Bis 2050, so teilte das vom Grünenpolitiker Stefan Wenzel geführte Umweltministerium am Dienstag mit, solle die Branche die niedersächsische Windkraft von heute mehr als 7,8 auf dann 20 Gigawatt (GW) ausbauen können. Dafür, so sieht es der Entwurf des Erlasses vor, sollten dann 1,4 Prozent der Landesfläche mit den Windparks belegt sein. Das wären nur 0,4 Prozentpunkte mehr als es der heutigen Windkrafterzeugung vorbehalten ist. Niedersachsen ist indes ohnehin das Bundesland mit der größten installierten Gesamtkapazität.
Damit freilich die Windenergieanlagen nur noch 40 Prozent mehr Landschaft verbrauchen als heute, bedient sich das Ministerium mit dem Erlass einiger Annahmen und Tricks: So soll der Abstand von Windenergieanlagen zur nächsten Wohnsiedlung nur das Zwei- bis Dreifache der Gesamtanlagenhöhe betragen müssen. Das bedeutet zwar für manche Anwohner einen Abstand von mitunter nur noch 300 Metern. Es ist aber nicht direkt wie in der Regionalzeitung Neue Osnabrücker Zeitung schon kommentiert mit der in Bayern durchgesetzten 10-H-Regelung zu vergleichen. In dem süddeutschen Freistaat dürfen neue Windparks nach einem Erlass seit Sommer nur noch in einem Mindestabstand zu Siedlungen gemäß übereinstimmenden Brancheneinschätzungen von zwei Kilometern installiert werden. Die Regelung in Bayern schreibt nämlich die Zehnfache Höhe (10-H) der Anlage vor – wobei die Experten von für das Binnenland notwendigen 200 Metern Gesamthöhe der Anlagen ausgehen. Gleichartige neue Windturbinen müssten in Niedersachsen künftig also 400 bis eher 600 Meter Distanz bewahren.
Hinzu kommt, dass das Umweltministerium im Erlassentwurf ein Szenario von 4.000 neuen besonders großen Windenergieanlagen mit fünf Megawatt (MW) Leistung vorausschickt. Diese Windradgröße kommt bislang vor allem als Offshore-Version auf See zum Einsatz. Heutige Großrotoren an Land mit 200 Meter Gesamthöhe haben hingegen noch drei MW Nennleistung. Die künftigen 5-MW-Riesen dürften dann im Einzelfall noch etwas höher sein und den Mindestabstand auf eher 650 Meter vergrößern.
Landesregierung stellt sich auf Widerstand ein
Freilich weiß die Landesregierung laut der Staatssekretärin Almut Kottwitz, dass die neue Zielsetzung „nicht überall auf Begeisterung stoßen wird“. Aber „die Windenergie als kostengünstige, etablierte und klimafreundliche Technologie“ bilde „das Kernstück der Energiewende im Stromsektor“ für die Landesregierung, erklärte Almut Kottwitz.
Den Kommunen will die Regierung die Auseinandersetzung um den Ausbau indes damit vereinfachen, dass sie ihnen vorgibt, dafür grundsätzlich nur acht Prozent der für Windkraft in Frage kommenden Flächen ausweisen zu müssen.
Der Windenergieerlass geht so von einem besonders schnellen Ausbau bis 2020 und einer dann offenbar deutlich verlangsamten Installationsphase in den folgenden 30 Jahren aus. Dabei war die rot-grüne Koalition im Frühjahr noch von einem Bedarf an Landesfläche von 1,8 Prozent ausgegangen und schätzt diesen nun optimistisch offenbar als deutlich geringer ein. Von einem ebenfalls im Frühjahr angekündigten Landesklimaschutzgesetz war in der jetzigen Ankündigung der Landesregierung nicht mehr die Rede. Zugleich will Hannover ganz ohne Waldflächen auskommen, die aus Naturschutz- und forstwirtschaftlichen Gründen tabu bleiben sollen.
In einem Gesprächsforum mit Umwelt- sowie kommunalen Spitzenverbänden, mit Vertretern der Wissenschaft und der Windenergiebranche will das Kabinett den Erlass noch diskutieren und verfeinern lassen. Zum Ende des Jahres plant Rot-Grün dann die Verabschiedung durch die Regierung. Einen runden Tisch mit 50 Teilnehmern namens Energiewende hat die Landesregierung bereits zusätzlich einberufen. An ihm will sie von 2015 bis 2016 weitere Energiewendeszenarien für 2050 entwerfen lassen
Erlass kein Gesetz aber "deutlicher Fingerzeig"
Allerdings ist ein Erlass kein Gesetz, weshalb die Landesregierung wie sie selbst einräumt damit den genehmigenden Behörden „keine verbindlichen Vorgaben machen“ kann. Das dafür rechtlich allein wirksame Landesraumordnungsprogramm, so räumt das Umweltministerium ein, sei nur in einem aufwändigen Änderungsverfahren an den Windenergieerlass anpassbar. . Das Kabinett habe deshalb zwar dem für die Raumordnung zuständigen Landwirtschaftsministerium einen „Prüf- und Arbeitsauftrag zur Änderung des Programms erteilt“. Doch einstweilen soll der Windenergieerlass eine Orientierung bieten. Er gebe den planenden Behörden "einen deutlichen Fingerzeig, wohin der Hase läuft", sagte die Staatssekretärin.
Über eine weitere Richtlinie im Erlass freut sich indes der Leipziger Branchen-Rechtsanwalt Martin Maslaton, der immer wieder auch Streitfälle zwischen Radarbetreibern und Windparkprojektierern betreut: Der Erlass stelle erfreulicherweise auch klar, ließ die Kanzlei in einer Pressemitteilung wissen, dass die Entscheidung der Luftfahrtbehörden“ über angebliche Gefahren aus neuen Windkraftprojekten für Radarstandorte bloß „ein nicht bindender Mitwirkungsakt“ ist.
(Tilman Weber)