Es war dem portugiesischen Energiestaatssekretär Artur Trindade vorbehalten gleich in der Eröffnungspressekonferenz die Richtung vorzugeben: Die EU müsse als nächstes gemeinsames und verpflichtendes Ziel ihrer Energiewende für alle Mitgliedsstaaten einen Erneuerbaren-Anteil an der Stromversorgung von 40 Prozent im Jahr 2030 vorschreiben. Angst müsse in Europa hingegen niemand haben, betonte Trindade. Portugal habe zuletzt alleine einen Windstromanteil von 19 Prozent erreicht. Mit der rhetorischen Frage „Was passierte dann?“ gab sich Trindade die Vorlage für sein Argument: „Nichts passierte. Die Technologie beweist also, dass hohe Anteile an der Stromversorgung erstmal kein Problem sind und keine Schwierigkeit.“ Auch für die Energiekosten wirke sich ein hoher Windstromanteil nicht besonders negativ aus, betonte Trindade. „Die erneuerbaren Energien zu nutzen macht auch in Bezug auf die Kosten Sinn – sogar in einem Land, das Erdgas fördert“, verwies er auf die Lehre aus Portugal, das ein Erdgasförderland ist.
Auch die Geschäftsführerin der internationalen Energieagentur IEA, Maria van der Hoeven, bekannte sich zu weiteren Fortschritten beim Energiewandel. Die Welt komme nicht ohne erneuerbare Energien aus, der Energiesektor komme nicht ohne die Regenerativen aus, betonte Van der Hoeven. Wind sei dabei sehr wichtig. Die Technologie dieser Erzeugungsart habe Vorteile, aber als Hürden erwiesen sich aktuell vor allem ihre Kosten und fehlende Stromleitungen zur Verbindung der nationalen Netze über Grenzen hinweg.
"Interkonnektoren das alles Entscheidende"
Van der Hoeven schlug vor, die EU könne entweder neue Zwischenziele für die Umgestaltung der Energieversorgung vorgeben, die dann in nationale Maßnahmen umgesetzt werden. Genauso denkbar sei auch, dass die Einzelstaaten sich alle selbst Energiewendeziele setzten. Dabei sei von den vier denkbaren Zielen mehr Anteil erneuerbarer Energien, Reduktion des CO2-Ausstoßes, mehr Energieeffizienz und mehr grenzüberschreitende Stromleitungen die Frage dieser Stromleitungen entscheidend. Mit solchen Interkonnektoren erst könne sich ein funktionierender Stromhandel entfalten. Dann werden marktwirtschaftliche Mechanismen zur Verbilligung auch des Windstroms führen können, lautet demnach ihr Argument. Allerdings liege die Entwicklung in Europa bei den Interkonnektoren inzwischen weit hinter früheren EU-Zielen. Auch der portugiesische Energiestaatssekretär pflichtete ihr bei, dass Interkonnektoren enorm wichtig seien. Für ein europäisches Energiesystem der Zukunft müsse sein Land „aufhören, als Portugal zu denken“, erklärte Trindade. Statt zu überlegen wie im Land bestimmte konventionelle Kraftwerkskapazitäten oder Speicher fluktuierenden Grünstrom ergänzen können, müsse das gesamte Stromnetz in Europa einbezogen werden.
Zu gewagten historischen und politischen Vergleichen griffen derweil einzelne Redner der Eröffnungsveranstaltung. So betonte der Präsident der Europäischen Windenergieorganisation EWEA, Andrew Garrad, Windenergie erweise sich jetzt als wichtig für die Sicherheit der Energieversorgung in Europa. Mit Verweis auf die politischen Spannung mit Deutschlands Gaslieferland Russland um die Zukunft der Ukraine, sagte Garrad: „Putin kann keinen Windenergiehahn zudrehen“ – anders als den Gashahn für die Lieferungen nach Deutschland. Der Geschäftsführer des international an Marktanteilen erneut weiter aufgerückten und größten deutschen Windturbinenherstellers Enercon kritisierte die Situation der Windenergie im einstmaligen Vorreiterland Spanien. Dort hat die Regierung die Unterstützung für Windkraft weitgehend eingestellt. „Reißen Sie die Mauern in ihrem Land und in ihren Köpfen“ für die Erneuerbaren ein, sagte Hans-Dieter Kettwig an die Adresse der Regierung in Madrid.
(Tilman Weber)