Es war am Vorstandsvorsitzenden des Kölner Versorgers Rheinenergie AG, in den Themenblock Digitalisierung einzuführen. Dieter Steinkamp, oberster Manager des mit 2,4 Milliarden Euro Unternehmens- und vier Milliarden Euro Konzernumsatz sehr großen kommunalen Unternehmens, skizzierte beim Stadtwerkekongress des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) in Köln den fünfjährigen Pfad zur Smart City. Unter dem Label Smart City Cologne hat Rheinenergie eine Plattform für mittlerweile ein rundes Dutzend Projekte eingerichtet, die mit Anbindungen über das Internet die kommunalen Versorgungsdienste effizienter werden lassen. Außerdem gehören Projekte zur Kundenbindung dazu und insbesondere zum Ausbau und zur intelligenten Steuerung der Versorgung mit grüner Energie. Mit der Digitalisierungskampagne will die Rheinenergie wie auch vom VKU empfohlen neue Produkte grüner Energie entwickeln, um damit einmal den Großteil der Einnahmen und Gewinne zu erzielen. Bisher kommt das Gros der Umsätze und auch der Erzeugung bei Rheinenergie noch aus dem Geschäft mit konventionellen Kraftwerken: also aus Kraftwerken und aus Handelsstrom auf Basis fossiler Brennstoffe.
Vorzeigeprojekt integrierter Quartiersversorgung "Grow Smarter" in Köln-Mühlheim
Als Vorzeigeprojekt in Köln gilt das integrierte Quartiersversorgungskonzept im Pilotprojekt Grow Smarter. Das Modellprojekt war 2015 mit Finanzierung aus dem Förderprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union (EU) gestartet. Bis 2020 soll es den Energieverbrauch einer Siedlung aus den 1950-er Jahren im Stadtteil Mühlheim um 70 Prozent und den Ausstoß des für die Erderwärmung verantwortlichen Klimagases CO2 um 60 Prozent reduziert haben. Luftwärmepumpen, Batteriespeicher, Fern- oder Nahwärmeversorgung, Elektromobilität und Photovoltaikanlagen sollen zuerst das Quartier, die Stegerwaldsiedlung, und mittelfristig den Stadtteil Mühlheim zur „Blaupause für eine nachhaltige Stadtentwicklung“ werden lassen, wie Rheinenergie informiert.
Dabei will der Stadtwerkekonzern mit einem virtuellen Kraftwerk und intelligenten Stromzählern bei den Bewohnern des Viertels die Energieströme steuern – indem er Verbrauch und Versorgung durch digitale Steuerung in Einklang zu bringen versucht. Die Erzeugung aus neuen Photovoltaikanlagen auf den Hausdächern soll so überwiegend dem direkten Verbrauch durch die Mieter zugute kommen, statt den Sonnenstrom nur einzuspeisen. Überschüssiger Sonnenstrom soll aber beispielsweise nicht nur Batteriespeicher für sonnenarme Phasen füllen, sondern Wärmepumpen antreiben, um letztlich oberflächennahe Erdwärme für das Heizen der Häuser zur Verfügung zu stellen.
Rheinenergie: Wirtschaftlichkeit durch Rechte an der Digitalisierungs-Technologie
Allerdings sieht der Stadtwerke-Konzern der Rheinstadt ein wirtschaftliches Modell für sich nur entstehen, wenn er bei dem Anbieter der von ihm gewählten digitalen Technologie einsteigen darf. Das Unternehmen Urban Institute betreibt die gewählte Cloud-basierte Technologie: In eine Datenwolke im Internet (Cloud) sollen bei der Quartiersversorgung alle digitalen Rechen- und Zahlenströme fließen. Das System soll nicht nur Daten zusammenführen – zum Zweck einer automatisierten Steuerung von Erneuerbare-Energien-Erzeugungsanlagen und Haushaltsgeräten oder zur Verhaltenssteuerung von Energieverbrauchern und Verkehrsteilnehmern. Es soll als selbstlernendes System die Algorithmen zur Steuerung beständig anpassen und so wohl beständige Kostensenkungen ermöglichen. Zudem will Rheinenergie mittelfristig andere Stadtteile an die Cloud-Steuerung anschließen. Doch das Kommunal- und Bauministerium in Nordrhein-Westfalen hat den teilweisen Kauf des Digitaltech-Anbieters untersagt. Die Beteiligung entspreche nicht der Gemeindeverordnung von Nordrhein-Westfalen, lautete die Begründung.
