Die Europäische Kommission hat entschieden, ein Antisubventionsverfahren gegen chinesische Photovoltaikimporte einzuleiten. Nachdem die Kommission bereits am 6. September dieses Jahres ein Antidumpingverfahren eingeleitet hat, weitet sie jetzt die Untersuchung der unfairen Handelspraktiken aus. Sie folgt damit dem Beispiel der USA, wo die für den Außenhandel zuständige Behörde (International Trade Commission - ITC) gerade die bisherigen Antidumping- und Ausgleichszölle in der vom Handelsministerium beschlossenen Höhe bestätigt hat.
„Unzulässige Handelspraktiken ans Licht gebracht“
Bei den Klägern stößt die Entscheidung auf Zustimmung. „Damit werden die unzulässigen Handelspraktiken Chinas ans Licht gebracht“, sagt Milan Nitschke, Präsident von EU Pro Sun. Die Organisation mit Sitz in Brüssel vertritt als Plattform die Interessen der europäischen Kläger. „Die Volksrepublik stattet ihre Solarunternehmen seit Jahren mit milliardenschweren Exportsubventionen aus und hat damit schon etliche europäische Solarhersteller aus dem Markt gedrängt“, erklärt Nitschke weiter. Laut EU Pro Sun betrage die chinesische Produktionskapazität das 20fache der inländischen Nachfrage und das Doppelte der weltweiten Nachfrage. „Mit Subventionen und Staatskrediten im Rücken bieten chinesische Solarunternehmen ihre Produkte in Europa bis zu 50 Prozent unter den eigenen Herstellungskosten an“, schreibt EU Pro Sun in einer Presseerklärung.
Peking sieht nicht untätig zu
Kritiker warnen indes weiter vor einem bevorstehenden Handelskrieg. Schließlich sieht Peking nicht untätig zu, wie seinen Solarunternehmen ihr größter Absatzmarkt abgeriegelt wird. So hat sich China schon bei der Welthandelsorganisation über die Bevorzugung von einheimischen Produkten bei der Einspeisevergütung in Griechenland und Italien beschwert. Dies stehe nicht im Einklang mit dem GATT-Abkommen von 1994. Außerdem versucht Peking, die Lieferanten von Rohmaterialien für den Vorstoß der Solarbranche abzustrafen. Das chinesische Handelsministerium hat bereits eine Antidumpinguntersuchung gegen Importe von Polysilizium aus den USA, aus Südkorea und aus der EU angekündigt. Lu Jinbiao, stellvertretender Geschäftsführer von China Silicon, einem der klagenden Unternehmen, behauptet, ein nicht deutsches Unternehmen habe Subventionen in Höhe von 400 Millionen Euro und Vorzugskredite in Höhe von 850 Millionen Euro erhalten. Außerdem ist nach Angaben des chinesischen Verbandes für Nichteisen-Metallindustrie die Polysiliziumproduktion in China in diesem Jahr um 25 Prozent zurückgegangen, während die Importe um 30 Prozent angestiegen. Insgesamt hat das Reich der Mitte im ersten Halbjahr 2012 über 9.300 Tonnen Polysilizium allein aus der EU importiert, ein Wachstum um 30,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
„Der Handelsstreit ist ernst“
Hersteller wie Wacker in Deutschland, Hemlock Semiconductor (HSC) in den USA, der norwegischen Konzern REC, der sein Polysilizium in Moses Lake, Washington und Butte, Montana herstellt, sowie der südkoreanischen Chemiekonzern OCI wären direkt und hart davon betroffen. Schließlich ist China der mit Abstand größte Absatzmarkt. „Der Handelsstreit ist ernst und könnte Auswirkungen auf die Möglichkeiten für Hemlock Semiconductor haben, Materialien nach China – unserem größten Markt – zu verkaufen, wenn die chinesische Regierung Strafzölle auf in den USA hergestelltes und in China verkauftes Polysilizium verhängt“, sagt Robert Hansen, Vorstandsvorsitzender von Dow Corning, dem Mehrheitseigner von HSC. Angesichts der niedrigen Preise für Polysilizium stehen die Unternehmen ohnehin stark unter Druck.
China als Markt nicht unterschätzen
„Die Entwicklung zeigt, dass der von Solar World und einigen anderen europäischen Solarfirmen angezettelte Handelskrieg unkontrollierbar ausufern kann, der auch Sand ins Getriebe der globalen Energiewende bringen kann“, wart Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. „Es bleibt zu hoffen, dass die Kommission die Klage abwehrt und sich stattdessen aktiv für einen besseren Marktzugang nach China einsetzt und ein Industrieprogramm für die europäische Solarindustrie auf die Beine stellt. Europäische Strafzölle würden die Zugänge für europäische Solarfirmen auf dem chinesischen Markt nur weiter erschweren und die Branche noch weiter unter Druck bringen.“ Und dieser Markt ist in Zukunft nicht zu unterschätzen. Immerhin ist China auf dem Weg, in diesem Jahr nach Europa zum zweitgrößten Photovoltaikmarkt aufzusteigen. Im Reich der Mitte gingen in den ersten neun Monaten dieses Jahres Solarstromanlagen mit einer Gesamtleistung von 2,71 Gigawatt ans Netz, wie die staatliche Stromregulierungsbehörde (SERC) meldet. Das ist im Vergleich zum Vorjahr, als der Zubau nur 525 Megawatt betrug, ein Zuwachs von 416 Prozent. Damit liegt China derzeit deutlich vor den USA. (Sven Ullrich)