Tilman Weber
Es war ein Kabinettstückchen der energiepolitischen Ablenkungsrhetorik, wie es im Hause Altmaier zur Gewohnheit geworden ist: Der Bundeswirtschafts- und deutsche Energieminister legte einen Vorschlag aus seiner Behörde vor, den die Windenergiebranche und im Bundestag die politischen Verteidiger der Energiewende wiederholt auf die Platten der vielen runden Tische seit 2018 gelegt hatten. Um die Akzeptanz der Windkraft in Deutschland zu erhöhen, sollten die Investoren neuer Windparkprojekte den Kommunen am Standort der künftigen Energieanlagen mindestens 0,2 Cent der Einnahmen pro eingespeiste Kilowattstunde (kWh) als Abgabe zahlen. Die damit je nach Standort beziehungsweise Leistungsfähigkeit der Turbine variierenden Zahlungen würden sich auf einem Niveau von jährlich rund 20.000 Euro pro Anlage bewegen. Die Gemeinden sollten die Einnahmen zu frei gewählten eigenen Zwecken nutzen dürfen, was demokratischer Willensbildung in den Standortsiedlungen unterläge.
Altmaier-Vorschlag: Akzeptanz-Abgabe mit Bürgerstromfaktor
Der Vorschlag Peter Altmaiers verdoppelt hierdurch zwar die aus der Windbranche und von Energiewendepolitikern vorgeschlagene Abgaben-Höhe. So hatte zuletzt die Bundestagsfraktion der Umweltschutzpartei Bündnis 90/Die Grünen eine Abgabe in Höhe von 10.000 Euro pro Windrad benannt. Doch auch beim Bundesverband Windenergie (BWE) findet das neue ministerielle Konzept seine Zustimmung. Insbesondere, ein durchaus cleverer Kniff in dem Referentenentwurf stimmt den Interessenverband der Branche positiv: Die Abgabe soll nur die Hälfte betragen, wenn die Betreiberfirma des Windparks 80 besonders ausgestaltete Bürgerstrom-Verträge mit lokalen Stromkunden abschließen kann. Diese müssen die grüne regional erzeugte Elektrizität über einen preisgünstigen regionalen Bürgerstromtarif beziehen, der höchstens 90 Prozent des sonst üblichen Strompreises kosten darf. BWE-Präsident Hermann Albers lobte: Der Verband habe der Koalition schon Ende 2018 einen Vorschlag zur Beteiligung der Kommunen gemacht. Dieser habe ebenfalls Bürgerstrommodelle vorgesehen. „Wenn das Bundeswirtschaftsministerium die Vorschläge nun aufgreift, ist dies zu begrüßen.“
Nur, wie so oft zeigt sich CDU-Politiker Altmaier hier nicht in erster Linie als Minister, der seine fachlichen Aufgaben gemäß einer politischen Agenda der regierenden Koalition zu lösen versucht, sondern als ranghöchster Getreuer der Bundeskanzlerin Angela Merkel: ein Quasi-Kanzleramtsminister, der er früher auch tatsächlich schon einmal war. Im typischen Merkel-Politikstil manövriert Altmaier nach lang anhaltendem Versteckspiel – während dem die eigene Positionierung zu einer aufgeworfenen Reformidee unsichtbar bleibt – plötzlich mit einer schon lange vom politischen Gegner beworbenen Idee aus der Deckung. Auch typisch: Der Referentenentwurf mutet der Windbranche dann ein leicht höheres Opfer zu, als vorher diskutiert – was nicht zuletzt den eigenen windkraftkritischen Reihen den benötigten symbolischen Erfolg versprechen soll.
