Für Urs Wahl, Sprecher der Offshore-Wind-Industrie-Allianz, war als Moderator des Windforce-Themenblocks zu den deutschen Ausschreibungen eines klar: Die Zuhörer im Saal würden gleich mit Spannung mit anhören können, wie die neue Leiterin des Bereichs Windkraft- und Maritime Technologie beim Karlsruher Energiekonzern EnBW, Hannah König „die Null erklärt“. Wahl leitete so die mutmaßlich am meisten mit Spannung erwartete Diskussion der Zweieinhalb-Tage-Konferenz ein. Welcher Wandel der Ausschreibungsprozess im Verlauf der nächsten drei bis vier Tender noch durchlaufen wird, lautete das Thema.
Wahls Anspielung der Null bezog sich auf die Ergebnisse des ersten Tenders vom April. EnBW wie auch der dänische Konkurrent Dong hatten jeweils angeboten, Windparkprojekte mit null Cent Vergütungszulagen auf den Börsenstrompreis 25 Jahre lang zu betreiben. Daraufhin erteilte die Bundesnetzagentur die Zuschläge für die Windparks He Dreiht mit 900 Megawatt (MW) Erzeugungskapazität an EnBW sowie OWP West, Borkum Riffgrund West 2 und Gode Wind 3 mit zusammen knapp 600 MW an Dong. Der dänische Betreiber hat hierbei zumindest einen der Zuschläge ebenfalls für eine Zulage von null Cent erhalten. Zumindest einer der Windparkprojekte soll hingegen eine Zulage von sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf den Börsenstrompreis erhalten. Die EnBW-Abgesandte werde in dem Tender-Panel wohl erklären, wie EnBW sich einen rentablen Betrieb nur über den Börsenstrompreis vorstellen kann, so die Vermutung Wahls.
Doch für die Offshore-Szene in Deutschland ist offenbar nun klar, dass Null-Cent-Zuschläge in den kommenden Tendern nicht mehr die Ausnahme sondern die Regel sein dürften. Die Statements zur Begründung einer Windstromerzeugung ohne jede Vergütungssubvention fielen daher eher knapp aus. Oder wie bei Felix Würtenberger, Leiter des Bereichs Offshore-Projektentwicklungen für Deutschland und Niederlande beim Vattenfall-Konzern, ausweichend. Der Vattenfall-Mann musste immerhin erklären, warum sein Konzern mit Dong und EnBW beim Bieten in der ersten Ausschreibungsrunde nicht mithalten konnte – und ob er es in Zukunft doch können wird. „Ein erstaunliches, für Vattenfall enttäuschendes Ergebnis“ seien die Resultate des Tenders vom April, räumte Würtenberger ein. Noch sei es aber zu früh, daraus auf die nächsten Ausschreibungen zu schließen, betonte er. Um wenig später klar zu stellen: „Die Subventions-freie Offshore-Windkraft“ werde in den Windparks mit Baujahren nach 2020 wahr werden. Deshalb aber müsse die Politik ein neues Ausschreibungssystem entwickeln, das über die Vergabe der Baurechte bei Null-Cent-Geboten entscheide.
Auch EnBW-Bereichsleiterin König hielt sich nicht lange bei einer Erklärung der Null-Cent-Projektierung He Dreiht auf: Zum Zeitpunkt seiner Errichtung im Jahr 2025 werde das Nordsee-Vorhaben der größte deutsche Nordsee-Windpark werden. Das EnBW-Management habe das Projekt „konservativ“ – also mit aller Vorsicht – kalkuliert. Diese Kalkulation gehe von steigenden Handelspreisen beim Strom nach dann erfolgter Abschaltung aller Atomkraftwerke in Deutschland aus – sowie von ausreichenden Skaleneffekten eines so großen Windparks. Bereits vor der Windforce-Konferenz hatten Branchenbeobachter auch auf EnBW-Planungen verwiesen, den Bau von He Dreiht mit dem Bau des Nachbar-EnBW-Windparks Albatros zu verbinden und damit noch günstigere Logistik-Preise erzielen zu können.
