Die baldige Ankunft des Bundeswirtschaftsministers im Maritim Berlin-Mitte wurde ausgerufen, als die Regenerativbranche gerade am Buffet schmauste. Doch der Anlass war offenbar wichtig genug, den Nachtisch warten zu lassen. Jedenfalls war der Saal mit einigen 100 Zuhörern stramm gefüllt, als Sigmar Gabriel das Wort ergriff. Er wolle seine Beweggründe für das Eckpunktepapier zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes erläutern. Denn er sehe sich selbst als jemanden, „der die Energiewende zum Erfolg führen will.“
Der ehemalige Umweltminister hatte sich vorgenommen, den Anwesenden seine Beweggründe für eine geplante Novelle zu erklären, die in den vergangenen Wochen reichlich Kritik aus der Branche geerntet hat. Zur geplanten Ausbaudeckelung, zu Bioenergie-Einschränkungen und Belastungen für den Eigenstromverbrauch sagte er, man könne nicht die Summe der Einzelinteressen zum Gemeinwohl erklären. Eine Bemerkung, die auf die Vielzahl kritischer Stimmen aus der Branche anspielt. Allerdings unterschlägt Gabriel dabei, dass sich Bio, Wind und Solar in einer Reihe von Punkten einig sind. Zum Beispiel werden die bereits gesetzten Fristen als problematisch eingestuft. Auch ist man sich darin einig, dass die Novelle auf Kosten der Kleinen gehen wird: Wenn das Risiko durch die zwingende Direktvermarktung steigt, wird es für Bürgerprojekte etc. kaum mehr zu finanzieren sein.
Womit der Wirtschaftsminister Recht hat, ist allerdings die Tatsache, dass Befürworter und Gegner des EEGs gleichermaßen einen großen Fehler gemacht haben: „Wir hätten das EEG früher ändern müssen.“ Kernproblem sei, dass man das Gesetz zu spät angepasst hat. Aber ob dafür nun die große Keule herausgeholt werden muss, ist die andere Frage.
Zwänge aus Brüssel
Gabriel begründet einen Teil seiner Pläne mit Zwängen aus Brüssel. „Fast unbeobachtet hat die EU auch einen Vorschlag gemacht für die neuen Umwelt- und Energieleitlinien. Und die sind viel dramatischer für das EEG, als was das Bundeswirtschaftsministerium bisher an Vorschlägen im Eckpunktepapier gemacht hat. Ausgangspunkt der EU ist, ab sofort die Förderung der Erneuerbaren nur noch über Ausschreibungen technologieneutral und europaweit zu gestatten. "Sie können ja mal eine Tagung über die Frage machen, was das in Deutschland bedeuten würde.“ Das wäre nach seiner Auffassung eine totale Ausbremsung der Energiewende. Deswegen werde Deutschland ein Erneuerbare-Energien-Gesetz bis zur Mitte des Jahres in Deutschland verabschieden müssen. "Schaffen wir das nicht und gehen weit über die Sommerpause hinaus, dann wird das nicht mehr notifizierungsfähig sein und wir werden für 2015 keine Befreiungstatbestände für die Industrie machen können. Damit wären wir in einer dramatischen Krise der deutschen Rohstoffindustrie und der energieintensiven Industrie." Die EU versuche, über den Umweg des Wettbewerbsrechts die nationale Energiepolitik zu beenden. "Wenn man ehrlich ist", so Gabriel, "brauchen wir in Europa auch eine harmonisiertere Energiepolitik als wir sie bisher haben." Wenn nicht schon 2017 in Richtung Ausschreibungen gegangen werde, werden die Chancen für das EEG in Brüssel sinken. "Alles was die von uns wollen, ist eine stärkere Marktintegration und dass wir auf den Weg in Richtung Ausschreibungen gehen."
Gerade sei das schwedische Energiefördergesetz vor dem Europäischen Gerichtshof aufgehoben worden. Es sei nicht mit dem EEG vergleichbar, aber das Urteil zeige, dass alle sich irren, die glaubten, das alte Preussen-Elektra-Urteil würde heute genauso vor dem Europäischen Gerichtshof fassen, so Gabriel. Eine Klagen von Preussen Elektra war 2001 vom Europäischen Gerichtshof abgewiesen worden mit der Begründung, das Stromeinspeisegesetz sei keine Beihilfe. "Sie werden eine völlig andere Rechtsprechung bekommen. Wir werden um eine Notifizierung nicht drumhinkommen. Deshalb stehen wir unter Zeitdruck, die Novelle hinzubekommen", so Gabriel.
Thomas Schulz, Analyst bei Linklaters LLP in Berlin, erklärt dazu, dass laut bisheriger Umweltleitlinie von 2008 das EEG keine Beihilfe ist, die Ausnahmen für die stromintensive Industrie sind es allerdings schon. Doch die von Gabriel erwähnte, künftige Richtlinie, die 2014 verabschiedet werden soll, beinhaltet unter anderem die Pflicht zur technologieneutralen Ausschreibung. Ziel darin sind Ausschreibungen und Prämien bei den Erneuerbaren. Es gibt also tatsächlich einen gewissen Zwang in Richtung Ausschreibung. (Nicole Weinhold)