Minister und Kanzlerin taktieren parteipolitisch
Doch der typische Altmaier und Merkel erweisen sich leider wie auch in diesem Fall in schöner Regelmäßigkeit eben nicht als gestaltende Regierungspolitiker, sondern als in erster Linie ihrer windkraftkritischen und energiewendefeindlichen Partei dienende Taktierer. Denn erneut macht das Wirtschaftsministerium mit dem Referentenentwurf bloß einen tänzerischen Ausfallschritt mit einem Nebenprojekt aus der zwischen Windkraftbranche und Ministerium im vergangenen Herbst eigentlich schon fest vereinbarten Agenda zur Wiederbelebuung des Windparkausbaus. Eine Auflösung der Ausbaublockaden durch schnellere und entschlackte Umweltprüfverfahren, durch zeitlich befristete Klagewege für Anti-Windparkverfahren, durch eine flexible und dem Windkraftausbau dienende Regelung der Mindestabstände rings um Siedlungen oder durch eine gezielte Förderung von Bürgerwindparks und eine Reform der nicht mehr funktionierenden Ausschreibungen strebt Altmaier wohlweislich nicht an. Denn weiterhin gilt: Die CDU oder zumindest die offenbar die Partei fest kontrollierenden Anti-Energiewende-Parlamentarier in der Fraktion wollen den Ausbau verhindern. Sie halten an ihrer Erpressungsstrategie fest. Eine längst in der Koalition vereinbarte Aufhebung des nun erreichten Förderdeckels bei neuen Photovoltaikprojekten in Deutschland lässt die CDU nur zu, wenn zugleich die Einführung sehr strikter weiträumiger Tabuzonen rings um Siedlungen das Zustandekommen neuer Windparks weiträumig und damit fast gänzlich ausschließt.
CDU-Positionspapier zu Green Deal "vergisst" Energiewende
Wie ernst es die CDU mit der Energiewende meint – nein, so darf dieser Satz und damit das abschließende Fazit an dieser Stelle nicht eingeleitet werden. Um nicht in die Irre zu führen: Wie ernst es die CDU mit dem Rückbau der Energiewende meint, zeigt ein neues gemeinsames energiepolitisches Positionspapier ihrer Fraktion und der Fraktion ihrer bayerischen Schwester CSU. Es ist die christdemokratische Antwort auf die von der Kommissionspräsidentin der Europäischen Union (EU), Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU), propagierten EU-weiten klimafreundlichen Wirtschaftsförderpolitik namens „Green Deal“. Der Titel des 13-seitigen Positionspapiers ist so lang, wie es für die Ablenkung von den eigentlichen Klimaschutzzielen eben nötig ist: „Für einen „Green Deal“ – Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung mit wirtschaftlicher Erholung, Wettbewerbsfähigkeit, sozialer Ausgewogenheit und Stabilität verbinden“.
Das Papier muss für jeden Energiewende-Anhänger und Branchenvertreter aller Erneuerbare-Energien-Technologien als versteckte aber radikale Kampfansage verstanden werden. Kein einziges Mal tauchen die Worte Energiewende, Windenergie, Photovoltaik, Bioenergie auf. Selbst abweichende Andeutungen eines Bewusstseins kommen nicht vor, wonach Klimaschutz mit Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen verbunden sein müsste: Denn auch die Worte „Wind“, „Photovoltaik“, „solar“ oder „Sonne“ sind Fehlanzeige – das Wort „Bio“ als energiebezogene Vorsilbe kommt einzig für die Erwähnung von Biokraftstoffen vor.
Versteckspiel hinter Corona-Schatten
Was das mit Corona zu tun hat: Nun, es ist ein Versteckspiel hinter dem großen Schatten, den die auf Seuchenbekämpfung fokussierte Gesellschaft derzeit auf fast alle anderen Themen wirft. Die gesamtgesellschaftlich herunter gefahrene politische Auseinandersetzung ist hier das Signal für die Energiewendegegner, während politische Talkshows im Fernsehen wochenlang kein anderes Thema als Corona mehr senden. So enthält auch das Positionspapier der CDU/CSU bezeichnenderweise allein 13 Mal das Wort Corona.
Das Aushungern der Energiewende geht also weiter. Die CDU-Politiker und insbesondere Minister Peter Altmaier belassen es bei der Dauer-Vorbereitung dringender Reformen allein im So-Tun-Als-Ob-Modus. Um dann immer neu auf Nebenschauplätzen in der vereinbarten Windenergie-Reform-Agenda etwas vorzulegen. Und die Corona-Pandemie hilft jetzt dabei, dass es kaum noch auffällt. Selbst ein die Energiewende endgültig und komplett vergessendes Positionspapier zum Klimawandel erregt so kein großes Aufsehen.
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