„Let’s not kill this sector!“ 15 Meter entfernt von seiner jüngsten Turbinen-Entwicklung steht Ignacio Martín im Festzelt auf dem Kai des Gran Kanarischen Städtchens Arinaga am Rednerpult. Anstatt hier die Vorzüge seiner Offshore-Turbine anzupreisen nutzt er die Gelegenheit, beim Industrieminister in der ersten Reihe um den Erhalt der spanischen Grünstrombranche zu werben. Er tut das auf Spanisch, dem internationalen Publikum hat Gamesa eine Live-Übersetzung eingerichtet.
Nachdem die spanische Regierung rückwirkend für bestehende Grünstromanlagen die Vergütungen gekürzt hat, verabschiedete sie sich im Juli gänzlich von der Einspeisevergütung. Gamesa rechnet 2014 mit einem Totalausfall des heimischen Windausbaus. Mit dem Prototyp-Standort auf den spanischen Kanaren westlich von Marokko, sagt Ignacio Martín, bekennt sich Gamesa klar zum Heimatmarkt. Problemlos hätte man die Turbine auch in Großbritannien, Deutschland oder einer anderen Seewind-Nation errichten können. „Wir wollten klarmachen, dass wir ein spanisches Unternehmen sind“, sagt der Gamesa-Chef.
Insel mit 4.500 Volllaststunden
Der spanische Industrieminister José Manuel Soria aber blockt ab. Man könne sich zurzeit keine Unterstützung dieses Sektors leisten. Sollte der Standort Arinaga Quay sein politisches Ziel vielleicht verfehlt haben – seine Windbedingungen bleiben erstklassig. 4.500 Volllaststunden könne die Turbine auf ihrem 90 Meter hohen Turm erreichen. Ideale Testbedingungen, bescheinigt auch Gamesas Partner für die Turbinenzertifizierung Det Norske Veritas, kurz DNV. Im ersten Quartal 2014 soll die Zertifizierung des Prototyps abgeschlossen sein.Noch im gleichen Jahr soll die Serienfertigung der G128-5.0MW starten.
In welchem Staat das sein wird, ist aber noch relativ offen. Spanien wird es nicht; die Mittelmeerküste biete nicht genügend Windressourcen. „Für uns kommen drei Standorte in Frage: Großbritannien, Deutschland und Belgien“, sagt Martín.
Deutschland im Rennen für Offshore-Standort
Die aktuelle Verunsicherung in der Entwicklung der britischen Offshore-Förderung und die anstehende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Deutschland, würden eine Bewertung der Märkte erschweren. Das betrifft laut Gamesa auch die Marktvolumina, weswegen sich das Unternehmen derzeit nicht festlegen will, auf welche jährliche Stückzahl die Serienfertigung ausgelegt wird.
Und welche Marktstrategie verfolgt Gamesa, um sich gegen die wachsende Offshore-Konkurrenz durchzusetzen? „Hier spielt das Produkt wirklich eine zentrale Rolle“, antwortet Martín im Gespräch mit ERNEUERBARE ENERGIEN. Die G128-5.0MW soll mit geringen Installationskosten und hoher Zuverlässigkeit punkten.
30 Prozent weniger Lasten
Für die Zuverlässigkeit spricht zunächst, dass die Offshore-Turbine zu gut 80 Prozent ihrer 4,5-Megawatt-Onshore-Schwester entspricht, die Gamesa seit 2009 gut ein Dutzend Mal installiert hat. Mit der Offshore-Version betritt man also kein gänzliches Neuland. Technologisch wollen die Spanier Zuverlässigkeit und Effizienz vor allen Dingen auf vier Wegen erhöhen.
Da ist zunächst eine spezielle Einzelblattverstellung: Sensoren an den je 62,5 Meter langen Blättern melden kontinuierlich die Größe der Windlasten, denen die Flügel ausgesetzt sind. Überschreitet die Last an einem Blatt einen vorgegebenen Wert, wird es kurzzeitig leicht aus dem Wind gedreht. So will Gamesa die Ermüdung der Komponenten verringern. 30 Prozent weniger Lasten soll diese spezielle Einzelblattverstellung ermöglichen.
Beim Antriebsstrang setzen die Spanier auf ein zweistufiges Getriebe. Die schnelldrehende und störungsanfällige dritte Getriebestufe wurde ausgespart. Hinter dem Getriebe sitzt ein Synchron-Generator mit sechs unabhängigen Stromkreisen und sechs Umrichtermodulen. „Für jeden Lastbereich nutzen wir die effizienteste Kombination mehrerer Umrichter“, sagt Fermín Catalán Apecechea, Leitender Ingenieur für die Offshore-Turbine. Dadurch, dass die Steuerung beliebig Umrichter-Module hinzu- oder abschalten kann, lassen sie sich gleichmäßig beanspruchen. Fällt eines mit einem Defekt aus, kann es separat getauscht werden, in der Zwischenzeit läuft die Anlage mit fünf Umrichtermodulen weiter.
Monopile selbst im tiefen Wasser
Die größte Intelligenz soll im Überwachungssystem der Windturbine stecken. „Die Maschine kann Fehler selbst erkennen und bewerten“, sagt Apecechea. Dazu werden über 2.000 Betriebsparameter ständig überwacht – eine Datenbank aus etwa 1.000 Warnungen hilft der Turbine die richtigen Rückschlüsse auf die Fehlerursache zu ziehen.
Verpackt ist die Anlagentechnik in einem Maschinenhaus, das mit 270 Tonnen inklusive aller Bauteile und Rotorblätter zur leichtesten ihrer Klasse gehört. Das soll die Installationskosten der Anlage verringern. „Das geringe Gewicht erlaubt es uns, den Monopile selbst im 35 Meter tiefen Wasser zu verwenden“, sagt Chefingenieur Apecechea. Mit diesem einfachen Pfahl als Verankerung im Meeresboden würde sich Gamesa aufwändige Gründungsstrukturen wie die dreibeinigen Tripiles oder die gittermastähnlichen Jacket-Konstruktionen selbst in tieferem Gewässer sparen.
Gamesa versucht nun mit wenig Risiko Fuß im Offshore-Markt zu fassen. Aus den Plänen für die Geschäftsentwicklung hält man die Offshore-Energie daher zunächst bewusst raus. Das langfristige Ziel für den Markt: „Wir wollen zu den Top Five im Offshore-Segment zählen", sagt Ignacio Martín. Das hat aber noch Zeit bis zur nächsten geplanten Anlagengeneration mit acht Megawatt. (Denny Gille)