Der Tracker zeigt Licht und Schatten: Weniger Verbrauch von fossiler Energie durch die Energiekrise, zaghaft positive Zeichen beim Zubau der Kapazitäten von Erneuerbaren Energien, Elektroautos und Wärmepumpen, allerdingsnicht schnell genug. Noch nicht auf Kurs ist die Energiewende dagegen beim Ausstieg aus den Fossilen im Wärme- und Verkehrssektor. Statt des notwendigen Rückgangs ist sowohl beim Verkauf neuer Autos mit Verbrennungsmotor als auch neuer Gasheizungen ist ein klarer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen, wie eine aktuelle Auswertung des Ariadne Transformations-Trackers zeigt.
PV-Ausbau auf Kurs, Wind „viel zu langsam“
„Bei der Energiewende auf dem Weg zur Klimaneutralität geht es gleich in doppelter Hinsicht um Geschwindigkeit – und Deutschland hinkt aktuell hinterher“, erklärt Gunnar Luderer, Vize-Leiter des Ariadne-Projekts und Szenarien-Experte des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). „Einerseits muss das Energiesystem in einem nie dagewesenen Tempo umgebaut werden, also möglichst schnell möglichst viel erneuerbare Energieerzeugungskapazität zur Verfügung gestellt werden.“ Gleichzeitig müssten Fehlinvestitionen bei Autos, Heizungen und Industrieanlagen zu vermieden werden, da sie den Weg zur Erfüllung der langfristigen Klimaziele verbauen“.
Während es beim Tempo von Verbrauchsminderungen und Erneuerbaren-Ausbau zumindest zaghafte Fortschritte gibt, geht die Entwicklung bei manchen fossilen Investitionen derzeit in die genau entgegengesetzte Richtung, schreibt das PIK in einer Presseinformation. So ist der Netto-Zubau von Photovoltaik mit über 10 GW in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 auf Kurs. Wind offshore und Wind onshore dagegen stehen auf „viel zu langsam“, genauso wie die Projektpipeline H2-Elektrolyse.
Noch viel Zeit bis 2030? Von wegen!
Gleichzeitig wurden im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr fast 10 Prozent mehr Verbrenner verkauft. Bei Gasheizungen zeigen die Absatzzahlen des ersten Halbjahres sogar ein Plus von über 30 Prozent. Eine fatale Entwicklung, denn Autos werden im Schnitt 15-20 Jahre, Heizungsanlagen bis zu 30 Jahre genutzt. Entsprechend wird eine heute installierte Gasheizung bis in die 2040er Jahre CO2-Emissionen verursachen, wenn sie nicht vorzeitig eingemottet oder auf teures und knappes grünes Gas umgestellt wird. Auch neu gekaufte Autos mit Benzin- oder Dieselmotor werden voraussichtlich bis 2040 die Klimabilanz belasten. „Es scheint oft, als wäre noch viel Zeit für die Energiewende bis zum ersten Meilenstein 2030 und zum Klimaneutralitätsziel 2045“, betont Tracker-Fachfrau Frederike Bartels vom PIK. „Doch die Weichenstellungen müssen bereits heute erfolgen. Mit jeder Kaufentscheidung wird auch festgelegt, ob für viele weitere Jahre auf Öl, Kohle und Gas gesetzt wird oder mit klimafreundlicher Technik die Transformation auf Kurs gebracht wird.“
Bei 18 Indikatoren geht es viel zu langsam voran – oder sogar rückwärts
Ob die Energiewende in Deutschland auf Kurs zur Klimaneutralität ist, zeigt der Transformations-Tracker des Kopernikus-Projekts Ariadne entlang von mehr als 45 konkreten Schlüsselindikatoren und Kennzahlen - vom Ausbau Erneuerbarer Energien und Emissionszahlen bis hin zu Investitionen in Autos, Heizungssysteme und Industrieanlagen. Derzeit stehen nur 13 Indikatoren „auf Kurs“, 16 weitere machen immerhin noch einigermaßen Tempo, doch bei 18 Indikatoren geht es viel zu langsam voran oder sogar in die falsche Richtung.
Der Transformations-Tracker setzt reale Entwicklungen ins Verhältnis zu Klimazielpfaden der Ariadne-Szenarien. Die Ergebnisse zeigen auf, wo es knackt und knirscht bei der Energiewende und wo Kurskorrekturen vorgenommen werden sollten. Er zeigt die wichtigsten Fortschritte der Energiewende auf einen Blick – von der Energiewirtschaft über die einzelnen Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie bis hin zum Gesamtsystem.
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