Erstmals wird Deutschland wohl sogenannte AEA-CO2-Zertifikate nachkaufen müssen und dabei zusammen mit Malta und Irland eine unrühmliche Sonderstellung in der Europäischen Union (EU) einnehmen. Wie das Freiburger Öko-Institut Ende der ersten Maiwoche in einer eigenen neuen Studie schlussfolgerte, soll Deutschland im Bereich der Non-ETS-Emissionen 22 Millionen AEA-Zertifikate nachkaufen müssen. Der ETS-Zertifikate-Handel regelt den An- und Verkauf von Emissionsrechten aus der Stromversorgung in der EU. Der AEA-Bereich betrifft die nichtelektrisch verursachten Emissionen durch Gebäudeklimatisierung, Verkehr, Landwirtschaft, Kleinindustrie und Abfallbranche. Mit dem Zertifikate-Nachkauf müsse Deutschland eine größere Budget-Überziehung aus dem vergangenen Jahr ausgleichen und nehme damit eine Sonderstellung neben Malta ein, rechnet das Öko-Institut vor. Bisher hat einzig Malta in den vergangenen Jahren die Zertifikate nachkaufen müssen, wie aus Daten der Europäischen Umweltagentur hervorgeht. 1,2 Millionen AEA hatte der Mittelmeer-Inselstaat bisher aus Bulgarien dazu gekauft. Außer Deutschland werde auch Irland bei den Non-ETS-Emissionen ebenfalls erstmals zu den Schuldnerländern gehören.
Die Überschuldung bei den Emissionsrechten steht dabei nur scheinbar und vermeintlich im Gegensatz dazu, dass Deutschland 2020 sein Klimaziel im Rahmen der EU-Klimaschutzpolitik noch erreicht hatte. Nicht nur, aber auch nicht zuletzt dank der gebremsten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik infolge der Bekämpfung der Coronapandemie hatte Deutschland 2020 einen Anteil von 19,3 Prozent am deutschen Endenergieverbrauch über alle Energieverbrauchssektoren hinweg aus erneuerbaren Energien versorgt. Das für Deutschland verbindliche EU-Ziel für 2020 sah 18 Prozent Erneuerbarenanteil am Endenergieverbrauch vor. Auch das nationale Emissionsminderungsziel um 40 Prozent für 2020 gilt prinzipiell als erreicht – bei einem offiziell festgestellten Rückgang der jährlichen CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 40,8 Prozent. Doch wie das Öko-Institut nun errechnet hat, ging speziell im Nicht-ETS-Bereich der Schadstoffausstoß nur um 12,5 Prozent zurück. Verbindlich gilt aber für Deutschland hier ein EU-Minderungsziel von 14 Prozent im Vergleich zu 2005.
Das deutsche Emissionsminderungsziel für den Nicht-ETS-Bereich ist Teil der sogenannten EU-Lastenteilungsverordnung – und Deutschland hatte gemäß dessen Rechensystematik bis 2018 regelmäßig Überschüsse auf seinem CO2-Konto. Doch ein zwischenzeitlicher Überschuss von 56 Millionen CO2-Zertifikaten ist inzwischen verbraucht – bis 2018 hatte Deutschland den Zertifikatevorrat abgebaut, um die eigenen Emissionsüberschüsse regelmäßig noch auszugleichen. Ende 2019 hatte das Konto erstmals ein Minus von 15 Millionen Zertifikaten. Nun, also 2020, hat sich das Minus auf dem CO2-Konto auf 22 Millionen AEA erhöht. Im Januar 2022 muss Deutschland nach den EU-Regularien seine Emissionsdaten für 2020 für diesen Nicht-Strom-Bereich an die EU-Zentrale in Brüssel schicken und bis zum Frühjahr 2023 die fehlenden AEA von Nachbarstaaten einkaufen.
Viel wird Deutschland das peinliche (Fast-)Alleinstellungsmerkmal bei den Nicht-Stromsektor-Emissionen aber womöglich nicht kosten. Wie das Öko-Institut auch erklärte, sind die Preise für die AEA-Nachkäufe noch nicht absehbar. Angesichts eines breiten Überschusses der von der EU großzügig verteilten Zertifikate in Europa werde der Preis aber wohl nicht hoch ausfallen, betonte das Öko-Institut.