Positive Marktaussichten, Lieferengpässe und Fachkräftemangel – in dieser Gemengelage bewegt sich die aktuelle Stimmung der Beschäftigten in der Windindustrie. Wie die jährliche Befragung der IG Metall Küste unter Betriebsräten ergab, blicken mehr als Dreiviertel von ihnen optimistisch auf die Entwicklung der Märkte. So gut war die Stimmung noch nie seit Beginn der Befragungen 2015.
Service, Projektentwickler und Turbinenhersteller optimistisch
Vor allem im Bereich Service, Turbinenhersteller, Projektentwicklung und Elektrokomponenten äußerten sich die Befragten optimistisch. Negativer Ausreißer war wenig überraschend der Bereich Rotorblätter: In diesem Jahr schloss mit der Nordex-Produktion in Rostock das letzte deutsche Rotorblattwerk. Ebenfalls eher pessimistisch äußerten sich Betriebsräte aus der Turm- und Wälzlagerherstellung.
Aktuelle Probleme kosten Jobs
Zu schaffen machten den Unternehmen aktuell vor allem die hohen Energie- und Stahlpreise, Engpässe bei Elektronikkomponenten und blockierte Transportwege durch die Schließung des Hafens in Shanghai, beschrieb Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste die Situation.
Als Folge gingen Arbeitsplätze verloren: So wurden im vergangen Jahr in jedem dritten Betrieb Jobs abgebaut, so dass nochmals rund 10 Prozent der Arbeitsplätze verschwanden. „Das grüne Jobwunder lässt weiter auf sich warten“, so Friedrich. Insgesamt werden der Branche deutschlandweit rund 90.000 bis 100.000 Arbeitsplätze zugerechnet.
BWE fordert Jahresendrallye bei den Genehmigungen
„Damit die positive Stimmung zu einem realen Produktions- und Beschäftigungsplus führt, müssen die 10.000 MW fertig entwickelte Projekte, für die bereits das Genehmigungsverfahren läuft, noch in diesem Jahr entschieden werden“, kommentierte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie die Befragungsergebnisse. „Dies ist dringend erforderlich, um die ersten Ausschreibungsrunden des kommenden Jahres zu füllen und den Zubau wieder dynamisch anspringen zu lassen.“
Schließlich hätten zwei Drittel der Betriebe das Personal weiter gehalten, obwohl sich die optimistische Stimmung bisher noch nicht substanziell in den Auftragsbüchern der Unternehmen niederschlage. Die Bundesländer stünden in der Verantwortung, jetzt eine Jahresendrallye zu starten, so Albers.
Bremst jetzt der Fachkräftemangel?
Doch für einen schnellen Zubau könnten die Fachkräfte fehlen. Fast 90 Prozent der befragten Betriebsräte befürchten, dass dieser eine ernsthafte Gefahr für den Ausbau der Windkraft in Deutschland darstellt.
Für die IG Metall Küste liegt die Lösung hier klar auf der Hand: Gute Arbeitsbedingungen mit entsprechenden Tarifverträgen machten die Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv. Die Branche habe hier großen Nachholbedarf: Rund 60 Prozent der reinen Windunternehmen seien nicht tarifgebunden, mit den entsprechenden Folgen für die Beschäftigten, was Arbeitszeiten, Entlohnung und Arbeitsbedingungen angehe.
Ausbildungsquote auf historischem Tiefstand
Einen Beleg dafür lieferte die Befragung: Während alle Betriebe ohne Tarifvertrag laut Betriebsrat mit Problemen bei der Stellenbesetzung zu kämpfen haben, sind es bei den tariflich gebundenen 69 Prozent.
„Wer sich – wie aktuell der Windanlagenhersteller Vestas – Tarifverhandlungen verweigert, muss sich über die negativen Auswirkungen bei der Suche nach Fachkräften nicht wundern“, so Friedrich. Der Gewerkschafter kritisierte auch die geringen Ausbildungsaktivitäten in der Branche. „Es macht mich fassungslos, dass die Ausbildungsquote mit 3,4 Prozent auf den historischen Tiefstand gesunken ist.“ Allerdings plant fast die Hälfte der Betriebe künftig mehr Auszubildende einzustellen.
Insgesamt nahmen an der Befragung Betriebsräte aus 28 Unternehmen mit etwa 25.000 Beschäftigten aus ganz Deutschland teil, allerdings mit deutlichem Schwerpunkt im Norden.
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