Dass aber neue Regelungen für die künftigen Windparkzuschläge bei Null-Cent-Zulagen her müssen, darüber besteht offenbar kein Zweifel mehr. Zumal das 2016 reformierte Erneuerbare-Energien-Gesetz hier Zeitdruck entfaltet. So verwies die Offshore-Expertin der Kanzlei Becker-Büttner-Heldt, Ursula Prall, auf die Regelung für die Tender ab 2019: Derzeit sieht das sogenannte EEG 2017 einen Gebotshöchstpreis von zwölf Cent pro kWh vor. Nach dem zweiten Offshore-Windpark-Tender im kommenden Jahr werde aber der niedrigste erfolgreiche Gebotspreis für die Ausschreibungen ab 2019 zum neuen Höchstpreis. Tender-Höchstpreise von 0 Cent seien nach dem jetzigen EEG-Auktions-Regeln aber nicht sinnvoll, lässt sie wissen.
Tatsächlich sieht das EEG 2017 bei einer Auswahl zwischen gleichen Geboten die Bevorzugung kleinerer Windparks vor – ursprünglich wohl dazu gedacht, die Preise pro kWh weiter zu senken. Denn kleinere Windparks müssen dann trotz vergleichsweise zu Großprojekten höherer Kosten noch profitabel sein. Im Extremfall könnte laut EEG beziehungsweise laut dem dazugehörigen neuen Wind-auf-See-Gesetz (WindSeeG) sogar ein Losverfahren den Ausschlag geben.
Auch in den Gesprächen zwischen den Debattenbeiträgen der Windforce zeigte sich eine gemeinsame Überzeugung: Windparks mit Null-Cent-Zulagen für die eingespeiste und an der Börse verkaufte kWh gehören künftig vermutlich zur Normalität. Ein neues Ausschreibungssystem für subventionsfreie Einspeisung auf See müsse daher her, betonte auch Vattenfall-Mann Würtenberger. Wie das aussehen kann, darauf legte sich noch niemand fest. Gemäß den inoffiziellen Äußerungen in den Pausengesprächen der Konferenz freilich könnten sich die Unternehmen und Branchenkenner aber auch Auktionen vorstellen, die eine gute und günstige Netzanbindung in die Kriterien mit einbeziehen. Ausschreibungen, die auf diese Weise eventuell sogar die Abhängigkeit der Netzanbindung vom Ausbauwillen der Netzbetreiber lösen. Sei der Netzanschluss hingegen Teil der Ausschreibung, so die dazu gehörige Überzeugung, könne der Windparkinvestor diesen selbst beschleunigen.
Die von Windforce-Moderator Urs Wahl geleitete Abschluss-Fragerunde zeigte dann, worauf die Branchenakteure nun ihre Hoffnung richten. Die Politik müsse die Ausbauobergrenze von 15 Gigawatt (GW) für Offshore-Windparks bis 2030 fallen lassen oder nach oben verschieben, ließen die Fragesteller anklingen.
Allerdings machte der einzige Vertreter der Politik im Tender-Panel klar, dass aus Berlin nicht so rasch Unterstützung zu erwarten sein wird: An eine Anhebung der Obergrenzen denke niemand, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Westphal.
Doch in der Branche sind verschiedene Szenarien im Umlauf, die aus diesem Nein für den Ausbaudeckel der Offshore-Windkraft zumindest ein Vielleicht machen könnten. So schildert die Juristin Ursula Prall auf Nachfrage ein spezielles Konzept: Die Politik könne einen Teil der geplanten Ausschreibungen vorziehen. Derzeit sieht das WindSeeG vor, dass in einem Übergangssystem gut drei Gigawatt Windleistung ausgeschrieben werden, worum die bisher schon genehmigten Projekte konkurrieren – und zwar in den beiden Tendern 2017 und 2018. Die Projektrechte für nicht zum Zuge kommende Vorhaben erlöschen danach. Ab 2021 folgen die nächsten Ausschreibungen im sogenannten zentralen Modell für neue Projekte, deren Installation ab 2026 beginnt.
Die Projekte im zentralen Modell ließen sich vorziehen, denkt Prall laut nach. Dann ließe sich erkennen, wie schnell die Offshore-Netzanbindung der dennoch vorerst begrenzten Installation neuer Windparks folgen könne. Seien die geplanten 15 GW dann vorzeitig ans Netz angeschlossen und wie vermutet Kapazitäten zum Anschluss weiterer Windparks bereits installiert, aber noch frei, ließe sich der Ausbaudeckel entsprechend anheben.
(Tilman Weber)