Wind ist der Rohstoff des Nordens“, sagte Weil, und der müsse als Ressource genutzt werden - auch um Arbeitsplätze zu schaffen. Für die Finanzierung des Testzentrums hatten die Bundesregierung, die Europäische Union, die Universität Hannover sowie auch das Land Niedersachsen beigetragen.
Zu den schon weitgehend komplett errichteten Testeinrichtungen gehören eine Grundbauversuchsgrube für Tests der Standsicherheit im Meeresgrund, ein hydraulisches Spannfeld zum Simulieren von Zug- und Druckbelastungen etwa in den Stahlrohren sowie Labors unter anderem mit einer Resonanzprüfmaschine: Eine Anlage, die eine Materialermüdung der Substrukturen - wie die von den Meereswassermassen überdeckten und zig Meter hohen Fundamente im Fachjargon heißen - mit künstlichen Vibrationen wie im Zeitraffer herbeiführt und analysieren lässt.
„Sie werden weiter von uns hören, es wird viel sein, was uns noch einfällt“, sagte der Geschäftsführer des IWES, Andreas Reuter, in seiner Eröffnungsrede.
Hauptnutzer wird das IWES
Das IWES wird der Hauptnutzer der Großanlage, die gleichwohl im Besitz der Universität Hannover bleibt. Ein spezieller Nutzungsvertrag gewährleistet dem IWES, die Testeinrichtungen weitgehend zu belegen: ob mit eigenen Forschungsprojekten, ob für Kooperationen mit Industriepartnern oder ob mit vom Bund finanzierten Sammelforschungsprojekten unter Beteiligung mehrerer Entwicklungspartner wie Firmen und andere Forschungsinstitute. Dafür will das IWES zehn Mitarbeiter in dem TTH beschäftigen. Drei Mitarbeiter der Universität sowie ein halbes bis knapp ein Dutzend studentische Hilfskräfte werden zudem den Betrieb im Hintergrund stützen.
Vorerst wird das IWES an den Testständen die Offshore-Fundamente der Meereswindparks testen. Zudem werden die Forscher hier bestehende Computer-Formeln oder -Simulationsprogramme zum Berechnen der Tragfähigkeit von Substrukturen und deren Gründung im Sand überprüfen. Und dann Simulationsprogrammierung und Berechnungsregeln so lange anpassen, bis sie mit den Testergebnissen an den realen Komponenten übereinstimmen.
Es geht um Kosten, Kosten, Kosten
Grundlage für das Interesse der Branche daran und somit des künftig als Hauptförderer auftretenden Wirtschaftsministeriums ist der Kostendruck. Insbesondere die Meereswindkraft mit Erzeugungskosten von bis zu 15 Cent pro Kilowattstunde gilt als noch viel zu teuer. Doch die technologische Lernkurve reicht derzeit nicht für ein schnelles Abnehmen der Kapitalintensität der Offshore-Windparks aus. Seit dem Anschluss 2009 des deutschen Pilotwindparks in der Nordsee, Alpha Ventus, verharren die Baukosten pro installiertem Megawatt (MW) in guten, küstenfernen Windlagen auf vier Millionen Euro. Als eines von vielen Problemen gilt, dass bei Windenergie auf See anders als an Land sehr viele Industrien und Unternehmen gleichermaßen zu den Kosten beitragen. Somit bringen Kostensenkungen durch einen Akteur noch nicht unbedingt viel für die Gesamtkosten. Andererseits scheuen Investoren, Geldgeber und Versicherer neue Technologien oder Designs aufgrund generell hoher Verlustrisiken. Die Offshore-Fundamente gelten als eher einfache Komponenten, die aber für fast 20 Prozent der Kosten verantwortlich sind.
Deshalb hat der in Hannover gesetzte Schwerpunkt der Tragstrukturen-Entwicklungstests in der Windforschungslandschaft längst für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit den Tests wollen die IWES-Wissenschaftler der Industrie dazu verhelfen, mit neuen Fundamentedesigns näher an die Belastungsgrenzen zu gehen. Die Branche will leichtere Strukturen mit weniger kostentreibender Masse entwickeln. Und andererseits modularere oder einfacher transportable Designs. Denn möglicherweise lassen sich solche Fundamente schneller und mit weniger Aufwand am Meeresgrund installieren.
Erstes Testobjekt schon im Prüffeld
Zum Beispiel die neuartigen Fundament-Verankerungsschuhe, von denen eines schon an einem Kran über der Grundbauversuchsgrube hängt. Die Entwicklung der Firma Vallourec soll die Standfläche von Jacket-Fundamenten vergrößern, die künftig schmaler und damit leichter als bisherige Modelle ausfallen. Bei den Jackets handelt es sich um vierbeinige Rohr-Fachwerktürme für Wassertiefen von 30 oder mehr Metern. Mehrere Stahldübel sollen die Fundamentschuhe an den Meeresboden heften, in denen dann die Jacketstelzen stehen. Den ersten Prototyp will Vallourec nach einer sechs- bis neunmonatigen Testphase im TTH an der deutschen Nordseeküste installieren.
„Wir wollen so für die beschleunigte Markteinführung neuer Strukturen und derer Komponenten sorgen“, sagt der Leiter des neuen IWES-Bereichs Strukturkomponenten, Maik Wefer. Einen ersten Vibrationstest hat das IWES an Stahlproben in der Resonanzprüfmaschine im April begonnen. Ab Oktober werden die Tests an der Vallourec-Konstruktion sowie Versuche für Systeme zum Structural Health Monitoring (SHM) starten. Bei SHM handelt es sich um ein Verfahren, das die Haltbarkeit von Komponenten wie der Fundamentstruktur oder Knotenpunkten von Jacket-Fundamenten mittels Sensoren überwacht. Die IWES-Leute werden zum Beispiel reale Knoten der Substrukturen hinter den Kunststoffschichten zum Reißen bringen und mit Ultraschall oder durch andere Wellenemissionstechniken diese Zerstörung zu finden versuchen.
Ab 2015 weiterer Ausbau
Doch das TTH soll noch mehr können. Für 2015 ist ein Generator- und Umrichterteststand geplant. Und die IWES-Abteilung für Antriebststränge von Windkraftanlagen plant eine neun Millionen Euro teure Testanlage, die aber erst zum Ende des Jahrzehnts eine Chance hätte. Sie soll neue Pitchlager von bis zu fünf Metern Durchmesser für das künftig häufigere Verstellen der Rotorblätter in den Wind testen. Das ermöglicht eine lastärmere Fahrweise der Turbinen.
(Tilman Weber)