Das Regierungspräsidium in Karlsruhe hat es Mitte Mai angekündigt und nun eine Personalplanstelle für das neue Kompetenzzentrum Energie eingerichtet. Nach den Regierungspräsidien Freiburg und Tübingen für den Süden des Bundeslandes ist damit auch in Baden-Württembergs Nordwesten der Ansprechpartner der Energiewende offiziell. „Die Mitarbeiter des Kompetenzzentrums verfügen über umfangreiche Erfahrungen in Raumordnung, Regionalplanung, Flächennutzungsplanung, Bauleitplanung und Bautechnik“, hatte Regierungspräsident Rudolf Kühner Mitte Mai angekündigt. Im Landeshaushaltsplan 2012 waren die Personalstellen in den vier Regierungspräsidien schon im Februar ausgewiesen worden. Fast drei Monate später beginnt damit eine neue Phase des grün-roten Energiewendeanschubs.
Allerdings wird die Stelle in der Karlsruher Regierungsbehörde vorerst kommissarisch von einer Ansprechpartnerin aus dem Hause geführt. „Wir werden aus einem Bewerberfeld in den nächsten Monaten einen Experten für diese Stelle noch auswählen“, sagt ein Sprecher des Regierungspräsidiums auf Anfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN. Details über Arbeitsweisen der Energiewendeanlaufstelle seien noch unklar.
Wie ihr Einsatz aussehen könnte, ist im südlich benachbarten Regierungsbezirk seit Mitte 2010 zu beobachten. Der Jurist Michael Frey hat im Regierungspräsidium Freiburg vorexerziert, wie „massive Nutzungskonflikte der Windenergie“ im Schwarzwald etwa mit dem Vogelschutz in Auerhuhn-Balzgebieten oder mit Tourismus auf Skifahr- oder Wanderflächen künftig auszuräumen sind. Frey ist nun Leiter des dortigen Kompetenzzentrums – und er soll das vom Regierungspräsidium Freiburg gesetzte Ziel weiterverfolgen: „Investoren von Windparkprojekten sollen bei Einreichen ihrer Planungsunterlagen von vornherein abschätzen können, mit welchen Problemen sie rechnen müssen“. Und entweder frühzeitiger mit Gutachten vorbeugen – oder die Pläne als zu aufwändig aufgeben. So lädt die Behörde Projektierer, Umwelt- und sonstige Interessenverbände zu runden Tischen für die aussichtsreichen Projekte ein. Binnen sieben Monaten sollen diese zu Genehmigungen führen. Acht runde Tische fanden 2011 schon statt – für Projekte im Umfang von einer bis vier Anlagen.
Kompetenzzentren als Schiedsrichter zwischen vielen Akteuren
Die Bedeutung der von der Landesregierung ins Leben gerufenen Kompetenzzentren ist deshalb groß, weil die für Windparkplanungen in anderen Bundesländern wichtigen Regionalpläne in Baden-Württemberg nur eine untergeordnete Rolle spielen. Von einer windkraftfeindlichen konservativen Regierung ermuntert, hatten Kommunenvertreter und Landräte in den Regionalplänen oft nur Flächen ausgewiesen, die für Windparks ungeeignet waren. Die Freiburger Koordinierungsstelle war als Vermittler in Planabweichungsverfahren hilfreich. Ab Januar 2013 werden die Regionalpläne hingegen keine Ausschlussflächen mehr für Windkraftnutzung definieren. Die Kommunen dürfen in Flächennutzungsplänen vielmehr selbst bestimmen, wo sie Windparks haben wollen und wo nicht. Damit sind plötzlich viele neue Akteure auf dem Spielfeld der Windparkplanung. Die Kompetenzzentren sollen als Schiedsrichter das Spiel voranbringen.
Im Südschwarzwald, eines der weniger und nur punktuell windhöffigen Regionen des Landes, rechnet Koordinator Frey mit 88 bis 90 neuen Windraderrichtungen bis 2020. Ziel der Landesregierung sind bis dahin insgesamt 1.000 Anlagen im Gebiet aller vier Regierungspräsidien. Protagonisten der Baden-Württemberger Energiewendeszene wie der Projektplaner Bene Müller widersprechen dem Regierungspräsidium daher bereits: Mindestens 150 Anlagen, fast doppelt so viel wie von Frey veranschlagt, würden in der Südschwarzwaldregion binnen sieben Jahren errichtet, sagt er. Dafür sorge schon das Interesse der Kommunen an eigenen Windparkprojekten. Dieses gilt landesweit als sehr groß.
Der Argwohn Müllers und anderer Windparkplaner richtet sich gegen das bisherige Personal in den Regierungspräsidien, die teils weiterhin von Konservativen geführt werden. So musste ausgerechnet nur in Freiburg der Regierungspräsident den Stuhl räumen. Im April wechselte die Landesregierung den CDU-Mann gegen eine grünennahe Nachfolgerin aus. In Karlsruhe wich der parteilose Amtsinhaber Ende Mai freiwillig einer Sozialdemokratin.
(Tilman Weber)