„Utopie oder Vision: Wie wird der klimaneutrale Wirtschaftsstandort Deutschland Realität?“ Moderatorin Ursula Heller diskutierte über diese Frage auf dem 12. Dena-Energiewende-Kongress mit Martin Brudermüller (online, Vorsitzender des Vorstands, BASF), Stefan Kapferer (Vorsitzender der Geschäftsführung, 50Hertz Transmission GmbH), Sigrid Evelyn Nikutta (Vorstandsvorsitzende, DB Cargo AG), Marie-Luise Wolff (Vorstandsvorsitzende, Entega AG und Präsidentin des BDEW) und Dena-Chef Andreas Kuhlmann. Der Kongress unter dem Motto „NeuKlimaLand“ beschäftigt sich über zwei Tage mit Klimaneutralität, integrierter Energiewende und Innovationen. Über 1.200 Teilnehmende waren zum Auftakt in Berlin oder online dabei, als es auch um die Klima-Roadmap für die neue Bundesregierung ging.
BASF-Chef Brudermüller gab den künftigen Koalitionspartnern der Bundesregierung zunächst eine sehr gute Note für ihren positiven Spirit und dafür, dass wenig nach außen gedrungen ist. „Jeder weiß, dass er Sachen machen muss, die er sonst nicht machen würde“, so Brudermüller. Kompromisse seien erforderlich, für die sich zum Beispiel die Grünen dann mit ihrer Basis auseinandersetzen müssten. Die entscheidende Frage sei, wie nachher die Regierungsarbeit funktioniert. Bezüglich der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow zeigte er sich wenig optimistisch. Er warnte davor, die Situation nur aus der Perspektive der entwickelten Länder zu sehen. Für andere Länder sei vieles schwieriger. Unterschiedliche Geschwindigkeiten seien daher für die Umsetzung nötig.
Bezüglich seines Unternehmens verwies Brudermüller darauf, dass das Ziel laute, 25 Prozent weniger CO2 bis 2030. Dabei sei man auf die erneuerbaren Energien angewiesen. „Wir sind ein energieintensives Unternehmen. Wir brauchen Regenerativ-Strom in riesigen Mengen. Wir brauchen Hilfe, das schaffen wir nur zusammen“, betonte er.
Sigrid Evelyn Nikutta, Vorstandsvorsitzende DB Cargo, betonte, die Energiewende gelinge nur über die Schiene. Diese müsse deutlicher genutzt werden als bisher. „Im Güterverkehr ist im letzten Jahrzehnt das Gegenteil passiert“, so Nikutta. Früher sei man stolz darauf gewesen, dass Berlin als autogerechte Stadt ausgebaut worden sei. Früher sei es auch angesagt gewesen, per Lkw alles Just-in-Time zu liefern. „Jetzt müssen wir dazu kommen, das umweltfreundlichste und ökonomischste Transportmittel zu nutzen.“ Ein Wechsel im Verkehrsministerium reiche da nicht aus. Das sei ein gesellschaftliches Thema, das die ganze Industrie betrifft. In einer Berechnung hatte DB Cargo aufgezeigt, dass sich 84 Prozent CO2 beim Orangentransport aus Spanien einsparen ließen, wenn diese über die Schiene kommen würden. Jede Tonne, die auf der Schiene statt der Straße transportiert wird, spart 80 bis 100 Prozent CO2 ein.
BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff ging in ihrem Statement auf BASF-Chef Brudermüller ein. Die regenerative Energiewirtschaft könne viel leisten. „Aber nicht alles, was fossil ist, können wir mal eben erneuerbar machen“, so Wolff. „Auch die Industrie muss an sich arbeiten.“ Sie müsse effizienter werden, sonst ließe sich die Energiewende nicht schaffen. Als Beispiel für Veränderungen fragte sie: „Statt dreimal im Jahr in den Urlaub zu fahren, warum nicht einmal die Heizung austauschen?“ Hauptakteur bei der Umgestaltung sei zwar die Energiewirtschaft, aber man müsse möglichst viele Menschen einbeziehen.
Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung, 50Hertz Transmission GmbH, verwies in der Diskussion darauf, dass viele Prozesse zu viel Zeit in Anspruch nehmen. So sei gerade der Raumordnungsplan für Offshore-Wind neu gemacht worden. Involviert gewesen seien Innen-, Verteidigungs- und Umweltministerium wegen Naturschutzbelangen. „Das macht das Ganze so aufwendig.“ Doch die Trassenplanung muss schneller passieren. Martin Brudermüller forderte in dem Zusammenhang, Wirtschaft, Klima und Industrie müssten zusammen gedacht werden. Und man müsse konsequent rückwärts denken – von der CO2-Neutralität 2045 bis heute. Wo wollen wir hin? Was muss dafür passieren? Kapferer nahm den Faden auf: „Wie transportieren wir Strom von Offshore-Windparks in der Nordsee nach Ludwigshafen in das Werk von BASF?“ Er verwies auf einen beschleunigten Netzausbau bis 2030 und dass 50Hertz dafür das Tempo erhöhe. Als Beispiel für Verzögerungen von Behördenseite nannte er Sachsen-Anhalt, wo die Trasse Ostlink dadurch verzögert werden, dass die Behörden dort sich vorgenommen hätten, jeden Quadratmeter nach archäologischen Artefakten abzusuchen, bevor gebaut werden könne.
BDEW-Chefin Wolff verwies noch auf einen sich abzeichnenden Fachkräftemangel. „Wir haben jetzt eine Sanierungsquote von 0,8 und müssen auf 1,5 steigern. Dafür brauchen wir eine riesige Ausbildungsoffensive.“ Dena-Chef Andreas Kuhlmann fragte in dem Zusammenhang, ob es wirklich sinnvoll sein, wenn Facebook zigtausende Jobs im virtuellen Metaversum schaffen will. Ob die Arbeitskräfte nicht in der wirklichen Welt dringender gebraucht würden.
Wollen Sie die wichtigsten Fakten und Akteure der Energiewende aktuell im Blick behalten? Dann abonnieren Sie doch unseren kostenlosen Newsletter. Hier können Sie ihn abonnieren.