Natürlich. Es gab wieder einiges Hochprozentiges – der Ruf eilt den Windenergietagen von Spreewind voraus. Live-Musik und buntes Entertainment-Programm sorgten bei vielen Teilnehmer vor kurze Nächte. Und es wären nicht die Windenergietage, wenn es anders wäre. Aber die Stimmung war auch so recht ausgelassen – und es gab auch Grund zum Feiern. Viele der über 2.000 Branchenvertreter bei dem Großevent von Harald Düring in Potsdam hatten lange kaum Gelegenheit zum Live-Austausch. Und so wurde vor allem genetzwerkt, geschnackt und knallhart diskutiert. Das fand nicht nur an den Messeständen statt, sondern auch in den über 60 Foren, wo viele Veranstalter zu Podiumsdiskussionen eingeladen hatten.
BWE-Präsident Hermann Albers etwa eröffnete eine solche Panel-Diskussion mit der Feststellung, die COP26 in Glasgow werde wohl verlängert. „Das hilft aber nicht, wenn am Sonntag die Ergebnisse nicht belastbarer werden.“ Es Komme drauf an, dass Deutschland Signale setzt. Das sei früher einmal gelungen, im Lauf der Jahre sei Deutschland aber langsamer geworden. „Klimaaktivistin Greta Thunberg hat Deutschland einen Klimaschurken genannt. Das geht etwas zu weit“, so Albers. Gleichwohl müsse Deutschland mehr tun. Titel der Podiumsdiskussion des BWE in Potsdam: Ampel freie Fahrt für Wind. Bei Grün sei bekanntlich freie Fahrt, nicht bei Gelb und nicht bei Rot. Er habe in der Vergangenheit mit BASF Gespräche geführt – und man habe die gemeinsame Sorge, dass es zu einer Stromlücke kommen könne. „Freie Fahrt für Windenergie ist ein Garant, dass die Lücke nicht zu groß wird.“ Die EEG-Umlage solle reduziert werden, das sei nicht ganz einfach.
Der BWE habe eine Flächenbereitstellung für Repowering angeregt, um schnelle Möglichkeiten des Zubaus zu schaffen. Die neue Ampelkoaltion will die Genehmigungsfristen von sechs Jahren auf sechs Monate bringen. Repowering könnte dabei Thema sein. Albers verwies, die Schrumpfung des Marktes „von fünf auf ein GW ist ein schmerzhafter Prozess gewesen. Menschen mussten entlassen werden, die man später wieder braucht.“
Tatsächlich war das Thema Fachkräftemangel allgegenwärtig. Vor allen bei den Planern herrscht Mangel, die jetzt wieder mehr Genehmigungen vorliegen haben, als noch vor einem Jahr, und sehen müssen, wie sie die Projekte umsetzen mit der dünnen Personaldecke. Viele suchen gar nicht erst neue Mitarbeiter aus Unsicherheit über die Frage, ob der Ausbau nun wirklich an Fahrt gewinnt, oder doch nicht. Ein anderer Bereich, der unter Fachkräftemangel leidet, ist der Turbinenservice. Wartungs- und Reparaturdienste beklagen hier, dass es viel zu wenige Auszubildende im Bereich Mechatronik gebe, die später für diesen Job weiterqualifiziert werden könnten. In den Produktionsstätten der Hersteller hatte es bei den Entlassungen auch viele ungelernte Arbeitskräfte getroffen. Wann die Werke aber wieder voll produzieren können, ist weiter unklar. Momentan leiden viele Hersteller unter dem Rohstoffmangel, der sich in fehlenden Komponenten niederschlägt.
