Als Sturmtief Herwart am vergangenen Wochenende über Nord- und Ostdeutschland sich austobte, hatten erstmals im gesamten Jahr 2017 auch die Braunkohlekraftwerke ihre Leistung deutlich drosseln müssen. Das ergeben die seit 2014 regelmäßig vom Forschungsinstitut Fraunhofer Ise bereitgestellten und bis 2011 zurückreichenden Energy-Charts. Doch die Reduktion der Einspeisung am Samstag und am Sonntag vom 24-Stunden-Niveau des Vortags bei 370 Gigawattstunden (GWh) auf 180 und dann sogar auf 90 GWh reichte nicht aus: Die Preise an der Börse waren bekanntlich auf einen Wert von minus 83 Euro pro Megawattstunde in den Keller gegangen: So viel erhielten die Abnehmer, wenn sie – bitte, bitte! - den im Verhältnis zum geringen Wochenendverbrauch zu viel ins Netz gedrückten Strom verbrauchten oder speicherten.
Steinkohle-Verstromung macht Platz
Die Steinkohleverstromung hatten die Kraftwerksbetreiber wohl mit Rücksicht auf die Windvorhersagen laut Energy-Charts schon am Donnerstag von zuvor rund 300 GWh auf 120 GWh Einspeisung heruntergefahren. Am Samstag und Sonntag speisten die Steinkohleblöcke sogar nur noch 50 und 40 GWh ein. Die unflexiblere Kernenergie trug an beiden Wochenendtagen noch 190 und 180 GWh bei, nach 240 GWh an den Vortagen.
Neues Windkraft-Bestjahr
Die Windstromerzeugung von 810 und 760 GWh an diesem Wochenende bedeutete hingegen nicht, dass die bisherigen Tagesrekorde des Jahres fielen: Schon zwei, drei Mal stiegen die Werte 2017 über die jetzt im Oktober erreichten Spitzenwerte. Oder sie erreichten dasselbe Tagesniveau – wenngleich nicht an zwei Tagen hintereinander. Denn das Jahr 2017 dürfte nach allem Ermessen, das die Statistik aus dem Datenpool des Fraunhofer Ise hergibt, wieder ein neues Bestjahr der Windstromerzeugung erbringen. Schon jetzt sind fast 80 Terawattstunden (TWh) eingespeist – und die zwei saisonüblich besonders ertragreichen Monate November und Dezember mit Werten von zuletzt um jeweils zehn GWh folgen noch. Zum Vergleich: rund 80 TWh betrug der bisherige Rekordbeitrag aus dem Jahr 2015.
Windkraft rückt auf Platz zwei vor
Doch damit nicht genug: Erstmals dürfte Windkraft auch die Steinkohle beim Beitrag für die jährliche Stromerzeugung übertreffen. Von Januar bis Oktober speisten die Steinkohlemeiler mit knapp 70 TWh deutlich weniger als die Windturbinen in Deutschland mit mehr als 78 TWh ein. Nur die Braunkohle lieferte mit gut 110 TWh noch mehr – allerdings auch deutlich mehr. Die Kernenergie als viertgrößte Stromquelle in Deutschland lieferte im Vergleich von Januar bis Oktober noch 50 bis 60 TWh.
Oktober: Mehr Wind- als Braunkohlestrom
Wie stark Windkraft jetzt schon ist, belegt der Monat Oktober aber auch ganz alleine: So floss erst zum zweiten Mal sogar mehr Windstrom innerhalb eines Monats ins Netz als Braunkohlestrom: 12,61 TWh im Vergleich zu 10,52 TWh. Nur einmal, seit Beginn der Aufzeichnungen für die Energy-Charts hatte es das schon vorher gegeben: Im Dezember 2015, als Windstrom auf 11,73 TWh kam knapp vor 11,07 TWh Braunkohlestrom.
Braunkohle-Volumen bleibt stabil
Fakt ist aber zusätzlich, dass die Braunkohleverstromung auch in diesem Jahr trotz aller Zunahme der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht abnimmt. Zwar trug auch Strom aus Photovoltaikanlagen in diesem Jahr mehr als in früheren Jahren zur Stromversorgung in Deutschland bei. Aber die Braunkohlemeiler arbeiteten laut den Daten des Fraunhofer Ise bisher so viel wie in den Vorjahren mit monatlichen Einspeisewerten von rund zehn bis zwölf TWh. Die Reduktion der Braunkohole-Einspeisung auf weniger als ein Viertel des üblichen Monatswertes während des Sturms Herwart ist eine Ausnahme in der bisherigen Energiewende-Geschichte.
(Tilman Weber)