Die Bundesregierung hat die Gesetzesvorlage von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zur drastischen Kürzung der Solarstromförderung abgenickt. Sowohl die Verringerung der Einspeisevergütung von teilweise über fünfzig Prozent innerhalb weniger Monate als auch die Ermächtigung zur weiteren Festlegung der Tarife auf alleinige Ministerverordnung gingen unbeschadet durch die Beratung des Kabinetts. Damit haben die beiden Minister die erste Hürde genommen und jetzt ist der Weg ins Parlament frei.
Die Angst der Stromriesen
Mit der Entscheidung stellt sich das gesamte Kabinett hinter die beiden Minister und gegen die heftige Kritik aus der Solarbranche und von Umweltverbänden. Die warnen vor einem jähen Aus für die Energiewende, sollte die Photovoltaik in Deutschland kurz vor der Konkurrenzfähigkeit durch radikalen Kahlschlag bei der Einspeisevergütung abgewürgt werden. Der Energieexperte von Greenpeace Sven Teske spricht sogar von einer „Notbremse im Auftrag von E.on, Vattenfall, RWE und EnBW“. Er kritisiert die Entscheidung der Bundesregierung. „Gesiegt haben die Lobbyisten der vier großen Stromkonzerne über zehntausend mittelständische Unternehmen“, schreibt er in einer Stellungnahme. „Die Bundesregierung entscheidet sich für klimazerstörende Kohlekraftwerke und gegen einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Umbau der Stromversorgung. Bundesumweltminister Röttgen vernichtet eine Zukunftstechnik durch planlose Gesetzesänderungen und hat den Erneuerbaren Energien bereits jetzt erheblichen Schaden zugefügt. Nur etwa zwei Jahre bevor in Deutschland der Photovoltaikstrom vom Hausdach günstiger als der Strom vom Energieversorger sein wird, soll die Technik abgewürgt werden. Denn es ist das eingetreten, was die große Stromkonzerne immer heftig bestritten haben: Solarstrom verdrängt jetzt große Kohle- und Atomkraftwerke im Netz. Damit sich zentrale Kohlekraftwerke für E.on amp; Co auch zukünftig lohnen, soll der mittelständischen Solarbranche der ‚Stecker gezogen‘ werden.“ Teske warnt den Wirtschaftsminister, der eigentlich an einer funktionierenden Industrielandschaft interessiert sein sollte, davor, dass durch den Beschluss ein Milliardenmarkt in Gefahr ist, der etwa die Hälfte der 130.000 Arbeitsplätze in mehr als 10.000 mittelständischen Betrieben bedroht. „Dabei würde Deutschland sofort seine internationale Führungsrolle in der Solartechnik verlieren, was zur Folge hätte, das auch das Auslandsgeschäft der deutschen Solarbranche Schaden nehmen würde“, prophezeit Teske.
Entscheidung hat Folgen für internationale Märkte und Anbieter
Die Entscheidung, den bisher weltweit größten Photovoltaikmarkt zu zerstören würde auch international einen Dominoeffekt auslösen. „Ein so starker Markteinbruch macht auch Herstellern aus anderen Ländern schwer zu schaffen, denn so schnell kann dieser Markteinbruch von anderen Ländern nicht aufgefangen werden“, warnt Teske. „Die Folge ist eine noch größere Überkapazität der Photovoltaikproduktion, was wiederum einen weiteren Preisverfall zur Folge hat, der seinerseits die Hersteller weiter in den Ruin treibt. Minister Rösler und Röttgen wären – auch im globalen Maßstab – die Totengräber eines großen Teils der Solarindustrie.“
"Ein Generalangriff auf das EEG"
Heftige Kritik erntet die Regierung vor allem auch für das Vorhaben, die Einspeisevergütung künftig am Parlament vorbei vornehmen zu wollen. Nicht nur, dass damit die gesamte Förderung dem Gutdünken eines Ministers ausgesetzt ist, es trifft die Solarbranche an einer der empfindlichsten Stellen. „Wenn Vergütungen oder andere elementare Bestandteile des EEG geändert werden können, ohne dass der Bundestag zuvor abwägen und beraten konnte, ist die Planungs- und Investitionssicherheit der Erneuerbaren-Branche endgültig dahin“, warnt Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Er fordert die Bundestagsabgeordneten auf, der Regierungsvorlage nicht zuzustimmen und die Mitbestimmungsmöglichkeit über die Energiepolitik in Deutschland nicht aus der Hand zu geben. Außerdem befürchtet Dietmar Schütz, dass die heute beschlossenen Regelungen auch auf andere Sparten der erneuerbaren Energien ausgeweitet werden könnten. „Das ist ein Generalangriff auf das EEG durch die Hintertür“, so Schütz. (Sven Ullrich)