„Wir kämpfen nun weiter dafür“, dass Rheinenergie sich an dem Dienstleister beteiligen dürfe, betonte Steinkamp. Denn nur so könnten die Stadtwerke die moderne digitalisierte Energiewende 4.0 anbieten. 4.0 ist das branchenweite Symbol der Digitalisierung in Industrie und Energiewirtschaft.
Große Bandbreite der Ziele für die Digitalisierungsdienste der Stadtwerke
Dass indes die Digitalisierung in den Händen der Stadtwerke längst nicht sofort, einzig und überall auch zur Energiewende führen muss, erfuhren die Konferenzteilnehmer auch. So stellten sich auf dem Podium vier mit kommunaler Digitalisierung befasste Akteure mit unterschiedlichen Zielen zur Diskussion: Der für Bau zuständige Staatssekretär des Bundes, Klaus Vitt, der Geschäftsführer der Stadtwerke Emden (SWE), Klaus Ackermann, und für die Städte Karlsruhe und Freudenstadt die Erste Bürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz und Oberbürgermeister Julian Osswald.
Während Vitt sich auf die Einführung der übers Internet verlaufenden Bearbeitung von Dokumenten wie Steuererklärungen und von allgemeinen Bürgeranliegen konzentriert, vertritt SWE-Chef Ackermann einen visionären kommunalen Energieversorger, der die intelligente Integration erneuerbarer Energien in die komplette lokale Energieversorgung anstrebt. Konkret haben die SWE mit Technologiezulieferer Siemens den Aufbau der Smart City Emden eingeleitet: Die Verlegung von Glasfaserkabeln zum schnellen Datentransport, Sensoren-bestückte Ampeln zur Verkehrslenkung, ein virtuelles Kraftwerk sowie intelligente Stromzähler beim Kunden und die Steuerung des Energieverbrauchs im ortsansässigen Werk des Autoherstellers VW gehören zu den ausgewählten Teilprojekten. Die Stadt Karlsruhe wiederum hat sich auf den Ausbau eines draht- und kabellosen Datentransportsystems im Stadtgebiet verlegt. Es kann virtuelle Kraftwerke ermöglichen, als auch wie schon geplant Mülleimer ihren Füllstand melden lassen und so das Entsorgungsgeschäft der Stadtwerke effizienter und kostengünstiger machen. Auch autonomes Autofahren – computergesteuertes Autofahren ohne Menschen am Lenkrad – hat Bürgermeisterin Luczak-Schwarz vor Augen. Der Oberbürgermeister von Freudenstadt hingegen sieht vorerst „ganz andere Probleme“ anstehen, nämlich Grundaufgaben für die öffentlichen Versorgungsdienste in dem 24.000-Einwohner-Schwarzwaldstädtchen. Ein kostenloses öffentliches drahtloses Internet – WLan – und Digitalisierung für ein Informations- und Leitsystem im regionalen Tourismus stehen hier im Fokus. Die Breitbandkabel dazu müssen allerdings in Freudenstadt noch unter die Erde.
Stadtwerke Award an kommunale Versorger in Lübeck, Wuppertal und Trier
Passend dazu ging dann der jährliche Stadtwerke-Award von VKU und Stadtwerke-Dienstleister Trianel an drei Städte mit ganz unterschiedlich ausgereiften Digitalisierungsstrategien: Den ersten Preis erhielten die Stadtwerke Lübeck für „die Steuerung, Zählung und Messung aller Kundenanliegen gleichzeitig über eine zentrale Plattform“. Dies dient in erster Linie der Erhöhung der allgemeinen Servicequalität des Unternehmens und der Kundenzufriedenheit. Den zweiten Platz belegt der Wuppertaler Versorger WSW für seinen Tal-Strom („Tal.Strom“). Das Produkt entsteht mit Hilfe intelligenter Stromzähler bei den Kunden sowie mit der digitalen Blockchain-Technologie: Hierbei lässt die Verknüpfung von Datenpaketen zu Daten-Ketten die Herkunft jeder Kilowattstunde belegen, damit der Grünstrom aus von den Kunden dafür gewählten Anlagen auch beim Kunden ankommt. Der dritte Preis ging an die Stadtwerke Trier. Sie versorgen ein Gewerbegebiet komplett CO2-frei: aus dort montierten Photovoltaikanlagen und der Überschussenergie eines Klärwerks.
(Tilman Weber)
Der VKU-Stadtwerkekongress am 18. und 19. September war unter dem Motto „Verstehen. Verbinden. Vernetzen.“ erstmals ganz dem Leitmotiv Digitalisierung untergeordnet. Lesen Sie zur Digitalisierung der Stadtwerke als Dienstleister der Energiewende auch unseren großen analytischen Report im Heft ERNEUERBARE ENERGIEN 05/2018!