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Studie: „Kernfusion ist für die Energiewende irrelevant“

Im Koalitionsvertrag der kommenden Bundesregierung ist sie erwähnt, die Kernfusion: CDU und SPD wollen die Fusionsforschung stärker fördern. „Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen“, heißt es auf Seite 78.

Geld, das in anwendungsorientierter Forschung besser angelegt wäre, meint hingegen das DIW Berlin in einer aktuellen Studie. „Eine kommerzielle Nutzung von Kernfusion zur Energieerzeugung ist derzeit nicht absehbar. Trotz einzelner technologischer Fortschritte bleiben fundamentale Herausforderungen ungelöst“, resümieren die Autoren nüchtern.

Durchbruch der Kernfusion konstant „in 30 Jahren“

Denn: Wie das Ende des Regenbogens, unter dem sich angeblich ein Goldschatz befindet, verschiebt sich der erwartete Durchbruch bei der Kernfusion immer weiter – und wird seit Jahrzehnten vergleichsweise stabil auf „in 30 Jahren“ datiert. „Man könnte auch von einer ,Fusionskonstante‘ sprechen: Die Zeit bis zur Marktreife verschiebt sich kontinuierlich in die Zukunft“, erklärt Studienautor Alexander Wimmers.

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Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts gilt die Kernfusion als vielversprechende Energiequelle der Zukunft. Zahlreiche Prognosen sagten eine Marktreife innerhalb weniger Jahrzehnte voraus – eine Erwartung, die allerdings bis heute nicht erfüllt wurde. Ein zentrales Beispiel dafür sei das internationale Pilotprojekt ITER, heißt es in einer Presseinformation des DIW Berlin. ITER ist ein Versuchs-Kernfusionsreaktor zur Grundlagenforschung in Frankreich, an dem 33 Länder beteiligt sind und dessen Zeitplan sich seit den 1980er Jahren kontinuierlich verzögert. Ursprünglich war ein Demonstrationsreaktor für die 2020er Jahre geplant, inzwischen wird die Inbetriebnahme nicht vor der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts erwartet. Auch die Kostensteigerungen sind immens. Wurde zunächst mit rund fünf Milliarden Euro kalkuliert, sei jetzt teilweise von mehr als 50 Milliarden Euro die Rede, heißt es von DIW Berlin.

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„Aus energiewirtschaftlicher Perspektive ist die Kernfusion heute von einer kommerziellen Nutzung genauso weit entfernt wie in den 1950er Jahren, als die Entwicklung für zivile Zwecke anlief“, sagt Studienautor Christian von Hirschhausen. „Für die Energiewende ist sie damit irrelevant.“

Vermehrte Forschungsaktivitäten

Trotzdem stellt die Studie vermehrt Forschungsaktivitäten fest, getragen von privat kofinanzierten Unternehmen und der Zusammenarbeit privater Akteure mit öffentlichen Pilotprojekten. So seien in den vergangenen zehn Jahren zweistellige Milliardenbeträge in etwa 80 private kleine und mittelgroße Unternehmen der Branche geflossen. Diese Unternehmen setzen auf innovative Ansätze, beispielsweise leistungsfähigere Magnetspulen und Lasertechnologien. Allerdings steht auch hier die energetische Nutzung der Kernfusion nicht im Mittelpunkt. Die Entwicklung könnte der Studie zufolge die Akteurslandschaft verändern sowie bestehende Forschungsstrukturen in Frage stellen.

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Vor diesem Hintergrund sprechen sich die Studienautoren dafür aus, die öffentliche Forschungsförderung anzupassen und Forschungskapazitäten, die bisher eher in der Grundlagenforschung lagen, in die angewandte Forschung zu verschieben. „Kernfusion bleibt ein langfristiges Forschungsprojekt ohne Perspektiven für die kommerzielle Energienutzung“, resümiert Studienautorin Claudia Kemfert. „Anstatt weiter unrealistische Hoffnungen auf eine baldige Marktreife der Kernfusion zu setzen und Milliarden in hypothetische Fusionskraftwerke zu investieren, sollte der Fokus auf anwendungsorientierte Forschung gelenkt werden.“