Ohnehin geht es den meisten Herstellern eher mittelmäßig, was zum einen am geschrumpften Deutschlandgeschäft liegt, zum anderen aber auch am Käufermarkt, der zu niedrigen Preisen zwingt. Gleichzeitig werden aber in Rekordzeit immer neue Plattformen mit noch größeren, leistungsstärkeren Turbinen ausgerollt, ohne dass die Entwicklungskosten der vorherigen Plattformen überhaupt eingespielt werden konnten. Dabei hätte das längere Verweilen in den jeweiligen frisch entwickelten Turbinenplattformen auch den Vorteil, dass Designschwächen erkannt werden könnten, bevor große Mengen verbaut werden. Nun aber arbeitet man mit Turbinen, in die immer weniger Sicherheiten verbaut werden, während Größe, Leistung und Lasten massiv zunehmen. Viele junge Turbinen sollen bereits Strukturschwächen an Turm, Fundament und Blättern aufzeigen. Auf der sicheren Seite ist da, wer seine Parks per CMS gründlich überwachen lässt, um nicht erst größere Schäden entstehen zu lassen. Im Grund halte viele Experten es inzwischen für sinnvoll, die Überwachung ab Werkslieferung nicht auf den Triebstrang zu beschränken, sondern auch Rotorblatt-Monitoring beim Verkauf gleich mitzuliefern. Doch das ist bisher nicht einmal Offshore vorgesehen. So könnte sich mancher Hersteller ins eigene Knie schießen, wenn die Turbinen im großen Stil Schäden an den Flügeln aufweisen, während sie noch in der Gewährleistung sind. Wenn sie erst kurz danach Schäden erkennen lassen, hat der Betreiber das Nachsehen.
Doch zurück zur Podiumsdiskussion. BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm sprach seinen Glückwunsch für Johann Saathoff aus, der SPD-Politiker, der auf dem Podium saß, hatte das beste Ergebnis bei 1. und 2. Stimme bei den Bundestagswahlen erreicht: über 50 Prozent in seinem Wahlkreis Aurich Emden. „Können wir die Ärmel hochkrempeln?“ wollte Axthelm wissen – sprich: kann die Windbranche jetzt endlich wieder loslegen nach dem gebremsten Ausbau der vergangenen Jahre?
Saathoff griff zunächst das Bild von der Ampel auf. Rot als Symbol für Stillstand, das wollte er so nicht stehen lassen. „Sie fahren auf der Straße, sehen die Ampel – das Rot steht dafür, dass Sie aufhören fossile Kraftstoffe zu verschwenden“, so seine Erklärung. Als Mitglied in der AG Wirtschaft der Koaltionsverhandler. Viele branchenrelevante Themen seien dort ausgeklammert gewesen, aber „immerhin war Dekarbonisierung der Industrie ein Thema.“ Man habe zwar seine Ausarbeitungen pünktlich abgegeben. Aber es seien zu viele Themen gewesen – von Tourismus, Luftfahrt bis Raumfahrt. Im Koalitionsvertrag sei es eher um große Linien gegangen als um kleinteilige Abstimmungen.
„Gibt es einen Aufbruch? Kommt Klimaneutralität auf den richtigen Pfad?“ wollte Axthelm von BASF-Leiter Transformation Erneuerbare Energie Robert Preusche wissen. Die Stimmt sei zwar positiv, aber man komme von Stillstand. „Und die Zeit rennt davon. Wir müssen uns ehrlich machen: Wieviel Strom brauchen wir?“ E-Mobilität, Wärme etc. seien „wahnsinnige Baustellen“. „Wir brauchen grünen Strom“, so Preusche. Ein Kostenblock sei dabei der Bereich EEG-Umlage und Netzentgelte. Er nannte den Windpark Hollandse als positives Beispiel für Veränderung. BASF und Vattenfall haben einen Vertrag über den Kauf von 49,5 Prozent an Vattenfalls Windpark Hollandse Kust Zuid (HKZ) durch BASF unterzeichnet. Aber Preusche sprach auch über technologische Herausforderung. Man müsse Dampf per Strom erzeugen, chemische Verfahren umstellen. Eine Herausforderung sei jedenfalls der enorme Strombedarf. Auch Saathoff betonte, die Industrien benötigten gigantische Mengen grüner Wasserstoff.
Björn Wenzlaff, Geschäftsführer von Windwärts, erklärte: „Aus unserer Sicht sollten die Koalitionäre zügig zu einem Ergebnis kommen. Die Beschleunigung von Genehmigungen sei dringend erforderlich und derzeit noch ein großes Problem. Rund 10 GW an Genehmigungsanträgen lägen zurzeit in den Behörden, die darauf warten, erledigt zu werden.
Ein weiteres spannendes Podium auf den Windenergietagen beschäftigte sich mit Wasserstoff. Wer Lust hat, kann es sich nachträglich ansehen.
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