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Reiner Lemoine Stiftung

Kemfert: Stromverbrauch verdoppelt sich mit regenerativer Vollversorgung

Nicole Weinhold

Besser als vor zehn Jahren bei der Finanzkrise gelinge es diesmal bei der Corona-Pandemie, dass die Klimakrise nicht beiseite geschoben werde, so DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert. Damals habe es etwa mit der Abwrackprämie für Autos mit Verbrennungsmotor einen Lock-in-Effekt gegeben. Der Ausstoß fossiler Energien wurde also langfristig manifestiert. In einer Diskussionsrunde im Internet hat die Reiner Lemoine Stiftung gerade Vertreter der politischen Parteien sowie die DIW-Energieexpertin zur Energiewende 2021 befragt. Kemfert verwies darauf, dass unser CO2-Budget bei gleichbleibendem Treibhausgasausstoß nur noch für acht Jahre reiche. Zudem seien die Klimawandelkosten enorm, die entstehen, wenn nicht gegengesteuert werde. Die Ökonomin betonte, 100 Prozent Erneuerbare seien längst technisch und wirtschaftlich machbar - mit dezentralen, flexiblen Erneuerbaren, Speicher, Wasserstoff und Stromnetz. Dafür müssten aber politisch die Weichen gestellt werden - etwa in dem Sinne, dass für den Ausbau der Windenergie endlich zwei Prozent der Landesfläche zur Verfügung gestellt würden.

Soziale Teilhabe und Erneuerbare Mobilität

„Damit die Energiewende gelingen kann, muss die Politik spätestens 2021 die Weichen ins Erneuerbare-Energie-System stellen und konventionelle Strukturen überwinden“, sagte auch Philipp Blechinger, Leiter des Graduiertenkollegs der Reiner Lemoine Stiftung (RLS). Die Bundestagwahl 2021 biete laut Stiftung eine Chance für den Neustart der Energiepolitik. In einem Impulspapier hat das Energiesystemwende-Kolleg der Reiner Lemoine Stiftung mit einem Expert*innen-Netzwerk die Themenkomplexe Flexibilität, Speichertechnologien, Soziale Teilhabe und Erneuerbare Mobilität näher beleuchtet. Aus den Anforderungen, die sich in diesen Bereichen aus dem Zielmodell des Erneuerbare-Energie-Systems ergeben, wurden elf Weichenstellungen herausgearbeitet, die aus Sicht der Autor*innen im Wahljahr 2021 weit oben auf der politischen Agenda stehen müssen. Hier geht es zum Impulspapier.

Flexibilität, Speicher, das Ende fossiler Energien

Fabian Zuber, Leiter der Plattform Energiesystemwende der RLS, stellte die elf Weichenstellungen vor. Darunter das Mitwirken der Menschen vor Ort, die Flexibilität, Speicher, das Ende fossiler Energien. Er betonte, man müsse die Systeme Strom, Verkehr und Wärme vernetzt denken, nicht getrennt - wie es lange der Fall war. Das bedeute auch, dass es einen stark wachsenden Bedarf an sauberem Strom gebe, um Verkehr und Wärme sauber zu elektrifizieren. Bei der PV liege der tatsächliche Bedarf zwischen fünf und 20 Gigawatt Zubau jährlich und bei der Windkraft in derselben Größenordnung.

Verdopplung des jetzigen Stromverbrauchs

Allerdings hat die Regierung diesen wachsenden Bedarf bisher ignoriert. Im Gegenteil, das Bundeswirtschaftsministerium geht von einem sinkenden Strombedarf aus. Kemfert sagte dazu: "Für eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien wird eine Verdopplung des jetzigen Stromverbrauchs gerechnet werden müssen, wenn „efficiency first“ gilt, d.h. Elektrifizierung überall dort wo es nicht anders möglich ist (Wärmepumpen, Elektromobilität) und Verkehrswende (Verkehrsvermeidung, -optimierung, -verlagerung) umgesetzt wird. Grüner Wasserstoff ist Champagner der Energieträger. Kostbar und teuer. Er sollte nur da eingesetzt werden, wo es nicht anders geht." Die dezentrale Energiewende senke die Kosten. Die Energiesystemkosten inklusive Flexibilität seien viel geringer als bei konventionellen Energien.

FDP: CCS und blauen Wasserstoff

Im Rahmen der Podiumsdiskussion erklärte Nina Scheer (SPD) passend, es dürfe keine Limitierung im Ausbaupfad der Erneuerbaren geben. Die SPD sei klar für einen Ausbau der Erneuerbaren, sie müsse das nur eben mit dem Koalitionspartner zusammen hinbekommen. Andreas Lenz von der Union trug zwar dick auf und nannte die Erneuerbaren den "Megatrend". Aber als es um Ausbaumengen ging, wich er doch lieber auf Nebenschauplätze aus und sprach über Genehmigungshürden. Zudem stellte er klar, man können nicht sämtliche Energie für das 100-Prozent-Erneuerbare-Ziel in Deutschland produzieren. FDP-Mann Martin Neumann sah das auch so und verwies zudem darauf, dass man auch CCS und blauen Wasserstoff brauche.

Verbot von Verbrennungsmotoren

Lorenz Gösta Beutin von der Linken verwies darauf, dass beim Streit um die Aufhebung des PV-Deckels in diesem Jahr die Regierung die Regenerativbranche erpresst habe. Sie hatte verlangt, dafür einen Abstand bei der Windkraft zur Wohnbebauung einzuführen. Er prangerte auch die gänzlich falsche Verkehrspolitik von Bundesverkehrsminister Scheuer an, die ein Weiter-so mit Verbrennern bis 2030 zementiert habe. Er forderte ein Verbotsdatum für die Zulassung von Verbrennungsmotoren festzuschreiben und die Halbierung von Pkw im Straßenverkehr bis 2030. Beutin betonte, im EEG 2021 müsse es eine Förderung für Bürger und Genossenschaften geben, die erneuerbare Energien ausbauen wollen. De-Minimis dürfe als Lösung für Bürger nicht fehlen.

Subvention von Gaskraftwerken

Julia Verlinden von den Grünen ging auf den Kohleausstieg ein und verwies darauf, dass die Regierung nur einen späten Kohleausstieg erreicht habe und mit dem Ausstiegsvertrag obendrein eine Subvention von Gaskraftwerken bewirke.

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