Nicole Weinhold
„Polen ist in der Energieversorgung stark verbunden mit Kohle“, sagt Joanna Maćkowiak-Pandera vom polnischen Think Tank Forum Energii. Sie war zu Gast bei Agora Energiewende in Berlin, um über die energiepolitische Situation in Polen zu sprechen. 70 Prozent Kohleanteil an der installierten Leistung seien es Ende 2019 gewesen, so Maćkowiak-Pandera in einer Pressekonferenz vor deutschen Journalisten. „Über viele Jahre hat sich da kaum etwas getan.“ Von 2010 an habe im Wesentlichen nur die Onshore-Windenergie zugelegt, was immerhin zu 5,9 Gigawatt bis Ende 2019 geführt hat. Allerdings gebe es auch in Polen eine wachsende Gegnerschaft gegen Onshore-Windenergie.
Polen lieben Solarenergie
Was aber ebenfalls ins Auge fällt, wenn man die Entwicklung der Erneuerbaren anschaut: Seit etwa zwei Jahren wächst die Photovoltaik dort rapide. „Die Polen haben sich in die Solarenergie verliebt“, fasst es die Referentin zusammen. Sie erwartet, dass ihr Land Ende 2020 auf drei GW Solarleistung kommt. Und noch etwas hat sich geändert: Die Erneuerbaren würden jetzt als etwas angesehen, das das Energieversorgungssystem stützt. Das liege am Hitzesommer 2015, als die Wasserkraft nicht mehr umfänglich verfügbar war und das System instabil wurde. Solar soll das nun mit ausgleichen.
Anteil erneuerbarer Energien 15,4 Prozent
Entsprechend ist der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion von 12,7 im Vorjahr auf 15,4 Prozent 2019 gestiegen, während die Kohle von 78,2 auf 73,6 Prozent zurückgedrängt wurde. Gerade wurde von der Regierung ein GW an Onshore-Wind ausgeschrieben. Es werde also auch mit Wind weitergehen.
ETS ist treibende Kraft für Dekarbonisierung
Die neue Beliebtheit der Erneuerbaren hat noch einen weiteren Grund. „Der Europäische Emissionshandel ETS ist die treibende Kraft für die Dekarbonisierung in Polen“, erklärt Maćkowiak-Pandera. Tatsächlich habe Polen ein großes Problem mit seiner Luftqualität – vor allem im Winter. Sowohl District Heating als auch 50 Prozent aller Haushalte werden mit Kohle und Ähnlichem beheizt. „Man kann an manchen Tagen in den Städten nicht atmen“, betont Maćkowiak-Pandera (Foto Warschau oben). Bis 2030 will die Regierung daher die Kohle zum Heizen aus den Haushalten verbannen. Aber gleichzeitig müsste auch bei District Heating und in den Kraftwerken etwas passieren.
In den vergangenen 30 Jahren sei zu wenig passiert, so die Energieexpertin. Zwischen 1988 und 2018 seien in der Stromversorgung nur sieben Prozent CO2 eingespart worden. In der Wärme waren es 21 Prozent. Ziel sei es, bis 2030 50 Prozent weniger Emissionen auszustoßen. Eine Studie zusammen mit Agora Energiewende zeige, dass das machbar sei. Allerdings setzt die Regierung auch auf Atomkraft. Sechs Kernkraftwerke mit einer Erzeugungskapazität von zusammen sieben bis fast elf Gigawatt (GW) sollen bis 2040 in Polen entstehen und den Betrieb aufnehmen.
Anfang Oktober hat die polnische Regierung die entsprechenden Schritte eingeleitet.
Minen seien längst unwirtschaftlich
Noch hängen viele Jobs an der Kohleindustrie in Polen. Doch viele Minen seien längst unwirtschaftlich und könnten nur durch Subventionen überleben. „Aber der Staat wird sie nicht ewig fördern“, stellt Maćkowiak-Pandera klar. In den nächsten drei Jahren soll mindestens ein Fünftel der Kohleproduktion stillgelegt werden. Doch die Gewerkschaften seien sehr mächtig, und man sei aufgrund von Minenschließungen in der Vergangenheit alarmiert. Damals seien die Kohlekumpel nach Hause geschickt worden und niemand kümmerte sich um sie. Ein Kohleausstieg müsse also im Sinne der Gewerkschaften geplant werden. Einen Ausstieg wie in Deutschland könnten sich auch die polnischen Kohlevertreter vorstellen – sehr langfristig und mit großzügiger Abfindung.
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