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Bürgerenergie

Sind sie wieder da?

Daniel Peschel und Nicolai Herrmann, enervis

Etwa 2.700 MW Gebote von Bürgerenergiegesellschaften (BEG) waren im vergangenen Jahr 2017 in den Wind Onshore Ausschreibungen erfolgreich. Sie machten Gebrauch von den Regelungen des §36g (3) EEG 2017, welcher eine Teilnahme ohne BImSchG-Genehmigung erlaubt(e). Der mit dem Status einer BEG einhergehende verlängerte Realisierungszeitraum von bis zu 54 Monaten ermöglichte es den Bietern dabei, erst zukünftig verfügbare Anlagentypen der nächsten Generation in ihren Gebotspreiskalkulationen zugrunde zu legen. Ein Großteil der BEG-Bieter ging ohne Genehmigung in die Ausschreibungen und das BEG-Segment vereinigte gut 95% aller Zuschläge im Jahr 2017 auf sich. Diese Entwicklung senkte den Grenzpreis beispielsweise in der Ausschreibungsrunde im November 2017 auf nur noch 3,82 ct/kWh.

Was bisher geschah

Das im Sommer 2017 eingeführte und zwischenzeitlich verlängerte „BEG-Moratorium“ (d. h. Gebote sind nur noch mit vorhandener Genehmigung möglich) führte im Jahr 2018 dann, in Verbindung mit einer sehr angespannten Neugenehmigungssituation, zu unterzeichneten Ausschreibungsrunden und steigenden Zuschlagspreisen, die sich zuletzt dem Höchstpreis von 6,3 ct/kWh angenähert haben, wie nebenstehende Abbildung zeigt.

Im Rückblick erscheinen die Zuschläge um 4 ct/kWh aus der Runde zwei und drei im Jahr 2017, die zu nahezu 100% an BEG gingen, nun vergleichsweise gering. Es stellt sich die Frage nach Möglichkeiten für eine nachträgliche Optimierung der Vergütung für diese Projekte.

Zuwachs von Neugenehmigungen für in 2017 bezuschlagte BEG-Projekte

Seit den Zuschlägen in 2017 wurden nun BImSchG-Genehmigungen für Projekte beantragt und in der Zwischenzeit auch erteilt, die sich auf die gleichen Flurstücke beziehen, für die BEG in 2017 einen Auktionszuschlag erhalten haben – dies zeigen die Daten der BNetzA. Hier liegt also die Vermutung nahe, dass es sich bei den genehmigten Projekten – zumindest teilweise – um die entsprechenden BEG mit Zuschlägen aus 2017 handeln dürfte.

Der §36g (3) sieht im Falle der BImSchG-Genehmigung eines BEG-Projektes eine klare Vorgehensweise vor: „Die Bürgerenergiegesellschaft muss innerhalb von zwei Monaten nach der Erteilung der Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutz­gesetz (materielle Ausschlussfrist) bei der Bundesnetzagentur die Zuordnung des Zuschlags zu den genehmigten Windenergieanlagen an Land beantragen.“ Im ersten Schritt ist dies so zu verstehen, dass eine in 2017 zu einem bestimmten Preis bezuschlagte BEG mit Erhalt der Genehmigung diesen Zuschlag zeitnah durch Meldung bei der BNetzA aktivieren bzw. fixieren muss.

Doch schon im nächsten Satz des gleichen EEG-Paragraphen wird ein möglicher Ausweg aus dem aus heutiger Sicht eher unvorteilhaften (da vergleichsweise niedrigen) Zuschlag aus 2017 aufgezeigt: „Der Zuschlag erlischt, soweit keine Zuordnung innerhalb der verlängerten Frist nach Satz 1 erfolgt, die Zuordnung nicht innerhalb der Frist nach Satz 2 beantragt oder der Antrag abgelehnt worden ist.“ Sollte der Bieter also innerhalb der Frist von zwei Monaten die erhaltene Genehmigung nicht dem bereits vorhandenen BEG-Zuschlag zuordnen, so erlischt dieser Zuschlag. Ein „bad deal“ möchte man meinen, denn das Erlöschen des Zuschlags führt auch zum Verlust der Sicherheit in Höhe von 15.000 €/MW, den jede BEG für ihr Gebot zu stellen hatte.

Warum es sich trotzdem lohnt

Was ist also der Vorteil, einen in 2017 im Auktionswettbewerb errungenen BEG-Zuschlag nun gezielt verfallen zu lassen? Der Bieter behält bei dem oben skizzierten Vorgehen (keine Zuordnung der Genehmigung und daher Verfall des „alten“ Zuschlags) eine gültige BImSchG-Genehmigung, deren weitere Nutzung frei gestaltbar und insbesondere nicht mehr an den alten BEG-Zuschlag gebunden ist.

