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Forschung

IWES lotet physikalische Grenzen der Windkraft neu aus

„Es herrscht in den Entwicklungsabteilungen und bei Investoren ein großes Interesse an der Optimierung der Technologie und daran, zu Gunsten von mehr Ertragssicherheit in die Zukunft zu gucken“, sagt Claus Kupferschmidt. Der Leiter des Forschungsprojekts DegradO (Degradation von Offshore-Windenergieanlagen) am Fraunhofer-Institut für Windenergie- und Energiesystemtechnik (IWES) sieht den Zeitpunkt des Projektstarts von DegradO im Jahr 2012 als folgerichtig: „Es gab zu diesem Zeitpunkt verstärkt den Wunsch, die Zuverlässigkeit und der Technologie mehr in den Fokus zu rücken und die Kostenreduzierung bei der Stromgewinnung zu beschleunigen.“ Richtig ist: In den ein bis zwei Jahren davor starteten viele Turbinenbauer auch eine Automatisierung ihrer Fertigungsstraßen. Sie wollen damit die Industrialisierung vorantreiben, um durch schnelleren Ausstoß die Kosten zu senken und dabei die Qualität der Fertigung zu verstetigen.

DegradO ist eines von drei IWES-Projekten, die allesamt 2012 gestartet sind und in denen das IWES an eigens neu entwickelten Belastungstestständen die physikalischen Grunddaten der Anlagenkonstrukteure überprüfen. In längeren Messkampagnen sollen DegradO und zwei weitere Projekte mit ähnlich auffälligen Schreibweisen wie BeBen XXL und INFLOW-Noise viel realitätsnähere Daten als Grundlage der Konstruktionsprogramme erbringen, als sie bisher vorlagen. Während Inflow-Noise die Konstruktionsprogramme zu den bisher für die Schallentwicklung als wichtig erachteten vorderen Profilen der Rotorblätter verbessern soll, Be Ben XXL auf Gewichtsreduktion großer Komponenten im Maschinenhaus wie der Hauptwelle zielt – geht Kupferschmidts Projekt noch grundlegender die Ermüdung des Stahls von Tragstrukturen als Grundmaterial der Anlagen an. DegradO soll dazu führen, dass die Windkraftindustrie künftig die Verschlechterung der Materialeigenschaften bei Offshore-Anlagen im Detail berechnen und voraussehen kann.

Alterungsprozesse verstehen

Genauer: Die Forscher wollen verstehen, wie der Alterungsprozess des Stahls der Offshore-Windenergieanlagen voranschreitet. Dazu gehört bei den Meereswindenergieanlagen als Besonderheit die Korrosion der Anlagenkomponenten: „Wie hängt die Ermüdung mit der Korrosion zusammen?“, fragt Projektleiter Claus Kupferschmidt.

So lagerten die Projektpartner – dazu gehören neben dem IWES beispielsweise die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und das Institut für Werkstoffkunde und Schweißtechnik Service GmbH (IWS) – Stahlproben auf Sylt aus, um sie der korrosiven Umgebung der Nordsee auszusetzen.  In einer sogenannten servohydraulischen Universalprüfmaschine setzte das IWES dann solche bewitterten Stahlproben sowie zum Vergleich unbewitterte Stahlproben (sog. Nullproben) den Ermüdungs-Belastungstests aus. Außerdem gehört zur Testanordnung eine zusätzliche künstliche Alterung in einer eigens gebauten Klimakammer: Die Forscher setzen die Stahlproben einem zum Standort im Meer passenden Salzwassernebel aus, einer UV-Strahlung zur Simulation der Sonneneinwirkung sowie einer künstlichen Kondensation. Wir wollen sehr genau die Verschränkung von Korrosion und Ermüdung nachbilden. Dies soll Erkenntnisse darüber liefern, wie die Bauteile zum Schutz künftig beschichtet werden müssen“, sagt Kupferschmidt.

Risse im Röntgenblick

Die für Risse besonders anfälligen Schweißnähte in den Windenergieanlagen stehen dabei im Mittelpunkt der Tests: Mit einem Rasterelektronenmikroskop und röntgenbasierten Verfahren beobachten die IWES-Forscher, wie auf atomarer Ebene sich Risse bilden, wann und wie schnell. „Ein wichtiges Ziel daraus wird der Aufbau einer Materialdatenbank sein, um über Schadensmuster für jedes Material die Korrelation von Ermüdung und Umweltbedingungen abzubilden“, sagt Kupferschmidt.Ein noch zusätzlich geplanter Teststand aus servohydraulischer Prüfmaschine und integrierbarer Klimakammer wird in DegradO derzeit errichtet: Das Ziel der Forscher ist der Aufbau eines maritimen Umweltlabors, in dem die Proben bei unterschiedlichem Klima bis hin zu extremen Kältesituationen geprüft werden sollen.

Zum Forschungsprojekt gehört indes als zweiter Teil auch noch ein Teststand für Ölsensorik. Dieser wird erst im November den Betrieb aufnehmen. Dort experimentieren die IWES-Forscher mit Ölsensoren, wie sie die Branche zur automatischen Anlagenüberwachung einsetzt. Diese sogenannten Condition Monitoring Systeme (CMS) überwachen die Schmierung der Getriebe. Sie zählen entweder den Abrieb kleinster Metallpartikel aus den Getriebezahnräder oder messen, wie viel Feuchtigkeit ins Öl eingedrungen ist und ob das Öl noch genügend Schmiereigenschaften besitzt. Dies erlaubt letztlich die benötigten Rückschlüsse, die auf den Zustand der Turbine schließen lassen. Damit lässt sich letztlich Ausfällen, die sich andeuten und auf hoher See nicht kurzfristig und häufig behoben werden sollten, rechtzeitig vorbeugen

(Tilman Weber)

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