Auf diesem Wege sollte mit dieser Genehmigung eine erneute Teilnahme an einer aktuellen Ausschreibungsrunde (zu mutmaßlich höheren Preisen) möglich sein – mit der Konsequenz, dass die Sicherheit für den Erstzuschlag durch die BNetzA einbehalten wird.

Das stark gestiegene Zuschlagsniveau von aktuell bis zu 6,3 ct/kWh – die kommenden Monate werden das zu erwartende Potenzial für 2019 noch aufzeigen – stellt jedoch eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ersten Zuschlag in 2017 dar und überkompensiert den Verlust der Sicherheit um ein Vielfaches, wie folgendes Rechenbeispiel verdeutlicht: Unterstellt man eine moderne Anlage der 4-5 MW Generation mit einem Jahresertrag von netto 12.000 MWh, so „kostet“ der Verlust der Sicherheit in der vereinfachten Rechnung über 20 Jahre ca. 0,025 ct/kWh. Dem steht eine potenzielle Steigerung des Zuschlagsniveaus von rund 4 ct/kWh auf aktuell mögliche rund 6 ct/kWh gegenüber. Anders gerechnet, kann die durch das verfallen lassen des Erstzuschlags verlorene Sicherheit in etwa drei Betriebsmonaten mit der höheren Vergütung aus einem erneuten Zuschlag aufgeholt werden. Der wirtschaftliche Anreiz für dieses Vorgehen liegt somit klar auf der Hand.

Mutmaßliche Anwendung in 2018

Die von der BNetzA veröffentlichten Ausschreibungsergebnisse der letzten drei Runden in 2018 lassen darauf schließen, dass dies keine theoretische Überlegung bleibt, sondern mutmaßlich von einigen bereits in 2017 bezuschlagten BEG-Bietern mit Erhalt einer Genehmigung auch umgesetzt wird. Fakt ist, dass einige Flurstücke, die im letzten Jahr als BEG-Gebot bezuschlagt wurden, in einer 2018er Ausschreibung – nun mit Genehmigung – erneut einen Zuschlag erhalten haben. In diesen Fällen liegt die Vermutung nahe, dass das oben beschriebene Vorgehen angewandt wurde.

In den Auktionsrunden Mai, August und Oktober 2018 beliefen sich diese aus den Daten der BNetzA ableitbaren „Zweitzuschläge“ auf eine Größenordnung im zweistelligen Megawatt-Bereich. Der vergleichsweise geringe Umfang überrascht nicht, steht doch der größte Teil der BImSchG-Genehmigungen für die BEG-Zuschläge aus 2017 noch aus. Somit werden erst die kommenden Ausschreibungsrunden zeigen, ob weitere BEG mit Erhalt einer Genehmigung diesem Weg folgen und versuchen, ihre Zuschläge zu optimieren. Der ökonomische Anreiz hierfür ist aus heutiger Sicht jedenfalls gegeben.

An dieser Stelle soll nicht diskutiert werden, in wieweit die hier skizzierte Vorgehensweise rechtlich zulässig ist oder der Intention des Gesetzgebers entspricht, sondern lediglich das ökonomische Potenzial und die Konsequenzen aufgezeigt werden.

Auswirkungen für den Windmarkt

Für den mittelfristig erwartbaren Zuwachs der Onshore Windenergie im Rahmen der Ausschreibungen lassen sich aus der beschriebenen Entwicklung folgende Schlussfolgerungen ableiten: Erstens führt die erneute Teilnahme bereits bezuschlagter BEG in Kombination mit einem zukünftig größeren Angebot aus Neugenehmigungen zu einem stärkeren Wettbewerb in zukünftigen Ausschreibungsrunden. Zweitens bedeutet die „Umwidmung“ von BEG mit verlängerter Realisierungsfrist in erneute Zuschläge eine Reduktion der zu erwartenden Realisierungsrate der BEG-Projekte aus den Zuschlagsrunden in 2017. Jedes Windprojekt kann nur einmal realisiert werden und jeder bereits erteilte BEG-Zuschlag, der diesen Weg nimmt, fällt als Anteil der zukünftig erwarteten Leistung aus den Ausschreibungen im Jahr 2017 aus. Dies reduziert die erwartbare Kapazität aus den bereits durchgeführten Ausschreibungsrunden. Vor diesem Hintergrund bekommt die Diskussion zu Sonderausschreibungen (Zusatzmengen zur Auffüllung der Klimaschutzlücke bis 2020) eine weitere Facette, ebenso wie die Frage nach den industriepolitischen Auswirkungen.